Branchenmeldungen 21.06.2023

Wie viel Medizin steckt in der Zahnmedizin?



Wie viel Medizin steckt in der Zahnmedizin?

Foto: OEMUS MEDIA AG

Der viertägige Kongress DGMKG meets DGZMK und Zahnärztetag, zu welchem mehr als 1.000 renommierte Mediziner, Wissenschaftler und Fachleute aus verschiedenen medizinischen Bereichen der Mund-Kiefer-Gesichts- sowie Oralchirurgie und Zahnmedizin im Hamburger Congress Center zusammenkamen, erfuhr seinen formellen Kick-off am vergangenen Donnerstag, 15.06.2023, mit der offiziellen Pressekonferenz zur Veranstaltung.

Gleich zu Beginn der Zusammenkunft erläuterte Prof. Dr. Dr. Alexander Schramm, ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Uniklinikum Ulm sowie des Bundeswehrkrankenhauses ebenda, die Herausforderungen bei der Versorgung von Flüchtlingen. Er gab an, dass gut ein Drittel all jener zumeist Schuss- bzw. Explosionsverletzungen im Gesicht seien, was unweigerlich zu besonderer Aufmerksamkeit führen müsse, da diese Patienten mit diesen offensichtlich schwer beeinträchtigenden Schädigungen weiter durchs Leben gehen müssen, sollten diese nicht einwandfrei versorgt werden. Die primäre Erstversorgung finde zwar jeweils vor Ort statt, jedoch stießen viele Kliniken an schwer gebeutelten Kriegsschauplätzen schnell an materielle sowie personelle Grenzen. Demnach übernehme man die weitere Behandlung in den Bundeswehrkliniken in Deutschland und achte hier vor allem darauf, nicht nur physische Nutzbarkeit, sondern auch optische Ästhetik der Betroffenen bestmöglich wiederherzustellen. Dabei werde u.a. auf Ressourcen von Assistenzsystemen wie 3D Computer-Navigation zur Erstellung von individuellen Implantaten und OP-Schablonen zurückgegriffen, um bestmögliche Ergebnisse erzielen zu können.

Einen wichtigen Blickpunkt steuerte im Anschluss daran Priv.-Doz. Dr. Dr. Alexander Bartella, Plastischer und Mund-Kiefer-Gesichtschirurg in Bielefeld zur Konferenz bei. Häufig übersehen werden in Gesundheits- bzw. Heilungsprozessen die Signifikanz von gesunder Ernährung und sportlicher Betätigung. Patienten, welche – bereits vor Eingriffen – einem gesunden Lebenswandel frönen, können nach einem stationären Aufenthalt nachweislich bis zu vier Tage eher wieder entlassen werden, da sowohl die Nährstoffsättigung besser vorhanden als auch physische Kräfte in Reha-Maßnahmen schneller wieder zu aktivieren seien. Zudem beuge man Diabetes-, Stoffwechsel- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen maßgeblich vor und sei außerdem in der Lage, die körpereigene Widerstandsbarriere besser aufrechtzuhalten. So bat Dr. Bartella die Gäste der Pressekonferenz eindringlich, die eigene Gesundheit als eine Art Sparkonto zu betrachten, auf welches man zuzugreifen in der Lage sei, wenn man regelmäßig eingezahlt habe. Deshalb sei sein erklärtes Ziel, seine Patienten mit „Hilfe zur Selbsthilfe“ aufklärend zu unterstützen und gleichfalls somit den Versuch zu wagen, die medizinischen Fachkräfte der individuell notwendigen Reha-Bereiche zu entlasten.

Schlussendlich besprachen im enthusiastischen Zweiergespann Prof. Dr. Diana Wolff, ärztliche Direktorin für Zahnerhaltungskunde der Universitätsklinik in Heidelberg, sowie Prof. Dr. Dr. Bernd Lethaus, Direktor der MKG-Klinik und Poliklinik in Leipzig, die derzeit vorherrschenden Missstände ambulanter und stationärer Möglichkeiten zur zahnmedizinischen Behandlung von vulnerablen Patientengruppen – besonders unter Narkose –, welche immerhin bis zu 8 Millionen Menschen in Deutschland umfasse. Nach einer aktuellen Umfrage zum Standort Heidelberg müssen Patienten, welche eine multimodale Komplettbetreuung benötigen, vor Ort teilweise bis zu 12 Monate auf ihren stationären Termin warten. Ein desaströser Zustand, denn diese stationären Aufenthalte seien z.B. bei Patienten mit Anästhesierisiken unumgänglich. Dabei träfen dann ärztliche Pflicht, Ethik und Moral nicht selten auf limitierte Kapazitäten und nicht minder limitierte Finanzierungsmöglichkeiten. Dr. Wolff forderte deshalb eine grundlegende Sensibilisierung für dieses Problem, eine klare Reform der Abrechnungsmodalitäten, angemessene Zusatzentgelte, kapazitätsneutrale Möglichkeiten, Netzwerkarbeit mit niedergelassenen Kollegen, um so eben eine sinnvolle Patientenverteilung zu bewerkstelligen, und den umfassenden und stetigen Austausch mit allen Landeszahnärztekammern sowie Unterstützung von politischer Seite. Schlussendlich fordere sie, so Dr. Wolff, die Auflösung der (Kosten-)Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung, wobei ihr Kollege Prof. Lethaus beipflichtete: „Man sollte wirklich einmal bei Herrn Prof. Lauterbach anrufen und fragen, wie er sich das mit der Krankenhausreform vorstellt. Im Moment fallen vulnerable Patientengruppen sozusagen im freien Fall durch das Raster des Gesundheitssystems.“ So pochte er darauf, dass grundlegende Strukturen im deutschen Gesundheitssystem schlichtweg überdacht und geändert werden müssen, gab jedoch auch zu Protokoll, dass die meisten europäischen Partner mit ähnlichen bzw. nahezu identischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Schlussfolgernd meinten beide Mediziner, dass zwar erste Schritte bereits unternommen wurden, aber die Frage, wie es nun weitergeht, nach wie vor bestehen bleibe.

Damit nahm die einstündige Pressekonferenz zur Mittagsstunde des zweiten Kongresstages ihr Ende.

Umfassende Berichte zu den einzelnen Symposien, Diskussionsrunden und Workshops der jeweiligen chirurgisch-zahnmedizinischen Bereiche, im Rahmen des kompletten Kongresses, finden Sie zeitnah in den Fachjournalen der OEMUS MEDIA AG.

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