Praxismanagement 07.10.2011
Aufschieberitis in der Zahnarztpraxis besiegen!
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Völlig egal, was manche Menschen behaupten. Völlig unerheblich, was uns irgendjemand erzählen will: Wir alle schieben von Zeit zu Zeit auf. Und es ist ja auch nichts dabei: Wir entscheiden uns in diesem Moment lediglich dafür, eine bestimmte Tätigkeit einer anderen vorzuziehen. Allerdings wird es in der Zahnarztpraxis gefährlich, wenn Aufschieberitis zum System wird. Zugesagte Termine werden nicht eingehalten, die Zusammenarbeit mit Dentallabors läuft nicht rund und schlimmstenfalls werden sogar Patienten verärgert.
Das erste Newtonsche Gesetz, auch Trägheitsprinzip genannt, besagt Folgendes: „Ein Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte zur Änderung seines Zustands gezwungen wird.“ Wir alle kennen diese Kräfte: Wenn Patienten ungeduldig werden, Mitarbeiter dringend Anweisungen benötigen oder das Dentallabor Meier bereits das zweite Mal nach den letzten Infos für den zu erstellenden Zahnersatz nachfragt. Doch warum schieben wir immer wieder auf? Und was hat das alles mit Tennismeisterschaften zu tun?
Wer sich jemals für Tennis interessiert hat, der kennt auch die Turnier-Tableaus, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn Meisterschaften ausgespielt werden. Mit ihnen lässt sich auf einfachste Weise nach dem K.-o.-System der Sieger aus einem Teilnehmerfeld von 8, 16, 32 oder mehr Spielern ermitteln. Genau ein solches Tableau kann uns auch dabei helfen, das Thema „Aufschieberitis“ ein für alle Mal zu besiegen. Doch kommen wir zunächst noch einmal zurück zum Körper im Zustand der Ruhe bzw. Bewegung.
Wer jemals versucht hat, ein Auto anzuschieben, der weiß: Es bedarf zunächst relativ großer Anstrengung, den Wagen in Bewegung zu setzen. Wenn er allerdings erst einmal rollt, ist es mit relativ geringer Krafteinwirkung möglich, das Fahrzeug weiter rollen zu lassen. Für unser aller Problem des Prokastinierens lautet die entsprechende Frage natürlich: Wie schaffen wir es, den Zustand der Ruhe zu beenden und zu starten – also im Wortsinn tatsächlich zunächst uns und dann etwas (Projekt, Angebot, Plan) zu bewegen? Genau hier kommt das Tableau aus den Tennismeisterschaften zum Einsatz.
Übersicht und Struktur gewinnen
Zunächst einmal benötigen wir sämtliche anstehende Aufgaben, die auf einer To-do-Liste notiert werden. Vergessen Sie alles, was mit Priorisierung oder irgendeiner logischen Reihenfolge zu tun hat. Schreiben Sie einfach, von oben nach unten, alles auf, was Ihnen in den Sinn kommt. Nun beginnen Sie – vergleichbar mit dem obigen Turnier-Tableau – die ersten beiden Aufgaben 1 und 2 mit einer Klammer zu versehen. Jetzt kommt der entscheidende Moment: Nun wählen Sie den Gewinner der ersten Partie aus mit der Frage: Welche dieser beiden Aufgaben ist die einfachere? Denn genau diese Aufgabe gewinnt die erste Runde und wird von Ihnen in die zweite Runde geschrieben. Ich wiederhole: Die leichtere Aufgabe gewinnt! Dieses Prinzip wiederholen Sie nun für die Aufgaben mit den Nummern 3/4, 5/6, 7/8 und so weiter und so fort. Immer wählen Sie die jeweils leichtere Aufgabe. Die erste Runde ist geschafft! Jetzt spielen wir unser Viertelfinale: Wieder heißt es 1 gegen 2, 3 gegen 4, 5 gegen 6 und 7 gegen 8. Und wieder wählen Sie die einfachsten Aufgaben aus, die eine Runde weiterkommen, weil sie erneut gewinnen. So gelangen Sie früher oder später in die Situation, dass nur noch vier Aufgaben übrig bleiben, die im Halbfinale gegeneinander antreten. Und dann ist es soweit: Der Moment des Finales ist gekommen. Nur noch zwei Aufgaben, Auge in Auge, bis nur ein Gewinner übrig bleibt. Und dieser Sieger ist, nachdem Sie auf dem Papier das Finale ausgespielt haben, wirklich Ihre Nummer 1, die einfachste Aufgabe, die es aktuell für Sie gibt. Und genau mit dieser Aufgabe beginnen Sie.
