Branchenmeldungen 12.06.2013
Emotionen steuern Geschmacksempfinden
Abends vor dem Fernseher: Der Film ist richtig traurig, man leidet
intensiv mit – und plötzlich sind zwei Chipstüten leergegessen. Eine
Erklärung für dieses Essverhalten liefern jetzt Würzburger Psychologen
im Journal PLoS ONE. Wie stark beeinflussen Emotionen die Geschmackswahrnehmung? Dieser
Frage ist ein Forschungsteam um die Psychologin Petra Platte von der
Universität Würzburg nachgegangen.
Die Wissenschaftler zeigten ihren Versuchsteilnehmern Filmausschnitte
mit lustigen, traurigen und neutralen Szenen. Davor und danach mussten
die Probanden Flüssigkeiten trinken und deren Geschmack – süß, sauer
oder bitter – nach seiner Intensität bewerten. Auch den Fettgehalt von
Milch sollten sie anhand des Geschmacks einschätzen.
Dabei zeigte sich: Menschen, die grundsätzlich eher negativ gestimmt
sind, konnten nicht mehr zwischen fettig und fettarm unterscheiden, wenn
sie davor lustige oder traurige Filmszenen gesehen hatten. Nach
neutralen Szenen erkannten sie den unterschiedlichen Fettgehalt sehr
wohl, ebenso vor dem Anschauen der Videoclips. Zudem beurteilten diese
Versuchsteilnehmer bittere und süße Geschmacksproben als intensiver.
Starker Einfluss von Emotionen
„Mit unseren Experimenten haben wir gezeigt, wie stark Emotionen unser
Geschmacksempfinden und damit auch unser Essverhalten beeinflussen
können“, sagt Petra Platte. Nach ihrer Einschätzung können die
Versuchsergebnisse auch erklären, warum manche Menschen zum Beispiel vor
dem Fernseher mehr Chips und andere fettige Snacks vertilgen als ihnen
gut tut.
„Möglicherweise richten Personen, die sich in einer negativen Stimmung
befinden, beim Ansehen emotionsgeladener Szenen ihre Aufmerksamkeit viel
stärker auf den Film als gut oder neutral gelaunte Menschen“, sagt die
Würzburger Wissenschaftlerin. Für „Nebensächlichkeiten“ – wie die
Bewertung des Fettgehaltes von Nahrung – sei dann keine mentale
Kapazität mehr vorhanden: „Die kognitive Kontrolle über das Essverhalten
versagt, und man isst wie automatisch.“
Für Menschen mit Frustrationen oder leichten Depressionen und
Gewichtsproblemen könnte das heißen, dass sie beim Ansehen von Filmen
besser eine Portion Chips in ein Schälchen füllen, statt die ganze Tüte
auf den Tisch zu legen. Ob für diesen Personenkreis psychologische
Hilfestellungen sinnvoll sind, wollen die Würzburger Wissenschaftler als
nächstes untersuchen.
Platte P, Herbert C, Pauli P, Breslin PAS (2013): Oral Perceptions of
Fat and Taste Stimuli Are Modulated by Affect and Mood Induction. PLoS
ONE 8(6): e65006. doi:10.1371/journal.pone.0065006
Zum Online-Artikel in PLoS ONE
Autor: Robert Emmerich / Julius-Maximilians-Universität Würzburg