Branchenmeldungen 14.02.2012
Krankmeldungen erreichen 2011 höchsten Stand
DAK-Gesundheitsreport 2012: Herzinfarkt: Risikofaktoren lauern auch im Job
Die DAK-Gesundheit analysiert in ihrem Gesundheitsreport 2012 nicht nur neue Trends beim Krankenstand. Sie geht auch der Frage nach, welche Risikofaktoren für einen Herzinfarkt im Arbeitsleben lauern. Der Krankenstand stieg 2011 auf
3,6 Prozent. Ein Jahr zuvor lag er noch bei 3,4 Prozent. Er liegt damit
so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Herbert Rebscher, Chef der
DAK-Gesundheit, warnt jedoch davor, diese Steigerung falsch zu
interpretieren.
„Bei der Entwicklung des Krankenstandes zeigen sich über alle Branchen
hinweg bereits die ersten Anzeichen des demografischen Wandels“,
kommentiert er den Trend. „Die Belegschaften sind schon heute
durchschnittlich älter als vor zehn Jahren. Ältere Mitarbeiter sind
seltener krank als Jüngere, dafür aber deutlich länger“. Rebscher
prognostiziert, dass aufgrund der Demografie der Krankenstand auch in
den nächsten Jahren beschleunigt steigen wird, wenn Unternehmen nicht
durch Prävention gegensteuern. Erst kürzlich hatte die Bundesagentur für
Arbeit gemeldet, dass der Anteil der 60- bis 65-Jährigen an allen
Erwerbstätigen sich in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht hat.
Immer mehr Arbeitsausfall aufgrund psychischer Krankheiten
Ungebrochen ist auch der Trend bei den psychischen Erkrankungen: Im
vergangenen Jahr stieg ihr Anteil von 12,1 auf 13,4 Prozent am
Gesamtkrankenstand. Damit hat sich in den zurückliegenden 15 Jahren der
Anteil dieser Krankheitsgruppe am Krankenstand mehr als verdoppelt.
Depressionen & Co machen heute knapp ein Siebtel des gesamten
Krankenstandes aus. „Die durchschnittliche Dauer einer Krankschreibung
bei psychischen Leiden liegt bei rund 30 Tagen. Das Betriebsklima, die
Führungskultur und familiengerechte Arbeitsplätze sind
betriebswirtschaftlich gesehen weiche Faktoren, können aber helfen,
psychische Erkrankungen zu vermeiden. Ein Monat Arbeitsausfall ist ein
betriebswirtschaftliches Risiko, so dass es sich lohnt, auch hier zu
investieren“, so Rebscher. Ein DAK-Versicherter war 2011
durchschnittlich 13,2 Kalendertage krankgeschrieben. Die gute Nachricht:
Mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Versicherten (52,2 Prozent)
meldete sich 2011 gar nicht krank.
Für den Gesundheitsreport hat die DAK-Gesundheit die Krankschreibungen
von 2,4 Millionen erwerbstätigen Versicherten mit Hilfe des IGES
Instituts aus Berlin ausgewertet.
Schwerpunktanalyse Herzinfarkt
In den Mittelpunkt des Reports stellte die DAK-Gesundheit das Thema
Herzinfarkt und Arbeitswelt. In den Industrieländern sinkt seit 30
Jahren die Anzahl von Personen, die an einem Herzinfarkt sterben. Dieser
Rückgang ist unter anderem auf einen Rückgang des Nikotinkonsums bei
Männern und weniger Bluthochdruck bei Frauen zurückzuführen. Hinzu
kommen bessere Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Zwar sterben
weniger Menschen am Herzinfarkt, jedoch sinkt die Zahl der
Krankenhausbehandlungen bei Herzinfarkt seit Jahren nicht mehr. Zudem
steigt das Herzinfarktrisiko ab einem Alter von 55 Jahren stark an.
Angesichts alternder Belegschaften ist diese Entwicklung auch für die
Arbeitswelt relevant. Das war Anlass für die DAK-Gesundheit, die
Herzinfarkt-Gefährdung speziell der Erwerbstätigen genauer zu
analysieren. Gibt es neue, bisher zu wenig berücksichtigte
Risikofaktoren bei Berufstätigen, die in arbeitsbedingtem Stress oder im
sozialen Umfeld liegen können? So ist beispielsweise bekannt, dass
schwere Depressionen das Herzinfarktrisiko um 60 bis 100 Prozent
erhöhen. Bislang wurde das Augenmerk vornehmlich auf die klassischen
Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und
Fettleibigkeit gelegt. Der DAK-Gesundheitsreport 2012 geht demgegenüber
besonders dem Zusammenhang von Herzinfarkt, Job-Situation und
psychischen Belastungsfaktoren nach. „Bis vor wenigen Jahren wurden
ältere Arbeitnehmer noch in Frührente geschickt. Mittlerweile wächst bei
vielen Unternehmen das Interesse, erfahrene Mitarbeiter möglichst lange
im Betrieb zu halten. Betriebliches Gesundheitsmanagement fängt bei
jungen Beschäftigen an, hört aber nicht bereits bei 55-Jährigen auf“, so
Herbert Rebscher.
