Praxismanagement 28.04.2022

Kaufvertrag über Patientenstamm bei Praxisabgabe wirksam?



Kaufvertrag über Patientenstamm bei Praxisabgabe wirksam?

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seiner Entscheidung am 9.11.2021 (Az. VIII ZR 362/19) mit der Frage befasst, ob ein Kaufvertrag über den „Patientenstamm“ einer Zahnarztpraxis einen Verstoß gegen das standesrechtliche Verbot entgeltlicher Zuweisung darstellt und damit nichtig ist.

Ein niedergelassener Zahnarzt einigte sich mit einer die Praxis aufgebenden Kollegin über den Verkauf des Patientenstamms ihrer privat-und vertragszahnärztlichen Praxis und die künftige Versorgung dieser rund 600 Patienten. Dazu wurde vereinbart, dass die Anrufe für die Zahnärztin auf den Telefonanschluss des Zahnarztes und dass die Aufrufe der Internetseite der Zahnärztin auf den Anschluss und die Domain des Käufers umgeleitet werden sollten. Nach vollständiger Kaufpreiszahlung sollten die Patientenkartei und sämtliche Krankenunterlagen in Eigentum und Besitz des Käufers übergehen, soweit eine schriftliche Einwilligungserklärung der Patienten vorliege. Davon unabhängig sollte der Kläger sowohl die manuell geführte Patientenkartei (in einem verschlossenen Aktenschrank) als auch die elektronische Patientenkartei (geschützt durch ein ihm zur Verfügung stehendes Passwort) für die Beklagte in Verwahrung nehmen. Der Kaufpreis dafür sollte 12.000 EUR betragen.

Zwecks „Überleitung der Patienten" verpflichtete sich die Ärztin ferner, ihre Patienten über die Beendigung ihrer Tätigkeit als Zahnärztin und von der "Übernahme der Patienten" durch den Kläger rechtzeitig mittels Rundschreiben zu informieren sowie den Patienten darin die Fortsetzung der Behandlung durch den Kläger zu empfehlen und sie zu bitten, diesem zukünftig ihr Vertrauen zu schenken.

Später berief sie sich auf die Unwirksamkeit dieser Regelungen und verweigerte die Leistung.

Die Entscheidung

Die Klage des Zahnarztes auf Vertragserfüllung hatte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte die von den Vorinstanzen bereits erkannte Nichtigkeit des Kaufvertrags. Der „Verkauf eines Patientenstamms“ sei rechtlich nicht möglich. § 8 Abs. 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte (im Folgenden: Berufsordnung) untersage es, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.

Der BGH bestätigt dazu noch, dass der Begriff der „Zuführung“ in §§ 299a, 299b StGB inhaltlich dem in der einschlägigen Berufsordnung gleichbedeutend verwendeten Begriff der „Zuweisung“ entspreche. Hierunter sei jede Einwirkung auf Patienten mit der Absicht zu verstehen, deren Wahl unter Ärztinnen und Ärzten oder anderen Leistungserbringern zu beeinflussen. Entscheidend sei dabei nicht die Handlungsmodalität, also wie auf den Patienten eingewirkt wird, sondern mit welcher Intention dies geschieht. Die von den Parteien vereinbarten Um- und Weiterleitungen sowie das Empfehlungsanschreiben stellten eine unzulässige Zuweisung dar.

Die Frage der Zulässigkeit des Verkaufs eines Patientenstamms unter dem Gesichtspunkt der Strafnormen zur Korruption im Gesundheitswesen (§§ 299a, 299b StGB) und des sog. „Zwei-Schrank- Modells“ mit Blick auf § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB und das Datenschutzrecht hielt der BGH indes nicht für entscheidungserheblich.

Quelle: lennmed.de aktuell Newsletter 03/2022 

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