Businessnews 31.03.2014

Herausforderungen für Vertrieb und Marketing in der Dentalindustrie

Herausforderungen für Vertrieb und Marketing in der Dentalindustrie

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Wettbewerb und Preisdruck in der Dentalindustrie nehmen zu. Hersteller von Dentalprodukten müssen ihre aktuellen Vertriebs- und Marketingansätze sowie -strukturen überdenken. Die richtige Umsetzung ist gefragt, um auch zukünftig erfolgreich zu bleiben. Das zeigt die aktuelle Dentalmarkt-Analyse der globalen Marketing- und Strategieberatung Simon-Kucher & Partners.

Geprägt von starken Veränderungen auf dem Markt, sind die Geschäftserwartungen der europäischen Dentalindustrie verhalten positiv. Für die Jahre 2014 und 2015 erwarten führende Dentalhersteller einstellige Umsatz- und Gewinnzuwächse. Unter den gegebenen Bedingungen zeichnen sich zwei grundlegende Wachstumssäulen ab: eine steigende Nachfrage auf Kundenseite sowie kontinuierliche Innovationen auf Herstellerseite, die wiederum zu einem Industrie getriebenen Wachstum führen.

Wachsendes Patientenbewusstsein und Prozessinnovationen

Das nachfragegetriebene Wachstum in der Branche resultiert vor allem aus einem steigenden Interesse an kosmetischen Behandlungen und Implantaten aufgrund eines wachsenden Patientenbewusstseins und zunehmend kostengünstigeren Behandlungsangeboten. Verstärkt wird diese Entwicklung durch eine steigende Anzahl an fachlich qualifizierten Zahnärzten, die entsprechende Eingriffe anbieten.

Gleichzeitig steigt die Nachfrage der Zahnärzte nach Serviceleistungen und ganzheitlichen Lösungen. Ursächlich dafür sind das sich verändernde Leistungsspektrum der Zahnarztpraxen und Dentallabore sowie deren zunehmender Bedarf an Prozessoptimierung. Immer mehr Hersteller versuchen daher sich von der Konkurrenz abzugrenzen, indem sie bestehende Produkt- und Serviceportfolios ausbauen und mit ganzheitlichen Lösungsangeboten dem veränderten Kundenverhalten gerecht werden.

Die zweite Säule des Marktwachstums sind kontinuierliche Innovationen auf Herstellerseite. Vor allem Produkt- und Serviceinnovationen in den Kernkompetenzen und verwandten Produktbereichen (Stichwort: Synergien) spielen laut führenden Dentalherstellern eine essentielle Rolle zur Erreichung eines nachhaltigen Unternehmenswachstums. Die fortschreitende Digitalisierung in Bereichen wie der Prothetik, IT Lösungen zur Steigerung der Prozesseffizienz und neue Werkstoffe sind wesentliche Wachstums- und Innovationsfelder (Abb. 1).

Abb. 1: Beispiele bedeutender Wachstumsbereiche

Zunehmender Wettbewerb und beständiger Preisdruck

Trotz soliden Marktwachstums rechnen die Unternehmen für die nächsten drei Jahre mit einem leicht zunehmenden Wettbewerb bei anhaltendem Preisdruck. Insbesondere der Wettbewerbsdruck durch Großhändler, die Eigenmarken entwickeln und vermarkten und teilweise vertikale Integration betreiben, wird von vielen Unternehmen als maßgeblicher Einflussfaktor für die Wettbewerbsdynamik in der Dentalindustrie gesehen.

Im europäischen Markt für Dentalwerkstoffe beispielsweise haben Großhändler mit Eigenmarken ihre Position in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Auch wenn sie noch weiterhin deutlich niedrigere Marktanteile aufweisen, verzeichnen sie deutlich höhere Wachstumsraten als der Rest der Branche.