Mit
der leichtesten Aufgabe in Bewegung kommen
Was ist bis hierher passiert? In der ersten Runde sind sämtliche Aufgaben aus dem Turnier gefallen, die im Vergleich schwerer waren. Warum? Ganz einfach: Ich weiß, dass viele selbsternannte Zeitmanagement-Päpste das genaue Gegenteil predigen: „Suchen Sie sich die eine, alles entscheidende, wichtigste, dringendste und schwierigste Aufgabe. Starten Sie nur mit dieser Aufgabe und machen Sie nichts anderes, bevor sie vollständig erledigt ist.“ Wunderbares Prinzip. Aber wenn Sie dazu tendieren, Dinge aufzuschieben – und wir wissen, jeder von uns tut dies von Zeit zu Zeit –, dann werden Sie es nicht konsequent fertigbringen, mit dieser Aufgabe zu starten, geschweige denn sie zu Ende zu bringen. Wir wählen deshalb ganz bewusst die jeweils leichteste Aufgabe aus und beginnen einfach mit ihr. Wenn wir mal gestartet sind, wird es uns – getreu Herrn Newton – leichterfallen, uns weiter zu bewegen und so auch andere (schwierigere) Aufgaben anzugehen und zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
In der Trostrunde zur
schwierigsten Aufgabe finden
Damit hören wir natürlich nicht auf! Denn jetzt gibt es, wie bei einer Clubmeisterschaft unter Hobbyspielern, die sogenannte „Trostrunde“. Dabei passiert Folgendes: All diejenigen, die bereits in der ersten Runde ausgeschieden sind, haben die Chance, noch einmal in einer Art B-Runde gegeneinander zu spielen und sich über diesen Umweg weiterzuqualifizieren. Genau das tun Sie jetzt auch mit Ihren Erstrunden- Verlierern. Zuvor haben Sie in Ihrer A-Runde das Finale ausgespielt, bei dem die einfachste Aufgabe gewonnen hat und von Ihnen sofort mit Leichtigkeit erledigt wurde.
In der B-Runde wählen Sie jetzt unter den schwierigeren Aufgaben – ebenfalls mit einer Klammer um 1/2, 3/4, 5/6 und 7/8 – erneut den jeweiligen Sieger aus. Aber dieses Mal, richtig, nehmen Sie natürlich die schwerere Aufgabe. Das heißt, Sie wählen nun ganz bewusst zwischen den schwierigen Aufgaben die jeweils schwierigere aus. Dann gibt es das Halbfinale, die letzten vier unangenehmen, komplexen oder dringenden Aufgaben, die zu erledigen sind. Auch hier spielen Sie so lange, bis irgendwann im Finale die zwei letzten schwierigsten Kontrahenten aufeinandertreffen. Jetzt wählen Sie aus: Welche eine Aufgabe bringt Sie Ihrem wichtigsten Ziel am nächsten? Welche Aufgabe ist am schwierigsten bzw. welche sollten Sie unmittelbar erledigen, um diese Runde erfolgreich zu absolvieren?
In Schwung bleiben
Sobald wir mit der einfachsten Aufgabe beginnen und sei es auch nur, endlich die Schreibtischschublade aufzuräumen, sind wir in Bewegung. Jetzt müssen wir nur noch in Schwung bleiben. Setzen wir nun unsere Aktivität durch die Umsetzung der schwierigsten Aufgabe fort, gewinnen wir sogar an Fahrt. Jetzt können Sie – quasi als Belohnung – wieder in die A-Runde wechseln und sich dort die zweitplatzierte Aufgabe (also den unterlegenen Finalisten) vornehmen. Dann geht es wieder zurück in die Trostrunde und die zweitplatzierte Aufgabe dort wird erledigt.
Wir nutzen so ein Prinzip, ähnlich wie beim Auto, das wir anschieben: Auch hier lässt sich ein leichteres Auto (die einfache Aufgabe) leichter in Bewegung bringen als ein vollbepacktes, schweres Auto (die schwierige Aufgabe). Haben wir das Fahrzeug allerdings erst einmal ins Rollen gebracht, bewegt es sich nahezu von alleine weiter. Das ist der Weg, der funktioniert, um der Prokastination ein für alle Mal „Lebewohl“ zu sagen. Tragen Sie Ihre persönliche Tennismeisterschaft hinsichtlich Ihrer anstehenden Aufgaben aus. Irgendwann wird Ihnen dieses System in Fleisch und Blut übergehen, sodass Sie nicht mehr lange überlegen müssen, wie Sie das Ganze denn nun angehen. Es wird zum Spiel, zum leidenschaftlichen Spiel um die Erledigung von Aufgaben. Wenn dieses System in Ihrem Team erst einmal Fuß gefasst hat, ist Aufschieberitis in Ihrer Zahnarztpraxis bald Geschichte. Versprochen! Viel Erfolg!