Wissenschaft und Forschung 11.02.2013
Lasertechnik ermöglicht 3D-Zellforschung
Das
Verhalten von Zellen hängt stark von der Umgebung ab, in der sie sich
befinden. Um Zellen zu untersuchen und zu beeinflussen ist es daher
höchst wertvoll, sie in eine maßgeschneiderte Umgebung einbauen zu
können. Aleksandr Ovsianikov entwickelt ein Laser-gesteuertes Verfahren,
mit dem man Zellen gezielt in feine Strukturen einweben kann – ähnlich
wie in natürlichem biologischen Gewebe, wo sie von der sogenannten
„extrazellulären Matrix“ umgeben sind. Wichtig ist das für die Züchtung
von neuem Gewebe, für die Suche nach neuen Medikamenten oder für die
Stammzellenforschung. Für dieses Projekt erhielt Ovsianikov nun einen
ERC-Grant des European Research Council (ERC), der mit knapp 1,5
Millionen Euro dotiert ist.
High-Tech-Strukturen für die biomedizinische Forschung
„Zellen auf einer ebenen Fläche anzusiedeln, ist nicht schwer. Doch
solche Zellkulturen benehmen sich anders als Zellen in einer
dreidimensionalen Struktur“, erklärt Alexandr Ovsianikov. Im Gegensatz
zur klassischen 2D Zell-Kultur in der Petrischale gibt es zur Zeit keine
Standards für 3D-Systeme. Eine solche 3D-Struktur muss durchlässig
sein, damit die Zellen mit allen notwendigen Stoffen versorgt werden
können. Die Geometrie und die chemischen oder mechanischen Eigenschaften
der Struktur sollen präzise angepasst werden können, um die Reaktion
der Zellen auf die äußeren Bedingungen studieren zu können. Außerdem
soll die 3D-Struktur rasch in großer Anzahl herstellbar sein, denn um
verlässliche Ergebnisse zu erzielen muss man Experimente an Zellen oft
an vielen Zellkulturen gleichzeitig durchführen.
Genau diese Anforderungen kann die Forschungsgruppe „Additive
Manufacturing Technologies“ der TU Wien bestens erfüllen: Das
interdisziplinäre Team entwickelt seit Jahren spezielle
Fertigungstechniken, mit denen sich dreidimensionale Strukturen mit
einer Präzision im Mikrometer-Bereich herstellen lassen.
Laser verhärtet Flüssigkeit
Zu Beginn schwimmen die Zellen in einer Flüssigkeit, die hauptsächlich
aus Wasser besteht. Beigemischt sind zellverträgliche Moleküle, die auf
eine ganz bestimmte Weise mit Licht reagieren: Ein fokussierter
Laserstrahl lässt genau an den gewünschten Stellen chemische
Doppelbindungen brechen. Eine chemische Kettenreaktion führt dann dazu,
dass sich die Moleküle zu einem Polymer verbinden.
Um diese Reaktion auszulösen, müssen zwei Photonen des Laserlichts
gleichzeitig absorbiert werden. Nur dort, wo das Laserlicht fokussiert
ist, gibt es ausreichend viele Photonen für diesen Prozess. Material
außerhalb dieses Bereichs wird dadurch nicht beeinflusst. „Dadurch
können wir mit extrem hoher Präzision bestimmen, an welchen Stellen sich
die Moleküle verkleben sollen und ein festes Netzwerk bilden“, erklärt
Ovsianikov.
Indem man den Fokus des Laserstrahls gezielt durch die Flüssigkeit
lenkt, entsteht eine feste Struktur, in der die lebenden Zellen von
Anfang an eingebaut sind. Die übrigen Moleküle, die nicht zu Polymeren
verklebt wurden, können danach einfach weggewaschen werden. So kann man
eine Struktur aus Hydrogelen bauen, ähnlich der extrazellulären Matrix,
die unsere eigenen Zellen im lebenden Gewebe umgibt. Ideen aus der Natur
werden im Labor imitiert und technologisch nutzbar gemacht: Diese
Taktik – die Biomimetik - ist gerade in der Materialwissenschaft heute
sehr gefragt. „Diese Technologie könnte in bestimmten Fällen auch
Tierversuche unnötig machen, und dabei viel schnellere und
aussagekräftigere Ergebnisse liefern“, hofft Ovsianikov.
Hoffnungsgebiet Stammzellenforschung
Ein besonders spannendes Anwendungsgebiet ist die Stammzellenforschung:
„Wir wissen heute, dass sich Stammzellen je nach Umgebung zu
unterschiedlichen Gewebetypen weiterentwickeln können“, sagt Aleksandr
Ovsianikov. „So entwickeln sie sich etwa auf festerem Untergrund zu
Knochenzellen, auf weicherem Untergrund zu Nervenzellen.“ In der
Laser-generierten 3D-Struktur kann man die Steifigkeit des Untergrundes
von Anfang an genau bestimmen und so möglicherweise ganz gezielt
unterschiedliche Gewebetypen hervorbringen.
Litauen, Deutschland, Österreich
Entscheidend ist bei diesem Forschungsprojekt die Interdisziplinarität
des Teams, zwischen Maschinenbau, Materialforschung, Biologie und
Chemie. Die Möglichkeit, mit Expertenteams aus so unterschiedlichen
Forschungsrichtungen unter einem Dach arbeiten zu können, war für
Aleksandr Ovsianikov auch ein wichtiger Grund, nach Wien zu kommen. Seit
zwei Jahren forscht der gebürtige Litauer nun an der TU Wien, vorher
war er an der Universität Hannover beschäftigt, wo er auch seine
Dissertation verfasste.
Hochdotierte Auszeichnung des Europäischen Forschungsrates
Das Forschungsprojekt von Alsksandr Ovsianikov wurde vom Europäischen
Forschungsrat (European Research Council, ERC) nun mit einem „ERC
Starting Grant“ ausgezeichnet. Dieser hochdotierte Förderpreis wird an
aufstrebende junge Forscherinnen und Forscher vergeben, die damit auf
ihrem Weg zu akademischen Führungspositionen unterstützt werden sollen.
Durch den ERC-Grant soll Ovsianikov nun in den nächsten fünf Jahren die
Möglichkeit bekommen, rund um sich ein Forschungsteam aufzubauen und auf
eine wissenschaftliche Abenteuerreise zwischen Materialwissenschaft und
Zellbiologie zu gehen.
Quelle: Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie , Technische Universität Wien