Patienten 28.08.2020

Wenn private Erstattungsstellen Auskunft begehren



Wenn private Erstattungsstellen Auskunft begehren

Dieser Thematik kann man sich gar nicht oft genug widmen, weil private Erstattungsstellen (also private Krankenversicherungen und Beihilfestellen) immer häufiger Auskünfte zu den Erstberatungsterminen und zu den Behandlungsplänen ihrer „versicherten Personen“ (bzw. der Patienten) einholen und Anfragen vornehmen. Doch, welche Aspekte sind aus Sicht einer kieferorthopädischen Fachpraxis zu beachten, wenn Erstattungsstellen vorab konkrete Fragen zu einem Versicherungsfall haben? Wann sind Behandlungsunterlagen zu übersenden und wie verhält es sich in solchen Fällen mit der Erstattung der hierbei anfallenden Aufwendungen? Der folgende Artikel gibt Auskunft und vermittelt wertvolle Tipps.

Der Hauptgrund für ein Auskunftsbegehren seitens der Erstattungsstelle besteht darin, dass die Erstattungsstelle die Leistungspflicht prüfen muss:

  • Gemäß § 9 Musterbedingungen für Krankheitskosten der PKV hat der Versicherte alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um seiner Erstattungsstelle auf Verlangen die nötigen Voraussetzungen dafür zu verschaffen.
  • Die Erstattungsstelle kann Fachleute befragen.
  • Die Erstattungsstelle hat vorab konkrete Fragen zum Fall zu stellen, denn in § 9 Abs. 2 der Musterbedingungen für Krankheitskosten PKV (MB) ist nur von „Auskunftserteilung“ die Rede.
  • Ohne Vorabauskünfte sollte keine Übersendung von Behandlungsunterlagen erfolgen, weil sie von der PKV nicht verlangt werden darf!

Grundsätzlich muss aber festgestellt werden, dass es sich bei einer Auskunftserteilung an eine PKV oder Beihilfe nicht um eine „berufliche Leistung“ für Zahnärzte nach § 1 der GOZ, sondern um eine Dienstleistung handelt, die gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu berechnen ist. Die aus der Auskunftserteilung entstehenden Kosten sind gemäß der §§ 612 und 670 BGB in Rechnung zu stellen.

Niemals Originaldokumente aus der Hand geben

Als Praxisinhaber sind Sie zur lückenlosen und fristgemäßen Aufbewahrung Ihrer (unbeschädigten) Originalunterlagen verpflichtet. Deshalb ist klar: Alle Originale verbleiben grundsätzlich in der Praxis. Das gilt übrigens auch für die Planungsmodelle. Bitte denken Sie auch daran, die Unterlagen nur zu versenden, wenn der Patient zuvor eine Schweigepflichtentbindung unterschrieben hat. Das ist wichtig.

Vor der Abgabe von Behandlungsunterlagen an Dritte sind stets Duplikate (z. B. Duplikate der Röntgenbilder und Duplikatmodelle) zu erstellen. Diese sind gemäß §§ 612 und 670 BGB gebührenpflichtig. Nutzen Sie dazu das Musterschreiben (siehe Abbildung 1) und lassen Sie sich damit die Kostenübernahme der Erstattungsstelle bestätigen.

Erstattungsstellen nehmen Patienten häufig in die Pflicht

Oft wenden sich Erstattungsstellen direkt an den Patienten, wenn es um Auskünfte geht. Auch der Arzt sollte den Patienten dabei unterstützen, Unterlagen zu übermitteln, weil ja sonst die Leistungspflicht der Erstattungsstelle nicht festgestellt werden kann.

