Branchenmeldungen 15.07.2011
CANUPIS-Studie zu Kinderkrebs
Kein erhöhtes Risiko für Krebs und Leukämie bei Kindern nachweisbar
Haben Kinder, die in der Nähe eines Schweizer Kernkraftwerks leben oder aufgewachsen sind, ein höheres Risiko für eine Krebserkrankung und insbesondere für Leukämien? Im Auftrag der Krebsliga Schweiz und des Bundesamts für Gesundheit hat das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern zusammen mit dem Schweizer Kinderkrebsregister und der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologiegruppe diese Frage untersucht.
Das Wichtigste vorweg: Die so genannte CANUPIS-Studie, die heute im angesehenen International Journal of Epidemiology publiziert wurde, konnte keinen Nachweis erbringen, dass Krebserkrankungen bei Kindern in der nahen Umgebung von Kernkraftwerken (KKW) signifikant häufiger sind, als bei weiter entfernt wohnenden Kindern.
Krebsliga Schweiz reagiert auf öffentliche Besorgnis
Eine im Dezember 2007 veröffentlichte Studie aus Deutschland zeigte bei Kindern, die im Umkreis von fünf Kilometern von KKWs wohnen, ein erhöhtes Krebsrisiko – insbesondere für Leukämien bei Kleinkindern. Die Resultate der sogenannten KiKK-Studie («Epidemiologische Studie zu Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken») sorgten in der Folge auch in der Schweiz für öffentliche Besorgnis und führten zu zahlreichen Anfragen bei der Krebsliga Schweiz (KLS), was diese angesichts dieser Resultate zu tun gedenke.
Die KLS hat rasch reagiert: Als erstes klärte sie ab, ob eine Studie, die diese Fragestellung in der Schweiz erstmals untersucht, überhaupt möglich ist. Zwei Faktoren sprachen klar dafür: Erstens registriert das Schweizer Kinderkrebsregister (SKKR), das am renommierten Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern angesiedelt ist, seit 1976 alle Kinderkrebserkrankungen in der Schweiz. Zweitens haben erste Berechnungen gezeigt, dass die Fallzahl der an Krebs erkrankten Kinder in der Schweiz genügend gross ist, um ein statistisch signifikantes Resultat erzielen zu können, wenn der Effekt von Schweizer KKWs ähnlich stark ist wie jener in Deutschland (sprich: eine Verdopplung des Leukämierisikos bei Kindern im Alter von 0 bis 4 Jahren). Grund hierfür ist insbesondere die hohe Bevölkerungsdichte im Umkreis der Schweizer KKWs. Allerdings ist die Häufigkeit (Inzidenz) von jährlich ca. 200 Krebserkrankungen bei Kindern in der Schweiz im Vergleich zu den rund 36 000 jährlichen Krebsfällen bei Erwachsenen zum Glück vergleichsweise niedrig.
CANUPIS-Studie: erstmalige umfassende Untersuchung in der Schweiz
Die KLS hat daraufhin zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) die umfassende CANUPIS-Studie («Childhood Cancer and Nuclear Power Plants in Switzerland», www.canupis.ch) in Auftrag gegeben. Die wissenschaftliche Qualität und die Unabhängigkeit der Studie wurden von einer Begleitgruppe, bestehend aus sechs ausgewiesenen internationalen Expertinnen und Experten, garantiert. Diese evaluierten das Studiendesign eingehend und brachten diverse Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge ein, die von den Studienverantwortlichen mitberücksichtigt wurden.
Im Vergleich zur deutschen Untersuchung sowie anderen Studien zu Kernkraftwerken und Krebserkrankungen zeichnete sich das Design der CANUPIS-Studie durch drei entscheidende Verbesserungen aus:
• Dank geokodierten Daten konnte der Wohnort bzw. die Distanz zum Standort des KKW der untersuchten Kinder punktgenau bestimmt werden.
• Ermitteln und somit mitberücksichtigen liess sich der Wohnort nicht nur zum Zeitpunkt der Diagnose (was den Vergleich der CANUPIS- mit der KiKK-Studie erlaubt), sondern zurück bis zum Zeitpunkt der Geburt.
• Weiter wurden in der Analyse der Daten eine Reihe von potenziellen Einfluss- bzw. Risikofaktoren (engl. «confounders») mitberücksichtigt: ionisierende und elektromagnetische Strahlung (z.B. von Hochspannungsleitungen), verkehrsbedingte Karzinogene, landwirtschaftliche Pestizide, sozioökonomischer Status u.a. Denn möglicherweise beeinflussen andere Faktoren als die KKW-Emissionen das Krebsrisiko.
Keine Hinweise für ein erhöhtes Kinderkrebsrisiko in der Nähe von KKWs
Insgesamt zeigt die CANUPIS-Studie, dass die Häufigkeit von Krebserkrankungen und Leukämien bei Kindern in der Nähe von KKWs nicht statistisch signifikant erhöht ist. Auch wenn diese Ergebnisse auf den ersten Blick beruhigen, ist damit keineswegs der Nachweis erbracht, dass von KKWs keine schädliche Wirkung ausgeht. Unbestritten ist radioaktive Strahlung kanzerogen. Zudem beziehen sich die Resultate der CANUPIS-Studie auf den Normalbetrieb der Schweizer KKWs und nicht auf eine nukleare Katastrophe, wie sie sich im japanischen Fukushima im Frühling dieses Jahres ereignet hat.
Die KLS ist überzeugt, im Nachgang zur KiKK-Studie mit dieser hervorragenden Arbeit des SKKR und des ISPM ihre Verantwortung gegenüber der Schweizer Bevölkerung wahrgenommen zu haben. Die Non-Profit-Organisation wird weiterhin aufmerksam verfolgen, wie sich der wissenschaftliche Kenntnisstand zu den Risiken von ionisierenden Strahlen sowie weiteren Umweltfaktoren wie elektromagnetische Strahlung, Radon, Asbest, Feinstaub oder UV-Strahlung entwickelt.
Die Krebsliga Schweiz (Gründungsjahr 1910) engagiert sich als gemeinnützige Organisation in der Krebsprävention, in der Forschungsförderung und für die Unterstützung von Menschen mit Krebs und ihren Angehörigen. Sie vereinigt als nationale Dachorganisation mit Sitz in Bern
20 kantonale und regionale Ligen. Sie wird vorwiegend durch Spenden finanziert und ist ZEWO-zertifiziert.