Praxiseinrichtung 15.09.2011

Farbe: Ausdruck der Individualität



Farbe: Ausdruck der Individualität

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Wir durchschreiten aktuell eine spannende Entwicklung: Das Image der Zahnarztpraxen wandelt sich – zu Entspannungsoasen mit Wohlfühlcharakter. Immer mehr Zahnärzte entdecken die farbliche Praxisgestaltung als solides Marketinginstrument und Alleinstellungsmerkmal für sich. ZWP sprach mit dem freiberuflichen Dipl.- Designer (FH) Alexander Jahn über den praktischen Nutzen und die Zukunft von Farbgestaltungen sowie mit Dr. Uwe Grosch, einem Coburger Zahnarzt, der Farbe positiv für sich und seine Praxis entdeckt hat.

 

Herr Jahn, wieso ist Farbgestaltung gerade für Zahnarztpraxen so interessant? 

 Alexander Jahn: Zunächst einmal betrifft Farbgestaltung natürlich nicht nur Zahnarztpraxen. In allen ärztlichen Behandlungsräumen ist die Gestaltung mit Farbe sinnvoll. Wir Menschen sind nämlich rein visuell veranlagt. Vor unserem Verstand stehen die Sinne. Jede Farbe sendet ihre spezifischen sinnlichen Signale. Das ist der Punkt: mit Farbe lassen sich Emotionen hervorrufen. Sie können Menschen mit Farbe sozusagen steuern und beeinflussen. Farbe hat also direkten Einfluss auf das Wohlbefinden der Menschen. Das macht sich in einer Zahnarztpraxis besonders gut bezahlt.  



 


Wie könnte das praktisch aussehen? 

 Alexander Jahn: Denken Sie einmal an den klassischen Angstpatienten: Er betrachtet einen Zahnarztbesuch als notwendiges Übel. Der nahe rückende Behandlungstermin ist für ihn immer mit Anspannung und Unruhe verbunden. Dieses Gefühl wird sich beim Betreten der Praxis noch verstärken. Insbesondere dann, wenn die Praxis dem Patienten schon rein formell suggeriert, dass es sich hier um eine Arztpraxis handelt. Meistens sind Arztpraxen schlicht weiß gestaltet – wenn man dabei überhaupt von Gestaltung sprechen kann. Weiß ist zwar die Farbe der Hygiene und Reinheit, sie ist aber auch steril und emotionskarg. Reinweiß kann leicht abgrenzen und unnahbar wirken. Deshalb erachte ich es als wesentlichen Bestandteil einer Farbgestaltung, einem solchen Zustand entgegenzuwirken. Ziel sollte es sein, eine Arztpraxis so wirken zu lassen, dass sie dem Patienten  einerseits die Angst nimmt und ein Gefühl der Gebor genheit vermittelt, andererseits aber auch die Kompetenzen und Ansprüche des Arztes unterstreicht. 


Das müssen Sie bitte näher erläutern. 

Alexander Jahn: Nun, es ist ganz einfach: Farbe ist ein Spiegelbild. Der Zahnarzt verkörpert mit seiner Person, seinem Wissen und Können die eigene Praxis. Die Farbe aber verkörpert beides: Zahnarzt und Praxis. Sie schafft es dabei, die Kompetenzen des Arztes auf eine rein visuelle Ebene zu verlagern. Ganz konkret bedeutet das: Einer hochwertig ausschauenden Praxis wird man in aller Regel auch ein hochwertiges Arbeiten des Arztes nachsagen. 


Aber klingt das nicht ein wenig nach Etikettenschwindel? 

 Alexander Jahn: Ganz und gar nicht, denn das eine funktioniert nicht ohne das andere. Man kann eine Praxis hochwertig ausschauen lassen, ausschlaggebend ist aber letztendlich die Leistung des Arztes und Praxisteams. Spätestens beim persönlichen Erstkontakt weiß man, ob die „Verpackung auch dem Inhalt entspricht“. Das bedeutet, dass auch die beste Farbgestaltung nur unterstützend wirken kann. Sie kann die bereits vorhandene Authentizität des Personals und des Arztes verstärken, aber Fehlendes nicht einfach herbeizaubern. Im Umkehrschluss wird eine emotionslose Praxis dem handwerklich auf höchstem Niveau arbeitenden Arzt nicht gerecht. Wie man das Blatt auch wendet: Farbe übersetzt die Kompetenzen des Arztes in eine bildhafte Sprache. Da hilft es keinesfalls, unauthentisch zu sein. 


Herr Dr. Grosch, was macht Ihre Praxis denn authentisch? 

 Dr. Uwe Grosch: Wir drücken unser Streben nach Hochwertigkeit in klaren, einfachen und zeitlosen Strukturen aus. Dabei stellen moderne Behandlungsmethoden, das Betreuungsmanagement unserer Patienten und die visuelle Anmutung unserer Praxis eine Einheit dar. Nicht zuletzt konnte ich gemeinsam mit meinem Praxisteam ästhetische Vorlieben auf die Praxisgestaltung übertragen.  


Wie sieht die Farbgestaltung in Ihren Räumen konkret aus? 

 Dr. Uwe Grosch: In meinen Praxisräumen haben wir hauptsächlich gedeckte Farben mit viel Grauanteil verwendet. Der Empfangsbereich wurde mit hellen, freundlichen Farben und Materialien gestaltet. Gleichfalls integrierten wir an der Rezeption eine große, mit hinterleuchteten Buchstaben gefertigte Tafel unseres Praxislogos. Wichtig war für uns bei der Farbgestaltung, dass keine überzogene Buntheit entsteht. So kommt beispielsweise in den Behandlungsräumen eine beruhigende grünliche Akzentfarbe zum Einsatz. Diese wurde jedoch nicht im gesamten Raum, sondern nur an der dem Patienten gegenüberliegenden Wand aufgebracht. 

