Praxismanagement 01.02.2012
Patientenkommunikation in der KFO-Praxis
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Wie zwischen Kieferorthopäde und Patient ein Gespräch auf Augenhöhe entsteht, demonstriert Praxis-Coach Dr. Wolfgang Schmehl.
Vertrauen entsteht, wenn der Patient spürt und weiß, dass der Kieferorthopäde NICHT auf seine Unwissenheit spekuliert, sondern auf seine Urteilsfähigkeit und Entscheidungskompetenz. Wie gelingt es dem Kieferorthopäden, dies dem Patienten deutlich zu machen? Indem er Transparenz ins Gespräch bringt und Informatonsunterschiede benennt und ausräumt. Und indem er komplexe medizinische Sachverhalte verständlich und nachvollziehbar darstellt und so Komplexität und Unsicherheit reduziert. Kurz gesagt: Indem er mit ihm ein Gespräch auf Augenhöhe führt. In Studien und Patientenbefragungen wird häufig beklagt, dass sich die Ärzte – und damit auch die Kieferorthopäden – zu wenig Zeit für das intensive Patientengespräch auf Augenhöhe nehmen. Die Konsequenz: Der Patient fühlt sich „von oben herab“ behandelt, als Laie vom Fachmann belehrt und missverstanden. Die Ursachen sind vielschichtig, zweifellos im Gesundheitssystem begründet und der extrem hohen Belastung der Ärzte geschuldet. Und sie haben etwas mit der Vergütung zu tun, die diejenigen Ärzte, die die oft geforderte „sprechende Medizin“ verwirklichen wollen, geradezu bestraft. Wer sich auf den Patienten einlassen und mit ihm ein intensives Gespräch führen will, muss mit einiger Wahrscheinlichkeit ökonomische Nachteile in Kauf nehmen. Bei Kieferorthopäden kommt erschwerend hinzu, dass die Patientenkommunikation oft in einem „kommunikativen Dreieck“ abläuft. Viele der Patienten sind Kinder oder Jugendliche und erscheinen in Begleitung eines Elternteils in der Praxis. An dem Gespräch sind mithin drei Personen beteiligt – der Kieferorthopäde, der junge Patient und ein Patientenbegleiter. Und das macht das Gespräch oft noch zeitintensiver.
Dauerbelastung als tiefere Ursache für Kommunikationsprobleme
Zuweilen ergibt sich dann ein Teufelskreis: Der Kieferorthopäde will helfen, etwa mit den E ltern des jungen Patienten ein ausführliches Gespräch führen, um dem Kind die Ängste zu nehmen und die Eltern zu beruhigen. Auf einer vielleicht unbewussten Ebene widerstrebt es ihm, das ausführliche Gespräch zu führen, weil dies mit den genannten Nachteilen verknüpft sein könnte. Die kommunikative Kompetenz des Kieferorthopäden wird so eingeschränkt. Wiederholt sich diese Situation oder wird gar zum Dauerzustand, kann dies im schlimmsten Fall zum berüchtigten Gefühl des Ausgebranntseins führen. Wenn das Patientengespräch auf Augenhöhe – und damit sind im Folgenden auch die Gespräche gemeint, die der Kieferorthopäde mit dem Elternteil, dem Patientenbegleiter führt – so häufig misslingt, liegt die tiefere Ursache vielleicht darin, dass der Kieferorthopäde (uneingestanden) unter jenem Erschöpfungssyndrom leidet. Denn längst ist der Burn-out keine typische Krankheit der Manager und Workaholics mehr, sondern betrifft immer öfter Menschen, die in einem heilend-sozialen Beruf tätig sind: Betroffen sind insbesondere Krankenschwestern, Pfleger, Lehrer – und Ärzte. Diese Berufe stehen unter dem besonderen Druck, es möglichst allen recht machen zu wollen. Mit anderen Worten: Der Kieferorthopäde will das ausführlich-intensive Gespräch führen, aber es bleibt ihm verwehrt. Er „brennt“ für eine Sache, ist vom Idealismus beseelt, den Patienten auf einfühlsame Weise helfen zu wollen. Der Praxisalltag, die bittere Erfahrung, manchmal an die Grenzen der medizinischen Leistungsfähigkeit zu stoßen, Zeitdruck, verzweifelte Patienten, das Auf und Ab in der Gesundheitspolitik und ökonomische Zwänge führen zunächst zu einer Steigerung des persönlichen Einsatzes – bis sich Frustration einstellt, die sich in Sätzen entlädt wie: „Ich komme mir vor wie ein Maschine, die nur noch funktioniert.“ Das Gefühl des Ausgebranntseins und der inneren Leere macht sich breit. Der Kieferorthopäde sollte mithin prüfen, ob die Problematik, Patientengespräche auf Augenhöhe zu führen, nicht auf einer sehr grundsätzlichen Ebene gelöst werden müssen (siehe dazu den KN-Infokasten „Burn-out-Prophylaxe“).
