Branchenmeldungen 29.08.2022
„Wir haben den Luxus, zukunftsorientiert zu arbeiten“
Seit 2020 ist Dr. Robert Gottlander CEO und Präsident des Dentalherstellers Neoss. Er genoss eine dentale Ausbildung an der School of Dentistry der Universität Göteborg und kann auf über 40 Jahre Erfahrung im Dentalmarkt zurückgreifen. Im folgenden Interview spricht Dr. Gottlander über seine Ziele für das Unternehmen und erklärt, was den neuen Intraoralscanner NeoScan 1000 auszeichnet.
Herr Dr. Gottlander, Sie luden die dentale Community im Juni nach Göteborg (Schweden) zum Event Integrate 2022 ein. Bitte erzählen Sie uns mehr.
Neoss bendet sich in einer Phase des Wandels. Wir stützen uns auf starke Produktlinien, Forschung und eine wachsende Community. Über 600 Teilnehmer folgten unserer Einladung und hatten – was ich sowohl von internen als auch externen Stimmen gehört habe – alle eine Menge Spaß. Unsere Ziele waren Fortbildung, Integration und eine große Feier. Wir haben das grundlegende Gefühl, dass Weiterbildung „allein“ nicht länger ausreicht, denn die Leute sind es gewohnt, sich die neusten Informationen aus dem Internet zu ziehen, vor allem seit der Pandemie. Aber der Austausch fehlt. Unser Event bot kurze Vorträge und die Möglichkeit, sich sowohl mit den Referenten als auch anderen Teilnehmern auszutauschen, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Außerdem haben wir ein Abendprogramm geboten, z. B. mit themenbasierten Dinnern. Mit dieser Mischung wollten wir viele Teilnehmer gewinnen und das hat auch hervorragend funktioniert. Das Event hat unsere Erwartungen übertroffen und wir sind mit dem Ergebnis enorm zufrieden.
Der Name des Events war Integrate 2022. Heißt das also, dass es in den kommenden Jahren weitere Veranstaltungen wie diese geben wird?
Der Plan – der bisher noch nicht ofziell bestätigt ist – sieht vor, fünf bis sieben kleinere Treffen in verschiedenen Ländern zu organisieren und 2024 ein weiteres „Integrate”-Event zu veranstalten. Mir gefällt der Name sehr gut, denn ein Großteil der täglichen Arbeit von Zahnärzten beschäftigt sich mit dem Thema Integration. Während der Pandemie haben wir gelernt, alle Bereiche der dentalen Community einzubeziehen, also auch Kliniker und Hersteller. Die dentale Community funktioniert besser, wenn alle integriert sind und zusammenarbeiten.
Dass Göteborg als Veranstaltungsort gewählt wurde, war sicher kein Zufall. Immerhin hat Neoss seine Wurzeln in dieser Stadt, und diese ist eng mit Per-Ingvar Brånemark verbunden, einer zentralen Figur in der Forschung zur Osseointegration.
Neoss basiert auf der implantologischen Tradition in Göteborg. Wir wollen an der Basis bleiben und Brånemarks Prinzipien folgen: Immer zuerst an den Patienten denken. Deshalb fragen wir uns als Unternehmen auch, was wir für den Behandler tun müssen, damit dieser das bestmögliche Ergebnis für den Patienten erzielen kann. Unser Standort liegt ganz in der Nähe der Dental School der Universität Göteborg und wir benden uns im selben Gebäude wie die Abteilung für Biomaterialien. Ich denke, Neoss fokussiert sich mehr auf die Forschung als andere Implantathersteller – auch wenn ich nicht weiß, ob wir uns wirklich als ein solcher sehen. Ich denke, eigentlich nicht, und ich möchte auch nicht, dass wir einer sind.
Wie versteht sich Neoss denn, wenn nicht als ein Implantathersteller?
Ich denke, wir wollen ein Unternehmen sein, das den Zahnarzt bei der bestmöglichen Behandlung seiner Patienten unterstützt: einfache Lösungen, aber mit vorhersagbaren Ergebnissen. Heute unterscheiden sich Implantate stark von denen von vor 40 Jahren und in 20 Jahren werden sie sich mit Sicherheit weiter verändern. Die Geräte, die wir verwenden – z. B. Scanner und Software – kommen auch in vielen anderen Behandlungen zum Einsatz. Vor drei Jahrzehnten wurde eine Implantatkrone ganz anders hergestellt als eine Zahnkrone. Heute gibt es keine Unterschiede mehr. Die Implantologie hat sich den anderen Feldern der Zahnmedizin viel stärker angenähert. Diese Veränderung zeigt sich bei allen traditionellen Implantatherstellern, denn sie sind völlig anders als vor 20 oder 30 Jahren. Wir bei Neoss wollen Technologien anbieten, die einfach zu bedienen sind und zu unserem Konzept „intelligent simplicity“ passen. Einfachheit war schon immer entscheidend, aber sie wird noch viel wichtiger werden.