Alexander Jahn: In der Praxisgestaltung von Dr. Grosch gibt es noch eine weitere Besonderheit: Es gibt in der gesamten Praxis nur zwei vollflächig benutzte Grundfarbtöne und zwei akzentuierende Kontrastfarben. Durch diese zwei grundlegenden Farben gelang es uns, die öffentlichen Bereiche von den nicht öffentlichen zu trennen. Letztere sind durch ein dezentes Graublau gekennzeichnet. Öffentliche Bereiche dagegen verwenden einen hellen Sandton. Sie sehen also, dass Farbe auch zur Raumstrukturierung beiträgt und für klare  Gliederungen sorgt. Natürlich haben wir es uns auch nicht nehmen lassen, in der Praxis gezielte Highlights zu setzen. 


Welche wären das? 

Dr. Uwe Grosch: Da bei uns die Behandlung von Kindern einen großen Stellenwert einnimmt, haben wir mit der Gestaltung der Kinderspielecke ein solches Highlight gesetzt. Deren kinderfreundliche, bunte Farbwahl haben wir dabei an das Grundkonzept der Praxis angepasst. Weiterhin verwendeten wir für unsere Glastüren eine spezielle Beschichtung, bei der die Raumbeschriftung ausgespart wurde. Dadurch entsteht eine bessere Lichtdurchflutung und somit ein transparenter Eindruck der gesamten Praxis. Einen zusätzlichen Akzent verwirklichten wir mit der Illustration eines lächelnden Gesichtes an der Rezeption bzw. an der Stirnseite des Flurs zu den Behandlungszimmern. In Anlehnung an meinen Slogan „Bitte Lächeln“ entsteht so ein schlüssiges Gesamtbild – ganz im Sinne des Corporate Design. 

Alexander Jahn: Die Wandillustration ist wirklich ein besonderer Hingucker. Das sieht man bereits beim Betreten der Praxis. Beim Verlassen einer der Behandlungsräume bewegt man sich außerdem direkt auf dieses lächelnde Gesicht zu. Das gibt den Patienten einfach ein offenherziges Gefühl. Mir als Designer hat der Entwurf übrigens auch ein Lächeln ins Gesicht gezaubert, denn das Motiv verkörpert sehr genau die positive Grundeinstellung von Dr. Grosch und all seinen Mitarbeiterinnen. Das ist das, was ich vorhin mit Authentizität meinte. 


Herr Dr. Grosch, zahlt sich Ihrer Meinung nach die Investition in Farbgestaltung aus? 

 Dr. Uwe Grosch: Natürlich hat sich diese Investition gelohnt. Patienten sprechen uns oft nach der Behandlung an, wenn sie die gesamten Eindrücke auf sich wirken lassen konnten. Daraus resultierten auch zusätzliche Weiterempfehlungen. Nicht nur für unsere Patienten, sondern auch für uns selbst als Personal fördert diese beruhigende Atmosphäre das Wohlbefinden. 

Alexander Jahn: Die Erfahrung von Dr. Grosch zeigt deutlich, dass Farbgestaltung auch Ausdruck der eigenen Individualität ist. Es ist besonders wichtig eine ansprechende Optik zu bewahren, denn wie ich bereits erwähnte, steht vor dem Kopf der Bauch. Wir treffen unsere Entscheidungen niemals nach rationalen Gesichtspunkten, sondern verlassen uns auf unsere Intuition, Erfahrungswerte und Emotionen. Auch die Wahl unseres Zahnarztes treffen wir nach dem uns vermittelten Gesamteindruck.  


Aber wieso scheuen trotzdem viele Praxisinhaber die Gestaltung mit Farbe? 

Alexander Jahn:Weil Farbe in deren Augen etwas Unberechenbares ist. Farbe wird negiert, weil ihr keine mathematische Einheit zugrunde liegt. Das ist sehr schade, denn Farbe ist ein Statement und eine Verbildlichung der Unternehmensphilosophie. Unsere Welt besteht komplett aus Farbe. Schauen Sie sich um: Alles ist farbig. Alles besitzt eine Signatur. Wieso sollte dann nicht auch eine Zahnarztpraxis eine beruhigende und vertrauenserweckende Signatur besitzen?  


Wie werden Zahnarztpraxen in Zukunft aussehen? 

Alexander Jahn: Sie werden authentisch sein müssen. Ich muss das immer wieder betonen: Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in unnahbarer Hochglanzoptik, sondern in der Humanfunktion. Der Mensch wird Mittelpunkt der Gestaltung. Die Gestaltung muss sich seinen Bedürfnissen anpassen. Farbe nimmt Angst und Unruhe. Farbe schafft Freiraum und Vertrauen. Ganz besonders farbige Zwischentöne werden an Bedeutung gewinnen. Das können vergraute Farbnuancen sein, deren Reinheit schwindet, aber auch feinst differenzierte Weißnuancen, sogenannte Off-Whites. In jedem Fall wird es aber immer wichtiger, dass der Praxisinhaber mit voller Überzeugung hinter seinem (Farb-)Konzept steht. Denn das beste Konzept nützt nichts, wenn es dem Inhaber nur „übergestülpt“ wird. 


Herr Jahn, Herr Dr. Grosch, vielen Dank für das interessante Gespräch. 

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