Missverhältnis von Anstrengung und Belohnung im Beruf ist ein Herzrisiko
Um die Verbindungen von Herzinfarkt und Arbeitswelt genauer zu
analysieren, hat die DAK-Gesundheit eine repräsentative Befragung von
über 3000 Berufstätigen durchgeführt. Der Gesundheitsreport zeigt ein
überraschendes Ergebnis: Die in den Medien geführte Debatte um Burn-out
und psychische Belastungen am Arbeitsplatz ließe erwarten, dass ein
großer Anteil der Arbeitnehmer gesundheitlich stark gefährdet ist. Doch
nur knapp jeder zehnte Befragte (9,3 Prozent) leidet unter einer
sogenannten beruflichen Gratifikationskrise. Damit wird eine besondere
Form von arbeitsbedingtem Stress beschrieben, die durch eine mangelnde
Anerkennung im Beruf ausgelöst wird. Eine Gratifikationskrise entsteht,
wenn für Beschäftigte die Belohnung nicht mehr im Verhältnis zu ihrer
Anstrengung steht. Sowohl das Gehalt wie auch die Anerkennung können
hier eine Rolle spielen. Für diesen Personenkreis besteht ein mehr als
doppelt so hohes Herzinfarktrisiko. Auffällig ist, dass
Gratifikationskrisen je nach beruflichem Status unterschiedlich häufig
sind. „Je größer Selbstbestimmung und Gestaltungsmöglichkeiten am
Arbeitsplatz sind, um so weniger tritt dieses Problem auf“, erklärt
Herbert Rebscher. So leiden Facharbeiter mit 11,2 Prozent
überproportional daran, ebenso Arbeiter mit 10,8 Prozent. „Hier besteht
der eigentliche Handlungsbedarf in den Betrieben“, so der Chef der
DAK-Gesundheit. Unterdurchschnittlich von einer Gratifikationskrise
betroffen sind Selbstständige und Freiberufler mit 3,9 Prozent sowie
Beamte im höheren Dienst mit 6,7 Prozent. Überraschend: Betriebliche
Zielvereinbarungen, bei denen Verantwortung für messbare
Arbeitsergebnisse auf Beschäftigte übertragen wird, führen nicht zu mehr
Gratifikationskrisen.
Zeitdruck und Arbeitsaufkommen belasten jeden Fünften
In der Befragung von 3000 Beschäftigten ging es unter anderem um
Belastungen im Arbeitsalltag und um Aspekte von „Belohnung“
(Gratifikation). Jeder fünfte Befragte fühlt sich stark oder sehr stark
durch Zeitdruck aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens belastet. Fast
ebenso häufig werden als Stressoren Unterbrechungen und Störungen des
Arbeitsablaufs angegeben. Mit jeweils knapp zehn Prozent werden auch
Verantwortung bei der Arbeit sowie die häufige Notwendigkeit für
Überstunden als (sehr) stark belastend empfunden. Möglicherweise stehen
diese wachsenden psychosozialen Beanspruchungen mit den zunehmenden
Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden in Zusammenhang.
„Angesichts älter werdender Belegschaften liegt hier ein besonderes
Risikopotenzial für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so Rebscher. Geht es
um Belohnung, geben die Befragten Folgendes an: Mehr als jeder Fünfte
(22,2 Prozent) empfindet eine starke oder sehr starke Belastung, weil er
ein Missverhältnis zwischen Bezahlung und erbrachter Leistung sieht.
Etwa 17 Prozent fühlen sich sehr belastet, weil Vorgesetzte ihnen zu
wenig Anerkennung zukommen lassen. Fast ebenso häufig (15 Prozent)
lassen sich Belastungen darauf zurückführen, dass Beschäftigte eine
Verschlechterung ihrer Arbeitssituation befürchten oder tatsächlich
erfahren.
Stress – was schützt und was schadet
Soziale Beziehungen im Job können helfen, Stress zu reduzieren.
