Branchenmeldungen 13.01.2025
Zielscheibe Zahnarzt – Umfrage liefert alarmierende Ergebnisse
Der Ton in den Praxen wird rauer. Aggressive oder sogar gewalttätige Patienten sind keine Einzelfälle mehr. Darauf wies die Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits im August hin. Die KZVB wollte wissen, wie es in den bayerischen Zahnarztpraxen aussieht und führte dazu eine Online-Umfrage durch. Die Ergebnisse sind alarmierend.
Knapp 300 Zahnärzte und Praxismitarbeiter nahmen an der Befragung teil. 73 Prozent von ihnen wurden bereits beleidigt, bedroht oder sogar körperlich von einem Patienten angegriffen. Unter die Haut gehen die Schilderungen, die die Befragten in das Freitextfeld eintragen konnten und die wir in Auszügen veröffentlichen.
Diagnose
„Gefühlt kommen seit Corona immer mehr Patienten schon ‚geladen‘ in die Praxis. Ausfällige und beleidigende Bemerkungen und ein ‚laut werden‘ gegenüber dem Praxispersonal werden immer mehr. Vor allem auch bei Themen, für die die Praxis nichts kann, wie beispielsweise die Maskenpflicht, Nicht- oder nur Teilzahlung von privaten Versicherungen oder Beihilfe, Bonushöhe.“
„Physische Gewalt kam in unserer Praxis zum Glück noch nicht vor, aber Drohungen, Beleidigungen, unfreundliches und respektloses Verhalten sind leider inzwischen alltäglich. Außerdem findet man immer mehr mangelnde Wertschätzung für unseren teilweise sehr anstrengenden Beruf, obwohl wir tagtäglich unser Bestes geben.“
„Es gab zwar noch keine körperlichen Angriffe, sehr wohl aber Pöbeleien und Androhungen, Unterstellung von Betrug. Ebenso nehmen Betrugsversuche zu, die den Anschein machen, vorab geplant worden zu sein.“
„Mehrfach wurden ich oder mein Personal von Patienten beschimpft oder beleidigt. Ein Patient hatte mich auch bedroht und gesagt, ich solle die Rechnung ändern, sonst werde er andere Schritte einleiten. Dies wurde mit einem ‚aufmandeln‘ unterstrichen.“
„Die Forderungen einiger Patienten werden trotz extremer Freundlichkeit des Personals immer schwieriger zu händeln. Viele sehen nur sich selbst, haben kein Verständnis für die Gesamtsituation und werden bei Erklärungsversuchen laut oder unhöflich – auch dem Arzt gegenüber.“
„Latente Aggressivität (v. a. gegenüber weiblichen Mitarbeitern), Beleidigungen und bei Verweis der Praxis negative Google-Rezension.“
„Unverständnis der Patienten bezüglich Wartezeiten und immer häufigeren Zuzahlungen/weniger Übernahme der Krankenkassen.“
„Seit circa zwei Jahren kommt es vermehrt zu aggressivem Verhalten. Dies geht sowohl von Frauen als auch von Männern aus und es entwickelt sich eine übergriffige Anspruchshaltung seitens des Patienten oder der Begleitpersonen gegenüber unseren Mitarbeiterinnen und uns.“
„Patienten werden fordernder. Beschimpfungen, Drohungen sowohl am Telefon als auch vor Ort in der Praxis stehen leider mittlerweile auf der Tagesordnung.“
„Die Kommunikation einiger Krankenkassen mit den Patienten verschärft das Bild, dass Zahnärzte Patienten mit erfundenen Leistungen das Geld aus der Tasche ziehen.“
„Manche Patienten benehmen sich unglaublich schlecht. Zudem drohen manche mit schlechten Bewertungen, schlechtem Leumund oder schreiben E-Mails, die in sehr drohendem Ton verfasst sind.“
„Der raue Ton der Patienten, die Respektlosigkeit gegenüber unserem Personal und gegenüber dem Behandler selbst wächst stetig und nimmt konkret seit circa einem Jahr zu. Zuvor waren es Einzelfälle.“
