Labormanagement 08.12.2023
Labor-Nachfolger gesucht?! Familie, Verkauf und andere agile Lösungen
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Die Nachfolge im Dentalbereich ist nicht einfach. Medizinische Reglementierungen und unternehmerische Herausforderungen machen Zahntechnikern mit Herz und Seele das Leben schwer. Nicht selten haben Söhne, Töchter oder Enkelkinder kein Interesse daran, in die unternehmerischen Fußstapfen zu treten.
Die meisten Zahntechniker verschreiben sich voll und ganz dem Geschäft und der Dentalbranche, oft dreht sich auch das komplette Familienleben danach. Manche Gründer fragen sich inzwischen: „Muss ich mir das weiterhin antun?“ Bei der nachrückenden Generation klingt es eher so: „Soll ich mir das je antun?“ Zumal sich die Zeiten und Ansprüche gewandelt haben. Die steigende Müdigkeit bzw. sinkende Begeisterung dafür, sich selbstständig zu machen, hat sicher mit der Vielzahl an Problemen und Krisen zu tun, der sich Laborinhaber in den letzten Jahren gegenübersahen und die sie auch heute noch bewältigen müssen. Wir alle stehen jedoch als Gesellschaft vor der Frage: Wenn keiner mehr die Nachfolge übernehmen will, wer soll unsere Betriebe, unsere Labore weiterführen?
Anders als bisher: Tragfähige Konzepte für die Zukunft schaffen
Um sich nach Jahren des Kampfes den einen oder anderen Lebenstraum zu erfüllen, braucht es vor allem eines: (Frei-)Zeit ohne Verpflichtungen gegenüber dem eigenen Betrieb und den Kunden. Manchmal kommt der Zeitpunkt deshalb früher als gedacht oder geplant: Nachfolger gesucht – schließlich hat man ja nicht all die Jahre umsonst gekämpft!
Woher aber die neue Unternehmer-Generation nehmen, wenn immer weniger das Risiko eingehen möchten? Wie die Existenz des Labors sichern, wenn immer mehr den Aufwand scheuen? Es hilft nichts, über die Bequemlichkeit und mangelnde Leistungsbereitschaft der jungen Leute zu klagen. Vielmehr müssen wir uns überlegen: Wie können sich die Rahmenbedingungen ändern, damit Menschen wieder Lust darauf haben, selbstständig und unternehmerisch tätig zu werden?
Timm Urschinger:
„Ob Verkauf, Fusion oder Neustart: Bei der agilen Nachfolge gibt es kein besser oder schlechter, sondern nur ein anders als bisher.“
Ob Verkauf, Fusion oder Neustart: Bei der agilen Nachfolge gibt es kein besser oder schlechter, sondern nur ein anders als bisher, wie das Beispiel von Tim Wetjen zeigt. Als Brandmanager (und nicht wie drei Generationen vor ihm als Fahrlehrer) führt er zusammen mit seinem Vater die ACADEMY Fahrschulen in Hamburg und Schleswig-Holstein. Lange Zeit hatte er – wie viele Unternehmerkinder – nicht vor, in das Familienbusiness einzusteigen, trotzdem oder gerade deswegen sagt er inzwischen: „Es fühlte sich irgendwann richtig an, dass ich Teil des Unternehmens werde. [...] Mich treibt immer schon die Frage um: Wie schaffen es Unternehmen, sich neu zu erfinden?“
Warum also nicht auch eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie finden, in der ein Labor von einem Betriebswirt weitergeführt wird? Schließlich gibt es doch genügend Zahntechniker, die gerne angestellt tätig sind. Neben dieser, wenn auch nicht klassischen Übergabe an die nächste Generation gibt es unzählige weitere Modelle, ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Management-Buy-Out (MBO) oder Employee-Buy-Out (EBO) bietet eine verteilte Eigentümerschaft. Für viele ein positiver Aspekt, schließlich ermöglicht dieses „nicht-alleine-an-der-Spitze-stehen“, sich mit jemandem auszutauschen, der das oft drückende Gefühl der Verantwortung für Betrieb und Beschäftigte kennt, die Sorgen, wenn finanzielle Probleme zu lösen, Kunden und Patienten oder Mitarbeiter schwer zu finden sind.
Damit Geist und Idee weiterleben können
Nicht immer gelingt eine Nachfolge so, wie es sich der Gründer vorstellt. Tatsache ist, wird die Übernahme falsch oder zu spät angegangen, ist das Thema gar tabu, kann das schnell zur existenziellen Krise führen. Für manche ist allein der Gedanke, dass das eigene Dentallabor – ob heute oder irgendwann in der Zukunft – verkauft (also in fremde Hände gegeben) wird, unvorstellbar. Sie wollen ihr Lebenswerk am liebsten für die Ewigkeit sichern. Manchmal steht dem sogar eine Weitergabe innerhalb der Familie, vor allem im Erbfall verbunden mit der Gefahr einer Zerschlagung, im Weg. Steht tatsächlich der Verkauf im Raum, gibt es eine wichtige Frage: „Kann all die Leidenschaft und das Herzblut überhaupt gerecht vergütet werden?“ Kein Wunder, dass es vielen Laborinhabern – auch, wenn sie die Entscheidung selbst getroffen haben – doch sehr schwerfällt, letztendlich wirklich loszulassen. Hinzu kommt für Nachfolger die Herausforderung, dass das Lebenswerk oft viel zu abhängig von einer Person ist.
Unabhängig von Gründern und/oder Inhabern
Schon heute gibt es Labore, die mit zwei oder drei Gründern oder Nachfolgern starten und dem Ganzen von Anfang an eine andere strategische, wirtschaftliche und vor allem menschliche Ausrichtung geben. Weg vom Gedanken, dass ein Einzelner den Betrieb als Eigentum besitzt, hin zur Idee, an einem erfolgreichen Business lieber die Menschen zu beteiligen, die genau diesen Erfolg tagtäglich verursachen. Das Thema Selbstorganisation und der Wunsch nach Freiheit/Eigenverantwortung vieler Menschen spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Timm Urschinger:
„Was wir brauchen, sind neue gedankliche Ansätze rund um die agile Nachfolge – nach New Work sozusagen eine New Company Succession!“
Fazit
Will die Dentalbranche dem schon heute vorherrschenden Anspruch der Menschen nach mehr Unabhängigkeit gerecht werden, dann sollte sie sich im ersten Schritt vom Eigentümer und/oder Gründer unabhängiger machen. Was wir brauchen, sind neue gedankliche Ansätze rund um die agile Nachfolge – nach New Work sozusagen eine New Company Succession! Mit einer dezentralen Struktur ergibt sich auch eine verteilte Führung und Entscheidungskompetenz. Labore sind so letztlich viel zukunftssicherer aufgestellt. Und Nachfolger zu suchen, erübrigt sich dann oft, weil diese aus den eigenen Reihen kommen – unabhängig von Namen oder Herkunft.
Quelle
1 https://www.arbeitsagentur.de/faktor-a/arbeitsweltgestalten/das-erfolgsrezept-familie?
Dieser Artikel ist in der ZT Zahntechnik Zeitung 12/2023 erschienen.