Ich denke, die Entwicklung hängt mit dem heutigen Ausbildungssystem in der Zahnmedizin zusammen. Als ich meine Ausbildung begann, lernten wir viel über wenige Dinge. Heute gibt es viele verschiedene Spezialgebiete in der Zahnmedizin, aber die Studenten verbringen deshalb nicht mehr Zeit in der Ausbildung. Deshalb lernen sie heute, ich will nicht sagen wenig, aber weniger über viele Dinge. Daher müssen sie nach ihrer Ausbildung Wege finden, ihr Wissen zu vertiefen. Hinzu kommt, dass Studenten und Behandler ihre Sicht auf das eigene Leben verändert haben. Als ich meinen Abschluss machte, hatte man noch das Ziel vor Augen, ein Spezialist mit eigener Praxis zu werden. Heute wollen viele Zahnmedizinstudenten lieber angestellt sein – und das bedeutet, dass sich die Nachfrage an die Firmen verändert. Wir müssen die Herstellung unserer Produkte und Fortbildung anders betrachten.
Bei Neoss haben wir das Ziel, unsere Produkte mit einem immensen Aufwand an Aus- und Weiterbildung zu unterstützen. Ich bin der Meinung, ein Hersteller hat die Verantwortung, den Zahnärzten genau zu zeigen, wie seine Produkte angewendet werden. Um also Ihre Frage zu beantworten, wie sich Neoss versteht, sind das Themen, auf die wir den Fokus legen. Wir sind kein riesiges Unternehmen, und ich denke, dass der große Vorteil darin besteht, dass wir uns nicht an traditionelle Strukturen halten müssen. Diese Flexibilität ermöglicht es uns, Projekte anzugehen, die zukünftig etwas verändern werden. Traditionsunternehmen müssen sich darauf konzentrieren, wie sie ihre aktuellen Geschäfte führen. Neoss hat den Luxus, zukunftsorientierter zu arbeiten.
Viele Implantathersteller stoßen in Bereiche außerhalb ihrer Kerngeschäfte vor, z. B. Aligner oder Intraoralscanner. Neoss hat vor Kurzem den NeoScan 1000 herausgebracht. Was steht hinter diesem Produkt?
Seit fünf Jahren haben wir den ScanPeg, das aktuell klügste Produkt für den digitalen Workow am Markt, mit einer Kombination aus Scanabutment und Heilungsabutment. Ich wusste, dass dieses Produkt clever ist, wir es aber nicht ohne den passenden Scanner verkaufen können.
Was zeichnet den neuen Scanner aus?
Wir sind dem Konzept „easy to use“ treu geblieben. Ich glaube einfach an eine intelligente einfache Nutzung, die auf Wissenschaft basiert. Als wir den Scanner entwickelten, haben wir uns nicht auf multiple Software-Features konzentriert, sondern auf eine schnelle, präzise und einfache Nutzung während der Arbeit. Der Scanner ist mit einem Gewicht von nur 198 Gramm sehr leicht – quasi das Gewicht eines Smartphones. Der Spiegel ist etwas tiefer angebracht, damit das Bild größer als üblich ausfällt. Sollte etwas während des Scanprozesses übersehen werden, kann der Nutzer zurückgehen und der Scanner wird den fehlenden Bereich schnell nachliefern, was die Scan-Zeit reduziert. Es gibt einen Knopf für den Scan des Ober- und einen für den des Unterkiefers. So kann man eigentlich nichts falsch machen.
Es wurde also an alles gedacht?
Genau. Der NeoScan 1000 wurde für Zahnärzte entwickelt, die ein einfaches Gerät wollen, das präzise Bilder erstellt und trotzdem erschwinglich ist. Ich denke, im Moment ist er der Scanner mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis am Markt. Viele andere Produkte im selben Preissegment haben keinen Farbmodus oder arbeiten nicht mit derselben Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit unseres Scanners entspricht der von High-End-Geräten. Wir haben nur nicht die verschiedenen Module für die Software. Aber der Scanner ist sehr offen. Der Spezialist kann die gescannten Daten in eine andere Design- und Scanning-Software übernehmen. NeoScan 1000 richtet sich an Zahnärzte, die sich auf ihre klinische Arbeit konzentrieren wollen. Wir haben erste Daten, die zeigten, dass die Präzision unseres Scanners genauso gut ist wie die der derzeit führenden Marken, auf der Integrate 2022 vorgestellt.
Die EuroPerio10 war das erste dentale Großereignis seit der COVID-19-Pandemie. Was war das für ein Gefühl?
Es war großartig, wieder mit den Leuten zu sprechen und sich auszutauschen. Ich persönlich habe es sehr genossen. Der Unterschied zu vor der Pandemie ist, dass es jetzt bei den Veranstaltungen verstärkt um das Zusammentreffen und Netzwerken geht. Auf der EuroPerio hat Neoss auch noch ein weiteres Produkt-Highlight gezeigt: NeoGen, eine nicht resorbierbare PTFE-Membran mit Titanverstärkung. Diese Membranen sind normalerweise eher schwierig im Handling, aber wenn sie richtig angewandt werden, erzielen sie erstaunliches vertikales Knochenwachstum. Wir haben dieses Produkt seit sieben Jahren und es steckt eine Menge Forschungsarbeit drin. Ich habe mich Neoss aufgrund seiner hochwertigen Implantate angeschlossen, inkl. der einfachen Anwendbarkeit und vorhersagbaren wissenschaftlich sehr gut belegten Ergebnisse. Und natürlich wegen der neuartigen Produkte wie ScanPeg oder NeoGen. Nur wenige Unternehmen haben so ein Angebot.
Herr Dr. Gottlander, vielen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview ist im IJ Implantologie Journal 9/2022 erschienen.
Autorin: Franziska Beier