Praxismanagement 26.05.2011
Praxisführung: Soziale Kompetenz ist entscheidend
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Der Zahnarzt von heute muss über eine Vielzahl von Kompetenzen verfügen: Fachliches Know-
how, betriebswirtschaftliche Kenntnisse, Geduld und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Patienten und Führungsgeschick. Während sich noch vor wenigen Jahren fast niemand für das Thema „Unternehmensführung“ interessierte, ist es heute in aller Munde.
Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Der Wettbewerb unter den Zahnarztpraxen nimmt zu, die Kosten steigen, gleichzeitig sinken die Kassenhonorare. Neue gesetzliche Verordnungen und Richtlinien sind hinzugekommen, QM-Systeme müssen umgesetzt werden und die Behandlungen werden immer komplexer. Zudem müssen Patienten immer mehr Leistungen aus eigener Tasche bezahlen und fordern daher zahnmedizinische „Dienstleistungen“ verstärkt selbst ein. Nur mit einem modernen Praxisinventar, einem breit gefächerten Leistungsspektrum und einem verlässlichen Team können Zahnärzte diese Patientenwünsche optimal erfüllen und das wirtschaftliche Überleben ihrer Praxis sichern. Insofern liegt es nahe, dass Zahnärzte sich zunehmend auch mit Führungsthemen auseinandersetzen. Starre Hierarchien und uneingeschränktes Autoritätsdenken kommen dabei immer mehr aus der Mode. Die gerechte Verteilung der Aufgaben sowie die Förderung und Motivation der Mitarbeiter auf Basis eines loyalen und vertrauensvollen Führungsstils zählen mittlerweile zu den zentralen Aufgaben des Praxischefs. Doch dafür reichen fachliche Kompetenzen alleine nicht aus. Der Zahnarzt von heute muss auch seine sozialen Kompetenzen unter Beweis stellen. Das Ziel: Mitarbeiter finden und binden, die einen hohen Qualitätsanspruch an ihre Arbeit stellen, eigenverantwortlich handeln und sich mit den Praxiszielen identifizieren. Doch im Hinblick auf neue Strategien der Mitarbeiterführung tun sich viele Zahnärzte noch immer schwer. Viele fürchten, an Autorität zu verlieren, wenn sie zu sehr auf die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen. Diese Ängste sind jedoch unbegründet. Wissenschaftliche Studien belegen: „Soft-Skills tragen maßgeblich zum Praxiserfolg bei.“ Ein zentraler Bestandteil des „sanften“ Führungsstils“ ist gegenseitiges VERTRAUEN.
Vertrauen schafft Vertrauen
Wie in jeder harmonischen Partnerschaft muss auch die Beziehung zwischen Zahnarzt und Praxisteam stimmen. „Vertrauen erweckt Vertrauen“, zu dieser Erkenntnis gelangte bereits der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV im 18. Jahrhundert. Doch was klingt wie eine Binsenweisheit, ist im beruflichen Alltag oftmals schwer umzusetzen. Der Grund: Jede Praxis ist eine Welt für sich. Die Teammitglieder unterscheiden sich alle im Hinblick auf ihre individuellen Fähigkeiten, Charaktereigenschaften, Ziele, Motive und Erwartungen. Von dieser Heterogenität kann eine Praxis profitieren – vorausgesetzt, der Praxisinhaber weiß mit dieser Vielfalt umzugehen. Dazu muss er einen Führungsstil „leben“, der auf faire und soziale Weise allen gerecht wird. Gelingt ihm dies, lohnen sich Mühe und Geduld, denn wissenschaftliche Studien belegen: die Qualität der Beziehung zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten wirken sich direkt auf das Unternehmensergebnis aus. Erlebt der Mitarbeiter seine Beziehung zum Chef positiv, wird auch sein Leistungsniveau steigen.
Gute Mitarbeiterführung: Ein Geben und ein Nehmen
Doch was macht einen guten Führungsstil aus? Und wie motiviert und fördert man überhaupt Mitarbeiter? Diese und andere Fragen bereiten Praxischefs oft Kopfzerbrechen. Fest steht: Führungskräfte, die ausschließlich an das Pflichtgefühl ihrer Mitarbeiter appellieren, ohne bereit sind, selbst etwas dafür zu tun, werden immer wieder Enttäuschungen hinnehmen müssen. Grundvoraussetzung für eine Identifikation mit dem Arbeitgeber ist vor allem eines: gegenseitiges Vertrauen. Erfolgreich miteinander und füreinander arbeiten heißt: es besteht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen. Jeder, der etwas zum Praxiserfolg beiträgt, muss darauf vertrauen können, dass sich auch die anderen engagiert einbringen, und er für sich selbst einen angemessenen Nutzen erzielt. Wird dieses Vertrauen missbraucht, reduziert jeder Angestellte schnell seine Leistungen auf ein Mindestmaß, arbeitet weniger teamorientiert, reagiert gereizt oder zieht sich zurück.