Kommt es zur Ablehnung einer Behandlung durch die Erstattungsstelle, liest man häufig den Satz: „Die zur Prüfung notwendigen Unterlagen haben wir nicht von Ihnen (Anm.: also vom Behandler), sondern von unserem Versicherungsnehmer angefordert. Dieser ist uns gegenüber verpflichtet, sämtliche Unterlagen vorzulegen, die zur Prüfung einer Leistungspflicht unsererseits angefordert werden, da ansonsten keine Leistungsverpflichtung besteht.“

Es überrascht nicht, dass Erstattungsstellen den Patienten direkt selbst in die Pflicht nehmen, denn gemäß § 630 BGB – dem Patientenrechtegesetz – haben Patienten einen „Anspruch auf die Einsicht in ihre Patientenakte“. Der behandelnde Arzt wiederum ist verpflichtet, dem Patienten Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu gewähren und auch Kopien der Unterlagen anzufertigen – allerdings gegen eine angemessene Vergütung. Die für diese Kopien anfallenden Kosten (in Höhe von z. B. 0,50 Euro pro Kopie) könnte sich die Praxis vom Patient bezahlen lassen. Man könnte auch wohlwollend darauf verzichten.

Seien Sie Stratege

Trotz aller Rechte sollten Sie zu Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung auch „Stratege“ sein. Falls Sie sich also über die Auskunftserteilung und die im Zweifel nicht erstatteten Aufwendungen ärgern, sollten Sie dies nur für sich behalten. Und wenn es im Endergebnis dazu führt, dass die PKV der geplanten Behandlung zustimmt, dann können Sie sich über die „Investition in die Zukunft“ freuen. Denn ein Streit mit der Erstattungsstelle des Patienten vor Beginn der Behandlung könnte wohlmöglich auch dazu führen, dass Ihr neuer Patient Ihre Praxis wieder verlässt.

Die Kosten für Ihren (womöglich nicht erstatteten) Aufwand sollten Sie nicht dem Patienten in Rechnung stellen. Verzichten Sie dann lieber auf die Rechnungslegung und kommunizieren Sie dies gegenüber Ihrem Patienten getreu dem Motto: „Tue Gutes und rede drüber“.

Nicht über Ä 75 abrechnen

Leider lehnen viele Erstattungsstellen eine Kostenübernahme gemäß des in der Abbildung 1 gezeigten Kostenvoranschlags zum Auskunftsbegehren ganz oder teilweise ab. In einigen Fällen beschränken sie sich nur auf den Versand der Duplikatmodelle und übernehmen dann nur diese Kosten und fordern digitale Röntgenaufnahmen der Kiefer oder Fotos nur per E-Mail an.

In anderen Fällen sprechen sie Ihnen nur die GOÄ 75 für die Erstellung der Unterlagen zum Auskunftsbegehren/die Beantwortung eines Fragebogens zu bzw. fordern die Erstattungsstellen die Kieferorthopäden regelrecht dazu auf, die GOÄ 75 zu berechnen.

Wir empfehlen Ihnen, die Beantwortung eines Fragebogens nicht über die Gebührenposition Ä75 abzurechnen, denn es handelt sich bei einer Auskunftserteilung (wie eingangs beschrieben) nicht um eine „berufliche Leistung“ für Ärzte/Zahnärzte nach § 1 der GOÄ/GOZ!

Alternativ kann man überlegen, ob man wenigstens diesen „Wert“ der GOÄ 75 (der 3,5-fache Satz läge hier bei 26,52 Euro) als „Zeitaufwand“ berechnet, um wenigstens etwas von der eigenen Arbeit bzw. der Arbeit der Mitarbeiterin bezahlt zu bekommen. Sollten Sie sich dazu entschließen, Kosten zu berechnen, so sollten diese Kosten aber nicht in die „Patientenabrechnung“ mit einfließen, sondern stets als „separate Rechnung“ an die Erstattungsstelle gesandt werden.

Bedenken Sie also immer, dass Ihr Patient keinen Einfluss darauf hat, dass seine Krankenversicherung oder Beihilfe Auskünfte verlangt. Wenn das im Endergebnis dazu führt, dass die PKV der geplanten Behandlung zustimmt, dann können Sie sich über die „Investition in die Zukunft“ freuen.

Der Beitrag ist in KN Kieferorthopädie Nachrichten erschienen.

Foto Teaserbild: snowing12 – stock.adobe.com

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