Weiteren Wettbewerbsdruck erzeugen „Low Cost“-Anbieter, insbesondere aus dem nicht-europäischen Ausland (v.a. Asien). Momentan hält sich deren Einfluss durch die hohe Bedeutung kurzer „Turnaround“-Zeiten bei Auftragsabwicklung und eine teilweise schlechtere Produktqualität noch in Grenzen. Durch erwartete kontinuierliche Qualitätsverbesserung dieser Anbieter wird davon ausgegangen, dass das Preisniveau, insbesondere in den „Standard“-Segmenten, weiter sinken wird.

Der anhaltende Marktpreisdruck wird zudem durch eine erhöhte Preissensitivität der Kunden bestimmt. Dabei wird der Preisdruck in Marktsegmenten, in denen Großhändler mit Eigenmarken agieren, stärker wahrgenommen als in anderen Bereichen.  

Herausforderungen auf Angebots- und Nachfrageseite

Aus den Marktentwicklungen ergeben sich vier wesentliche Herausforderungen für Hersteller von Dentalprodukten (Abb. 2), die Anpassungen im Produkt- und Service-Portfolio sowie im Marketing- und Vertriebsansatz nötig machen.

Abb. 2: Herausforderungen in Marketing und Vertrieb in der Dentalindustrie

Angebotsseitig stellt der zunehmende Wettbewerb durch Großhändler auf Produkt-und Serviceebene eine beträchtliche Herausforderung für Hersteller von Dentalprodukten dar. Auf Produktebene bieten Großhändler Eigenmarken an und verbreitern ihr Angebot kontinuierlich; auf Serviceebene setzen sie verstärkt auf die Entwicklung von ganzheitlichen Prozesslösungen (IT-/ Workflow-Integration), offerieren erweiterte Beratungsdienstleistungen und Schulungsmaßnahmen und stehen damit  in direktem Wettbewerb zu den Herstellern.

Hersteller stehen dabei in einem starken Spannungsfeld zwischen bestmöglicher Abgrenzung von den Großhändlern und gleichzeitiger Abhängigkeit vom Großhandel als primärem Vertriebskanal. Effizientes Großhändler-Management bei gleichzeitig größtmöglicher Differenzierung ist gefragt.

Nachfrageseitig stellen Konsolidierung bzw. Integration auf Seiten der Praxen und Labore (z.B. Praxiszusammenschlüsse, Laborketten, Praxislabore) die Hersteller vor neue Herausforderungen. Diese Entwicklungen werden durch zunehmenden Kostendruck und Wettbewerb auf Endkundenebene, aber auch durch deren fortschreitende digitale und internationale Vernetzung verursacht. Hersteller sehen sich in diesem Zusammenhang mit sich stark verändernden Kundenbedürfnissen, wachsender Verhandlungsmacht und steigender Preissensitivität auf Behandlerebene konfrontiert. Der Wettbewerb um Kunden nimmt dementsprechend stetig zu.

Handlungsbedarf für Hersteller

Um sich auch in Zukunft in dem sich verändernden Marktumfeld erfolgreich behaupten zu können, sehen Hersteller von Dentalprodukten Handlungsbedarf in vier maßgeblichen Bereichen (Abb. 3).

Abb. 3: Reaktionen und Lösungsansätze der Industrie

Vertriebsstrukturen überdenken und Vorwärtsintegration forcieren

Vor allem Hersteller komplexer Produkte und Lösungen (z.B. CAD/CAM, Imaging) planen die Einführung oder Verstärkung direkter Vertriebsstrukturen, um sich den angebots- und nachfrageseitigen Herausforderungen im Dentalmarkt besser stellen zu können. Auch Vorwärtsintegration, z.B. die Übernahme von Labor- und Fertigungsleistungen für Zahnarztpraxen, stellt für Hersteller in innovativen Produktbereichen eine weitere Option dar, um den Herausforderungen zu begegnen. In weniger service- und beratungsintensiven Produktbereichen wird der Großhandel eine hohe Bedeutung behalten. Allerdings können auch in diesen Segmenten neue Ansätze hin zum Direktvertrieb, vor allem über Internet und E-Mail, beobachtet werden.