Die Folgen für die Praxis sind fatal:
Häufige Krankmeldungen, Fluktuation, unzufriedene Gesichter, ein unfreund-licher Empfang der Patienten, Unzuverlässigkeit und Fehler bei der Durchführung der zugewiesenen Aufgaben, keine Bereitschaft zu Überstunden, Konflikte vor Patienten, Kaffeeküchentratsch und vieles mehr. Im Endeffekt leiden alle Beteiligten unter der Situation: Chef, Angestellte und nicht zuletzt der Patient – der ganz sicher kein zweites Mal eine Praxis betritt, in der er sich nicht wohlfühlt. Wer annimmt, die schlechte Stimmung „hinter den Kulissen“ vor den Patienten verbergen zu können, der irrt sich gewaltig. Patienten haben sehr feine Antennen für die Harmonie in einer Praxis. Damit es nicht soweit kommt, muss Vertrauen wachsen.
Vertrauen bekommen – Kontrolle abgeben
Doch einem Menschen zu vertrauen, ist alles andere als selbstverständlich, erst recht, wenn man die Verantwortung für eine Praxis trägt. Die Angst davor, enttäuscht zu werden oder finanziellen Schaden zu nehmen, ist tief im Unterbewusstsein verankert. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, lautet häufig noch die Devise. Aber muss das wirklich sein?
Natürlich bedeutet „Vertrauen“ in begrifflicher Hinsicht „die reflektierte Erwartung, dass kooperatives Handeln nicht ausgebeutet wird“. Dennoch muss ein guter Chef in der Lage sein, Kontrolle abzugeben und seinen Mitarbeitern mehr Verantwortlichkeiten zu übertragen. Gleichzeitig trägt er aber das Risiko, wenn es schiefgeht – das ist der Preis für den möglichen Erfolg. Der Vorgesetzte geht also zweifellos ein großes Risiko ein, aber ohne „Vertrauensvorschuss“ ist es nicht möglich, herauszufinden, welche Fähigkeiten in dem Mitarbeiter stecken. Der „Einsatz“, den der Chef geben muss, ist also der Verzicht auf Kontrolle mit dem Ziel, einen Vertrauensmechanismus einzuleiten.
Gemeinsam mehr erreichen
Maßnahmen zur Vertrauensbildung sind unter anderem Fairness, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit, Loyalität, Verlässlichkeit oder das Erfüllen von Versprechen. Die Aufgabe einer Führungskraft ist es, die Mitarbeiter erkennen zu lassen, dass es nicht nur um den eigenen Unternehmenserfolg geht, sondern dem Chef auch die Ziele, Bedürfnisse und Sorgen seiner Angestellten am Herzen liegen. Das wirkt als Motivator, um die geforderten Arbeiten vorbehaltlos zu erfüllen. Außerdem sollten sich Mitarbeiter stets ernst genommen fühlen und darauf vertrauen können, dass sie für ihr Engagement Respekt und Wertschätzung erfahren. Im Gegenzug werden sie sich gegenüber ihrem Chef auch loyal verhalten und gewissenhaft arbeiten. Es entsteht eine Verbundenheit, eine Begeisterung, ein Teamspirit. Dieser schwappt auf das gesamte Praxisteam über und ist auch für die Patienten spürbar, die in die Praxis kommen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Es geht nicht darum, unnötige und unkalkulierbare Risiken bei der Mitarbeiterführung einzugehen, um Stärken und Schwächen des Personals herauszufinden und Vertrauen aufzubauen. Bei Art und Umfang der gestellten Aufgabe sollten Sie auf Ihre Erfahrung und Ihr Bauchgefühl vertrauen. Entscheidend ist aber, dass Sie als Vorgesetzter es schaffen, Aufgaben zu delegieren, Kontrollzwänge zu minimieren, Redundanzen abzubauen und Regularien aufzulösen. Als Chef werden Sie von den neu gewonnenen „Freiheiten“ Ihrer Mitarbeiter profitieren.
Auch Chefs sind nur Menschen
Fazit: Mitarbeiterführung ist ein mühevolles Geschäft, das nicht jedem in die Wiege gelegt ist und immer wieder mit Rückschlägen verbunden sein wird. Auch als „perfekter Chef“ werden Sie nicht ausschließen können, dass ein Mitarbeiter mal heimlich im Internet surft, einen Tag blau macht oder zu spät zur Arbeit kommt, aber diese Fehlverhalten werden im Rahmen bleiben und durch andere, positive Leistungen ausgeglichen, zum Beispiel freiwilliger Mehrarbeit, seltene Krankmeldungen oder besondere Beliebtheit bei den Patienten. Denn fest steht: Mitarbeiter, die ihren Chef respektieren und gerne zur Arbeit gehen, bleiben der Praxis auch lange treu – und tragen zu Ihrem ganz persönlichen Praxiserfolg bei – Tag für Tag.