Branchenmeldungen 23.11.2012
Lernen, wer das Sagen hat
Menschen
und andere Primaten sind bemerkenswert gut darin, sich gegenseitig
innerhalb einer sozialen Hierarchie einzuordnen. „Diese Fähigkeit ist
überlebensnotwendig, weil sie hilft, Konflikte zu vermeiden und
vorteilhafte Koalitionspartner zu finden. Allerdings wissen wir
überraschend wenig darüber, wie das Gehirn dies steuert“, sagt der
Neurowissenschaftler Prof. Emrah Düzel.
Das Team um Emrah Düzel (IKND, DZNE, UCL) und Dr. Dharshan Kumaran (UCL)
nutzte moderne Bildgebungsmethoden, um diesen Prozess bei 26 gesunden
Freiwilligen zu untersuchen. Die Teilnehmer wurden gebeten, ein
einfaches Science-Fiction-Computerspiel zu spielen. Wie bei „Star Trek“
gab es in dem Spiel Astronauten, die aufgrund ihrer Fähigkeiten eine
soziale Hierarchie bildeten. Darüber bildeten Galaxien auf Grund Ihrer
Mineralschätze eine nicht-soziale Hierarchie. In der ersten Phase
sollten Probanden darauf achten, welche Astronauten mehr Macht (soziale
Hierarchie) haben. Danach sollten sie herausfinden, welche Galaxien
besser sind (nicht-soziale Hierarchie).
Das Forscherteam erfasste die Hirnaktivität mittels funktioneller
Magnetresonanztomographie (fMRI) und bestimmte auch die Größte
bestimmter Hirnareale. Die Ergebnisse zeigen eine auffällige Abgrenzung
zwischen den Gehirnbereichen, die zum Lernen von sozialen und
nicht-sozialen Hierarchien verwendet werden. Zum Lernen der sozialen
Hierarchie der Astronauten nutzten Probanden die Amygdala und den
Hippocampus. Im Gegensatz dazu war nur der Hippocampus aktiviert, wenn
die nicht-soziale Hierarchie der Galaxien gelernt wurde. Darüber hinaus
hatten die Teilnehmer, die im Lernen von sozialen Hierarchien besser
waren, eine größere Amygdala. Prof. Düzel erklärt: „Es ist erstaunlich, dass Menschen solche komplexen
Hierarchien lernen können. Es gab in dem Experiment sieben Astronauten
und sieben Galaxien und die Struktur ihrer Rangfolge war versteckt. Das
heißt, wir haben immer nur jeweils zwei Astronauten oder zwei Galaxien
vergleichend gezeigt. Aus diesen paarweisen Vergleichen konnten
Probanden die komplette Hierarchie folgern.“
In einer zweiten Phase des Experiments wurden die Probanden gebeten, als
‚Investoren‘ einer fiktiven Bergbaugesellschaft tätig zu werden. Hier
wurden ihnen zufällige Paare eines Astronauten und einer Galaxie gezeigt
und sie mussten entscheiden, wie viel Geld sie in diese Kombination
investieren würden. Die Amygdala und der Hippocampus gemeinsam erlaubten
es Probanden, vorteilhafte Investitionen zu tätigen.
Die Fähigkeit, Menschen und materielle Dinge in ihrer Wichtigkeit und
ihrem Wert ordnen zu können, ist eine wichtige Voraussetzung für das
Leben in großen sozialen Gruppen. Dies ist oftmals schwierig, weil
solche komplexen Rangfolgen nicht direkt ersichtlich sind, sondern aus
einzelnen Vergleichen erlernt werden müssen.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen nun, wie das menschliche Gehirn
diese komplexe Lernleistung erbringt und liefern zudem Erklärungen,
warum einige Personen darin besser sind als andere. Der Hippocampus ist
eine wichtige Gedächtnisstruktur, deren Funktion bei vielen
neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen eingeschränkt ist.
Auch bei der Alzheimer Demenz kommt es hier bereits im Frühstadium zu
Funktionseinbußen. „Diese neuen Funktionsprinzipien können uns helfen,
neue Tests für die Frühdiagnose der Alzheimer Erkrankung zu entwickeln“,
erklärt Prof. Düzel.
Originalpublikation:
“The Emergence and Representation of Knowledge about Social and
Nonsocial Hierarchies” Dharshan Kumaran, Hans Ludwig Melo, Emrah Düzel
Publikation unter
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0896627312008896
Quelle: Universitätsklinikum Magdeburg