Erfreulich: Im Gesundheitsreport geben rund zwei Drittel der Befragten
an, dass das Verhältnis zwischen den Kollegen vertrauensvoll ist. Von
Unterstützung des Arbeitgebers, die Beschäftigten vor Stress zu
schützen, berichten immerhin 16 Prozent. Demgegenüber werden als
negative Stressoren Arbeitsaufgaben genannt, die der Befragte anders
erledigen würde, als es seinen Vorgaben entspricht. So geben gut 16
Prozent an, dass sie bei der Arbeit häufig Dinge tun müssen, die sie
anders erledigen würden. Weitere Belastungen: Rund jeder Zehnte bekommt
oft widersprüchliche Anweisungen von zwei oder mehr Personen. Vor allem
für Dienstleistungsberufe gilt: Sich widersprechende Anforderungen –
etwa von Kunden und Vorgesetzten – sind ein starker Stressor. Auch
Umstrukturierungen gelten als Belastungsfaktor für psychosozialen Stress
und Gratifikationskrisen. Knapp die Hälfte der Befragten war in den
vergangenen zwei Jahren von einem größeren strukturellen Umbau des
Unternehmens betroffen.
Arbeit zu Hause: Stress oder Entlastung?
Laut Gesundheitsreport arbeitet ein Drittel der Befragten mindestens
einmal pro Woche zu Hause. Das Homeoffice stellt sich dabei nicht
grundsätzlich als Risikofaktor für einen Herzinfarkt heraus.
Ausschlaggebend für das Belastungsrisiko sind vielmehr die Gründe für
das Arbeiten zuhause. Ein Risikofaktor für einen Herzinfarkt entsteht
dann, wenn im Büro die Arbeitsmenge nicht mehr bewältigt werden kann.
Beschäftigte, die deshalb einen Teil ihrer Arbeit mit nach Hause nehmen,
leiden doppelt so häufig unter dem Missverhältnis von Anstrengung und
Belohnung. Sie sind deshalb auch stärker infarktgefährdet. Demgegenüber
kann Heimarbeit sogar Arbeitsstress reduzieren, wenn sie im eigenen
Interesse stattfindet. Wird beispielsweise zu Hause gearbeitet, um
familiäre und private Belange besser mit dem Beruf zu vereinbaren,
vermindert dies die Belastung. Ebenso ist das Motiv, sich lange
Wegezeiten zu ersparen, mit einem verringerten Risiko für eine
Herzinfarkt-Erkrankung verbunden.
Bei Gratifikationskrise steigt das Herzinfarktrisiko
Beschäftigte mit einer Gratifikationskrise schätzen ihren
Gesundheitszustand sehr viel schlechter ein als andere. Fast die Hälfte
der Betroffenen sieht dies im Vergleich zu ihren Altersgenossen so. Bei
den nicht gestressten Arbeitnehmern sind es nur 17 Prozent. Beschäftigte
mit Gratifikationskrise schätzen ihren Gesundheitszustand nicht nur
schlechter ein. Sie haben tatsächlich auch häufiger gesundheitliche
Probleme. Stimmungsschwankungen verbunden mit Angst oder Hilflosigkeit
treten bei ihnen dreimal so häufig auf wie bei Beschäftigten, die nicht
von Stress betroffen sind (73,8 gegenüber 23,9 Prozent). Kopfschmerzen
und Schlaflosigkeit kommen bei Gestressten fast doppelt so häufig vor.
„Obwohl diese Arbeitnehmer um ihr erhöhtes Gefährdungspotential wissen,
belegt der Report, dass sie sich nicht stärker um ihre Gesundheit
kümmern als andere Beschäftigte. Hier sollten Unternehmen mit ihrem
betrieblichen Gesundheitsmanagement ansetzen, um hohe rankenstände zu
vermeiden. Die DAK-Gesundheit unterstützt sie dabei gerne“, so Herbert
Rebscher.
Weitere Ergebnisse zum Gesamtkrankenstand aller DAK-Versicherten
Muskel-Skelett-Erkrankungen stehen im Krankheitsspektrum aller bei der
DAK-Gesundheit versicherten Arbeitnehmer mit 21,3 Prozent aller
Krankheitstage ganz vorne. An zweiter Stelle folgen die Erkrankungen des
Atmungssystems mit einem Anteil von 16,1 Prozent. Verletzungen liegen
an dritter Stelle mit 13,9 Prozent. Die psychischen Erkrankungen sind
mit 13,4 Prozent die viertgrößte Krankheitsart. An fünfter Stelle stehen
Erkrankungen des Verdauungssystems mit einem Anteil von 6 Prozent.
Branchenergebnisse
Die Branchen mit den niedrigsten Krankenständen waren 2011 der Bereich
Bildung, Kultur und Medien mit 2,7 Prozent sowie der Bereich Banken und
Versicherungen mit 3,0 Prozent. Unter dem Durchschnitt lag auch die
Rechtsberatung (3,1 Prozent) sowie der Handel mit 3,4 Prozent. Den
höchsten Krankenstand weisen die Öffentliche Verwaltung mit 4,2 Prozent
und das Gesundheitswesen mit 4,1 Prozent auf.
Quelle: DAK