„Viele Patienten verstehen die derzeitige Gesundheitspolitik nicht. Sie zahlen monatlich horrende Beiträge […] und bekommen trotzdem nur einen Teil der Behandlungskosten erstattet und müssen immer höhere Eigenanteile in Kauf nehmen. Viele Patienten können sich einfach keinen Zahnersatz mehr leisten. Wir in den Praxen müssen diese Misere der Gesundheitspolitik ausbaden, wir sind die Buhmänner, die Patienten lassen ihren Frust an uns aus.“
„Verbale Attacken in der Praxis nehmen zu. Die Verweigerung medizinisch notwendiger Behandlungen ist häufiger geworden, weil sich Patienten im Internet vorher informieren und dann als Experten und Besserwisser auftreten und diese Meinung vehement vertreten, die jeglicher medizinischer Grundlage entbehrt.“
„Wir verzeichnen mehr Beschwerdeanrufe von Privatpatienten, mit der Weigerung, die von uns erbrachten Leistungen bezahlen zu wollen, weil die Privatkasse manche Leistungen nicht übernimmt.“
„Patienten, die ohne Termin erscheinen oder mehrere Behandlungen von mehreren Zähnen mit längerer Dauer auf einen kurzen Termin behandelt bekommen wollen, zeigen meistens kein Verständnis für eine Bestellpraxis. Sie werden laut in der Sprache und aggressiv. Genauso wie Flüchtlinge mit einem Zahnbehandlungsausweis, wenn man denen sagt, dass ihnen nur eine Schmerzbehandlung zusteht.“
„Es kommt immer häufiger zu Verständigungsproblemen, da Patienten weder Deutsch noch Englisch sprechen. Hierbei wäre eine Broschüre hilfreich, um dem Patienten in verschiedenen Sprachen erklären zu können, dass er zumindest mit einem Dolmetscher erscheinen muss.“
Therapievorschläge
„Wir bitten um Ausbildungskurse für das Praxisteam, um mit gewalttätigen Patienten besser umgehen zu können.“
„Patienten, die mit den Entscheidungen ihrer Krankenkasse nicht zufrieden sind, lassen ihren Frust oft am Praxispersonal oder dem Zahnarzt aus. Eine stärkere Unterstützung durch die Krankenkassen, klare Kommunikation und eine schnellere Klärung bei Unklarheiten könnte zur Deeskalation beitragen. Wenn vonseiten der Krankenkassen eine Reaktion oder irgendeine Form von ‚Strafe‘ käme, dann wäre uns bestimmt auch geholfen.“
„Schulungen könnten nicht nur helfen, Eskalationen im Vorfeld zu erkennen und zu deeskalieren, sondern auch das Selbstbewusstsein der Teams zu stärken. Mitarbeiter müssen lernen, wie sie in stressigen Situationen ruhig bleiben und potenzielle Gefahren vermeiden können.“
„Zahnärzte und ihre Teams brauchen mehr Unterstützung, um mit aggressivem Patientenverhalten umzugehen. Dies betrifft sowohl rechtliche als auch organisatorische Aspekte. Es sollten klare Richtlinien geschaffen werden, wie in solchen Fällen vorzugehen ist und welche rechtlichen Schritte eingeleitet werden können.“
„Neben den Krankenkassen und Berufsverbänden sollte vor allem auch die Politik stärker in den Schutz der Praxen eingebunden werden. Nur durch eine enge Zusammenarbeit kann eine Lösung für dieses Problem gefunden werden.“
Die KZVB
Die KZVB nimmt die Ergebnisse der Umfrage sehr ernst. Dr. Rüdiger Schott, Vorsitzender des Vorstands: „Wir werden dieses Thema an die Politik und an die Krankenkassen herantragen. Ich teile die Forderung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach einer Verschärfung des Strafrechts. Ärzte, Zahnärzte und die Praxisteams müssen den gleichen Schutz genießen wie Polizisten, Sanitäter oder Feuerwehrleute. Wer Menschen in Not hilft, darf nicht zum Opfer von Beleidigungen oder Angriffen werden. Die Krankenkassen sollten uns darin unterstützen, ihren Versicherten zu sagen, was nicht durch das Sachleistungsprinzip abgedeckt ist. Die GKV ist keine Vollkaskoversicherung. Das überzogene Anspruchsdenken mancher Patienten ist eine der Ursachen dafür, dass der Ton in unseren Praxen rauer wird.“
Autoren: Leo Hofmeier, Ingrid Scholz
Dieser Beitrag ist im BZB erschienen.