Marketing 21.02.2011
Privatleistungen: Überreden Sie noch oder überzeugen Sie schon?
„Ich bin doch kein Autoverkäufer, ich bin Zahnarzt! Ich fange doch nicht an, meine ärztliche Tätigkeit anzupreisen! Gute Arbeit verkauft sich von selbst! Verkaufen kann ich nicht!“ Solche oder ähnliche Argumente hört man von vielen Zahnärztinnen und Zahnärzten, wenn man im „Dentalen Deutschland“ unterwegs ist und mit vielen Kolleginnen und Kollegen spricht. Ganz abgesehen davon, dass der Berufsstand des Verkäufers abgewertet wird, sollte der Absender solcher Botschaften doch einmal reflektieren. Selbst wenn der finanzielle Anreiz fehlt, sollten wir approbierte Heilpersonen uns täglich überlegen, wie wir mit unseren Patienten, die uns in vielerlei Hinsicht voll vertrauen, kommunizieren.
Das Autorenteam hat über viele Jahre hinweg die mehr oder minder erfolgreiche Kommunikation zwischen Menschen im Allgemeinen und zwischen (Zahn-)Arzt und Patient im Speziellen untersucht und ein wissenschaftlich gestütztes Konzept entwickelt, um beide Seiten zufriedenzustellen. Dies erforderte eine Integration von Konzepten aus der Psychologie (Lerntheorie, Psychodynamik, humanistische Psychologie), neuesten Erkenntnissen aus der Hirnphysiologie, des Neuromarketings, der Genderforschung, Rhetorik, Körperrhetorik etc. Der nachfolgende Beitrag greift drei äußerst einfache und erfolgreiche Techniken: Reziprozität, Emotionalisierung und Hamburger-Prinzip aus dem Gesamtkonzept heraus, die sofort in der Praxis umgesetzt werden können.
Ist Geld verdienen für Heilberufler unethisch?
Diese Frage verdient die Antwort eines Rupert Lay (deutscher Philosoph, Theologe, Unternehmensberater und Psychotherapeut): Handle stets so, dass Du Dein und fremdes personales Leben eher mehrst denn minderst.
Reziprozität (Prinzip der Gegenseitigkeit)
Die Reziprozitätsnorm ist eine der faszinierenden, dominierenden und archaischen Regeln der Menschheit. Platt ausgedrückt ist es eine Regel, die uns Menschen innewohnt und darauf ausgerichtet ist, eine Beziehung zu einem anderen Menschen ausgeglichen zu gestalten. Wir alle sind schon auf REZIPROZITÄT „hereingefallen“. Können Sie sich noch daran erinnern, dass der Verkäufer im Kaufhaus Ihnen beim Preis entgegengekommen ist (nebenbei gesagt ein lächerlicher Preisnachlass von wenigen Cent oder Euro)? Und wenige Minuten später finden Sie sich an der Kasse wieder, mit Produkten in der Hand, die Sie nie und nimmer kaufen wollten. Der freundliche Verkäufer hatte Sie Ihnen wärmstens empfohlen. Warum haben Sie gekauft? Jawohl, wegen der Reziprozität! Sie waren dem wildfremden Verkäufer etwas schuldig. Das finanzielle Entgegenkommen seinerseits hat Sie in psychologische Bedrängnis gebracht, und um eine Ausgeglichenheit herzustellen, haben Sie Produkte gekauft, die Sie gar nicht wollten. Sollte Ihnen so etwas noch nie passiert sein, kennen Sie entweder das Phänomen der Reziprozität oder Sie gehören zu den wenigen Menschen, bei denen diese Regel nicht anwendbar ist. Der Beweis der Wirksamkeit wurde durch unzählige psychologische Studien und Versuche längst erbracht.
Fragen Sie sich jetzt auch, was Reziprozität in der zahnärztlichen Praxis zu suchen hat, oder steigen schon Ideen in Ihnen hoch?
Wie wäre es denn, wenn Sie jedem Neupatienten oder auch Patienten, die sich nicht durchringen können, den längst fälligen (und natürlich medizinisch indizierten) Zahnersatz in Angriff zu nehmen, ein kleines Präsent überreichen würden. Das Präsent darf selbstverständlich preiswert sein. Und nebenbei bemerkt, ob Ihrem Patienten das Präsent gefällt, ob er es gebrauchen kann oder nach dem Verlassen Ihrer Praxis in den Müll wirft, spielt keine Rolle. Die Reziprozität hat schon zugeschlagen. Sie finden das manipulativ? Dann haben wir zumindest erreicht, dass Sie der Reziprozität diese Manipulation zutrauen und werten das als Erfolg dieses Beitrages. Natürlich kann man dieses psychologische Wissen auch zum Schaden von Menschen ausnützen. Aber doch nicht Sie, lieber Leser! Ihre Verkaufstätigkeit in der Zahnarztpraxis hat selbstverständlich eine medizinische Indikation vorzuweisen. In der Hand eines Chirurgen kann ein Skalpell Wunder wirken. In der Hand eines Mörders … Niemand käme auf die Idee, Skalpelle dafür zu verurteilen.