Kundensegmentierung und Channel Management neu definieren

Zur Anpassung an das sich verändernde Praxis- und Laborumfeld setzen Hersteller vor allem auf Marketing- und Vertriebsstrategien, die auf Kundentyp- und -bedürfnis zugeschnitten sind. Dies beinhaltet beispielsweise die Segmentierung von Kundentypen gemäß Portfolioabdeckung und Potential sowie die Entwicklung innovativer Angebotsmodelle entsprechend der jeweiligen Kundenbedürfnisse (z.B. Partnerschaftsmodelle mit Beratungsleistungen der Hersteller für eine zielgerichtete Kundenentwicklung). Die Implementierung eines strukturierten Key-Account Managements wird in diesem Zusammenhang als weiterer wichtiger Erfolgstreiber gesehen. Hersteller, die vorrangig über den Großhandel verkaufen, stehen vor der Frage nach Optimierungsmöglichkeiten im Großhändler-Management, wie z.B. der Auswahl, Steuerung, Entwicklung, Incentivierung und Preisgestaltung, inkl. der Kontrolle kanal- und grenzübergreifender Aktivitäten.

Portfolios erweitern und Lösungen für Kunden entwickeln   

Hersteller müssen vermehrt ganzheitliche Lösungen anbieten, um sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Dabei werden Angebotsportfolios von Produkten, über IT- Lösungen, produktbezogene Dienstleistungen bis hin zu IT- und Prozessberatungsdienstleistungen ausgebaut.

Zukäufe oder Kooperationen eröffnen in diesem Kontext neue Möglichkeiten. Im Mittelpunkt von Portfoliostrategieüberlegungen stehen dabei:

  • Verbesserung der Effizienz von Arbeitsabläufen
  • Schaffung von Mehrwert für den Kunden
    (z.B. Garantien bzgl. Qualität und Reproduzierbarkeit von Ergebnissen)
  • Abgrenzung von Wettbewerbern, schneller Austauschbarkeit entgegenwirken
  • Ausschöpfung  von Up- und Cross-Selling-Potentialen

Value-Selling und -Kommunikation verbessern

Hersteller initiieren zunehmend Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich Marketing und Vertrieb im Hinblick auf optimiertes Value Selling und effektive Nutzenkommunikation. Damit einher geht ein Umdenken vom klassischen Produkt-Vertrieb hin zu einem auf den Kunden und seine Bedürfnisse zugeschnittenen, lösungsorientierten Vertrieb. Große Bedeutung  gewinnen dabei wirtschaftliche Nutzentreiber, wie z.B. Gesamtkosten (TCO) für integrierte Lösungen versus individuelle Produkteinstandspreise oder die Demonstration von Kosten- und Zeiteinsparungen in Arbeitsabläufen. Bei letzterem setzen Unternehmen vermehrt auf Vertriebsunterstützung durch Fallbeispiele und Simulationstools.     

Erkennen ist gut, handeln ist besser

Hersteller von Dentalprodukten blicken vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Sie werden auch in den kommenden Jahren verstärkt auf Innovation als Wachstumstreiber Nummer 1 setzen. Gleichzeitig ist die Branche nachhaltigen Veränderungen auf Angebots-  und Nachfrageseite ausgesetzt. Während die meisten Unternehmen bereits den daraus resultierenden Veränderungsbedarf erkannt haben, fehlt es vielfach an nennenswerten Veränderungsfortschritten auf der Marketing- und Vertriebsseite. Um nachhaltigen Geschäftserfolg in der Dentalbranche auch in Zukunft zu sichern, ist Herstellern geraten, sich dem zunehmenden Wettbewerb,  der fortschreitenden Konsolidierung auf Kundenseite sowie sich ändernden Kundenbedürfnissen zu stellen und diesen Entwicklungen proaktiv mit intelligenten Portfolio-, Vertriebs- und Preisstrategien sowie effektiven organisatorischen Anpassungen entgegenzutreten.

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