Personalmanagement 14.06.2023

Zahnarzt und Stuhlassistenz als unschlagbares Duo



Zahnarzt und Stuhlassistenz als unschlagbares Duo

Foto: © Dr. Andreas Huth

Wenn von einer zur anderen Woche die bisherige Arbeitsweise im Behandlungsalltag durch ein schwerwiegendes Ereignis nicht mehr möglich ist, wird die Teamarbeit zwischen Behandler und Stuhlassistenz auf Herz und Nieren geprüft. Der Fall des Leipziger Zahnarztes Dr. Andreas Huth, der bei einem Unfall seine linke Hand vollkommen zertrümmerte, und seiner engagierten Stuhlassistenz Nancy zeigt: Wenn Kompetenz, Vertrauen, praktisches Verständnis und der feste Wille da sind, Herausforderungen gemeinsam zu meistern, wird aus Zahnarzt und Assistenz ein unschlagbares Duo, oder wie Nancy es in Anlehnung an einen Filmklassiker beschreibt „die linke und die rechte Hand des Teufels“.

Nancy, du unterstützt Dr. Huth als eingespielte Stuhlassistenz nicht erst seit seiner Rückkehr nach dem Unfall in die Praxis – welche Tätigkeiten genau absolvierst du dabei täglich?

Mein Tätigkeitsgebiet umfasst alle Arbeiten einer ZFA: Von Patientenannahme über Reinigung und Desinfektion bis hin zur chirurgischen Assistenz bei oralchirurgischen Eingriffen.

Wie hast du die Zeit unmittelbar nach dem Unfall deines Chefs erlebt?

Ich erfuhr von seinem Unfall an einem Wochenende, stand sofort unter Schock und war froh, dass mein Chef noch lebte. Anschließend überlegte ich gleich, was getan werden musste, damit der Praxisbetrieb weitergehen konnte – vor allem wie. Die Situation war surreal, da natürlich keiner mit so einem Unfall jemals gerechnet hätte. Am nachfolgenden Montag kam Dr. Drachenberg, der vormalige Praxisbesitzer, in die Praxis und wir berieten gemeinsam, was zu tun sei und wie wir weiter vorgehen konnten. Ich informierte zusammen mit Dr. Drachenberg alle Kolleginnen und das Team über die Situation. Danach war die ganze Praxis unter Schock. Dr. Huth rief noch an diesem Tag in der Praxis an, er wollte uns signalisieren, dass es weitergehen würde. Aufgrund der starken Medikamentation konnte er nur schwer sprechen, trotzdem war ich einfach nur froh, ihn zu hören.

Was hat sich nach dem Unfall von Dr. Huth in eurer Arbeitsweise verändert?

Nach dem Unfall mussten sämtliche Behandlungsschritte komplett überdacht und auf die Behinderung meines Chefs angepasst werden. Dies beginnt bei der normalen Kontrolluntersuchung, bei der ich ihm komplett die Sicht schaffen muss. Beim Abdrucknehmen muss ich für ihn die Wange abhalten. Beim Bohren bin ich dafür verantwortlich, dass die Wange nicht in den Bohrer kommt. Bei chirurgischen Eingriffen muss ich mit ihm gemeinsam nähen, das Raspatorium halten und Gegenstände anreichen. Oftmals ist es dann bei chirurgischen Eingriffen unerlässlich, dass wir als Assistenz zu zweit am Patienten stehen. Ich halte ab und reiche an, meine Kollegin saugt und hält zudem ab. Parodontologische Behandlungen sind weiterhin recht unkompliziert. Auf die Entfernung von Zähnen per Extraktion oder Osteotomie verzichtet Dr. Huth und delegiert dies an seine erfahrene Kollegin Frau Bondarew. In der Vorbereitung muss ich ihm Bohrer in die Hand- und Winkelstücke oder die Skalpellklinge auf den Halter stecken. Es sind viele kleine Handgriffe und Bewegungen, die ich täglich, jetzt fast schon unbewusst, absolviere.

Hat sich auch das zwischenmenschliche Verhältnis seit dem Unfall verändert?

Ja und nein zugleich. Das Vertrauen ineinander muss gegenseitig immer vorhanden sein und das ist es! Man braucht eine stabile und belastbare Basis, um jeden Tag auf kleinstem Raum und dadurch auch in einer besonderen Nähe bestmöglich zusammenarbeiten zu können. Durch den Unfall und die emotionale Situation, die sich dadurch einstellte, sind wir aber auf jeden Fall noch näher zusammengerückt.

Ein eingespieltes Team

Dr. Andreas Huth: „Als ich an einem Sonntag im August 2022 einen Radladerunfallhatte, lagen schon mehrere Jahre Selbstständigkeit in einer Leipziger Praxisgemeinschaft hinter mir. Plötzlich aber stand die Zeit still und die Selbstverständlichkeit, mit der ich meinen Beruf bis dato ausgeübt hatte, war vorbei. Meine linke Hand war komplett zertrümmert; ich hatte Glück, dass ich noch am Unfalltag durch einen Handchirurgen im Klinikum St. Georg in Leipzig erstmals versorgt werden konnte. Weitere Operationen folgten. Unmittelbar nach meinem Unfall schien mir alles vergebens. Ich bezweifelte kurzzeitig, meinen Beruf weiter ausüben zu können. Dann überdachte ich, was ich trotz meines Handicaps tun konnte, ahnte, dass einiges nicht mehr und vieles noch möglich war, und entschloss mich, weiterzumachen. Nach zwei Klinikaufenthalten stand ich dann nur zwei Monate später wieder am Behandlungsstuhl – ich wollte wieder tätig sein und mit meinem Team Patienten versorgen. Die größte Einschränkung infolge meines Unfalls war der Verlust meines selbstständigen Arbeitens. Ich kann nichts mehr alleine machen. Das war gerade zu Beginn, nach meiner Rückkehr in die Praxis, kein leichter Lern- und Umdenkprozess. Ich bin durchweg auf meine zahnärztliche Assistenz angewiesen, wobei sie die Aufgaben übernimmt, die zuvor meiner linken Hand oblagen. Das bedarf einer sehr engen, eingespielten und vertrauensvollen Zusammenarbeit – die ich zum Glück mit meiner Assistenz jeden Tag lebe. Ich weiß: es hätte alles viel schlimmer kommen können. Daran gemessen, war der Verlust meiner linken Hand noch das kleinere Übel. Wenn es meine Beine, meinen Rücken, meinen Kopf oder auch meine rechte Hand betroffen hätte, stände ich heute sehr wahrscheinlich nicht mehr in der Praxis. Ich hatte Glück im Unglück. Ich hätte meinen Beruf an den Nagel hängen und mich auf meine Berufsunfähigkeit zurückziehen können, aber ich habe durch meinen Unfall gelernt, was mir das Zahnarztsein bedeutet – es ist meine Berufung.“

Dieser Artikel ist unter dem Originaltitel: „Ich überlegte gleich, was getan werden musste, damit der Praxisbetrieb weitergehen konnte“ in der Zahnärztlichen Assistenz, 01/2023, erschienen.

Mehr News aus Personalmanagement

ePaper