Emotionalisierung
Kaufentscheidungen fallen zu 95 Prozent emotional! Rationalisiert wird erst im Nachhinein. Jetzt erst versucht man vernünftige Gründe für seine Verkaufsentscheidung zu finden. Sport- und Nobelkarossenhersteller wissen das natürlich längst, und versuchen in der Werbung Emotionen und nichts als Emotionen zu wecken - oder? Denken Sie doch einmal einige Zeit nach. Finden Sie einen, nur einen rationalen Grund, einen Sportwagen zu kaufen? Vergessen Sie es. Es gibt keinen. Wie kann es aber sein, dass unsere Patienten beim Preis unserer Arbeit (der nur einen Bruchteil eines Luxuswagens ausmacht) zusammenzucken, als ob der Teufel hinter ihnen her wäre? Ganz klar, der Patient sieht keinen Mehrwert. Er hat das Gefühl, dass er Ihnen mehr (Geld) gibt, als er bekommt (z.B. Zahnersatz). Lösung: Sie müssen diesen Mehrwert transparent machen! Sprechen Sie die fünf Sinne des Patienten an: wie er sich fühlen wird, wenn seine Zunge die neuen Inlays ertastet, wie er damit Nahrung zerkleinern kann und welch unauffällige (oder auch auffällige) Ästhetik damit zusammenhängt. Spielen Sie mit Hilfsmitteln wie einer Prothetik-Visualisierungs-Software. Unersetzlich sind prothetische Vorzeigearbeiten Ihres Dentallabors. Ein „kinästhetischer“ Patient muss den neuen Zahnersatz „erfühlen“ und „ertasten“. Ihren Randschluss, der einer der besten auf Gottes Erde sein mag, bringen Sie lediglich bei Technikfreaks an den Mann bzw. die Frau; alle anderen können sich unter „Randschluss“ nichts vorstellen bzw. interessiert nicht im Geringsten, wie schwierig es für Sie als Behandler/-in ist, diesen herzustellen. Sprechen Sie alle Sinneskanäle an, um auf alle Fälle „den“ Sinneskanal Ihres Patienten zu erreichen.
Hamburger Prinzip
Irgendwann muss natürlich über den Preis gesprochen werden. Aber Vorsicht! Knallen Sie nie Ihrem Patienten den nackten Eurobetrag auf den Tisch. Der Preis muss immer verpackt werden. Gehen Sie nach dem Hamburger Prinzip vor. Wissen Sie warum dieses Stückchen 0-8-15-Fleisch seinen Siegeszug um die Welt angetreten hat? - Weil man es anfassen kann, obwohl es heiß ist: Brötchen–Fleisch–Brötchen. Also verpacken auch Sie Ihren (heißen) Preis: Vorteil–Preis–Vorteil; z.B. so: Diese Vollkeramikkrone, die sich farblich perfekt Ihrer Zahnreihe anpasst, kostet Sie 500 Euro und ist absolut biokompatibel. Noch besser: bauen Sie einen Doppel-Whopper: Brötchen–Salat–Fleisch–Salat–Brötchen; z.B.: Diese Vollkeramikkrone, die absolut biokompatibel ist und sich perfekt Ihrer Zahnreihe anpasst, kostet Sie 500 Euro. Bei Ihrer perfekten Zahnpflege schützt die Vollkeramikkrone den Zahn mindestens für die nächsten zehn Jahre; eine verlängerte Garantiezeit versteht sich von selbst. Es existieren eine Unzahl von wissenschaftlich belegten und äußerst erfolgreichen Kommunikationshilfen, die im Rahmen dieses Artikels natürlich nicht angesprochen werden konnten. Ob Sie in einer (Zahn-)Arztpraxis tätig sind, oder in einer beliebigen anderen Branche oder nur privat mit Ihren Mitmenschen besser kommunizieren wollen, verbessern Sie Ihre Überzeugungsqualitäten!
Autoren: Siegfried Leder, Andrea Leder