Maßnahmen zur Burn-out-Prophylaxe – Widerstandskräfte stärken
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Patientenperspektive einnehmen
Was sollte der Kieferorthopäde darüber hinaus tun, damit er sich in die Welt des Patienten und des Patientenbegleiters begeben und ein Gespräch auf Augenhöhe führen kann? Wichtig ist, deren Perspektive einzunehmen und genau zuzuhören. Die Sensibilität im Umgang mit dem Patienten und die Fähigkeit, sich in seine Situation zu versetzen, kann trainiert werden. „Künftige Ärzte proben an Schauspielern“: Diese Meldung ging vor einigen Jahren durch die Zeitungen. Damit Ärzte lernen, wie sie ein gutes Gespräch mit dem Patienten führen, probten sie dies am Studienhospital in Münster mit „wirklichen“ Menschen, nämlich mit Schauspielern. Der gestellte Klinikalltag sollte den angehenden Ärzten helfen, sich praxisnah und nach dem Motto „Learning by Doing“ auf die Situation des Patienten einzulassen und das Patientengespräch auf Augenhöhe zu trainieren. Dieser Perspektivenwechsel gelingt auch, wenn sich der Kieferorthopäde in einer Trainingssituation einmal selbst auf den Behandlungsstuhl setzt und sich in eine Behandlungssituation hinein begibt. Dabei lehnt sich eine andere Person über ihn. Der Kieferorthopäde spürt am eigenen Leib, dass dies auf seine Patienten zuweilen recht bedrückend und bedrohlich wirken kann.
In dieser Übung merkt er selbst, wie verletzlich und ausgeliefert sich Patienten vorkommen können, wenn Kieferorthopäde und Helferin z.B. über eine komplizierte Fehlstellung des Kiefers fachsimpeln – und dabei so tun, also ob der Patient gar nicht anwesend sei. Nachdem sie diese Übung durchgeführt haben, reagieren manche Kieferorthopäden oft folgendermaßen: Sie vermeiden es, das Patientengespräch zu führen, solange der Patient sich auf dem Behandlungsstuhl in der waagerecht liegenden und damit quasi untergeordneten Position befindet. So signalisieren sie augenfällig, dass sie sich mit dem Patienten auf Augenhöhe begeben wollen. Der Patient fühlt sich als Individuum wahr- und ernstgenommen und spürt, dass man mit ihm spricht – und nicht über ihn. Eine ähnliche Haltung ist dann auch im Umgang mit dem Patientenbegleiter notwendig.
Am wichtigsten ist, dass sich der Kieferorthopäde bewusst wird, wie insbesondere der Elternteil z.B. die Kieferfehlstellung des jungen Patienten wahrnimmt und was dies für sein Alltagsleben bedeutet. Darum sollte er in seiner täglichen Arbeit nach Möglichkeiten suchen, die typische Arzt-Patienten-Beziehung, in der die Beteiligten völlig unterschiedliche Positionen einnehmen, aufzubrechen – etwa indem er sich immer wieder im übertragenen Sinne auf „den Stuhl des Patienten setzt“ und dessen Perspektive einnimmt.
Ein emotionales Vertrauensver- hältnis zum Patienten und dessen Begleitperson entsteht, wenn der Kieferorthopäde:
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Sich sprachlich auf Augenhöhe begeben
Gelingt jener Wechsel „auf den Stuhl“ und in die Welt des Patienten, fällt es den meisten Kieferorthopäden relativ leicht, den Patienten und dessen Begleiter als gleichberechtigte Partner anzusehen. Das primäre Ziel des Gesprächs besteht dann darin, Vertrauen aufzubauen. Dazu vermeidet der Kieferorthopäde jedes Wort und jede körpersprachliche Gestik und Mimik, die von Mutter oder Vater als Ausdruck eines Machtgefälles oder gar als Überlegenheitssignal interpretiert werden könnte. Diese Haltung bewirkt überdies, dass der Kieferorthopäde seinen Gesprächspartner auch sprachlich in den Mittelpunkt rückt und z.B. konsequent den Sie-Standpunkt einnimmt und auf diese Weise verdeutlicht: „Liebe Frau Schmitz, es geht um Ihr Kind, um Ihre Wünsche und Erwartungen, um Ihre Befindlichkeit und um die des Kindes.“ Eine Konsequenz dieser sprachlich sensiblen Haltung ist ein Satz wie: „Frau Schmitz, Ihr Kind muss Folgendes tun …“, wird ersetzt durch: „Frau Schmitz, bitte beachten Sie, dass Ihr Kind …“ Dabei mag jene Aufforderung „Das Kind muss Folgendes tun …“ gar nicht besserwisserisch gemeint sein. In dem Beispiel liegt es nicht in der Absicht des Kieferorthopäden, den Elternteil zu verunsichern. Aber: In der sensiblen Wahrnehmung der ängstlichen Patientenbegleiterin, die um ihr Kind besorgt ist, läuft vielleicht folgendes Szenario ab: „Wieso muss das so sein? Was passiert, wenn wir es nicht befolgen? Warum betont er diese Notwendigkeit überhaupt so? Besteht etwa eine Gefahr – und er will mich nur nicht beunruhigen?“
Runter vom hohen „Experten-Ross“
Aufgrund des Expertenstatus des Kieferorthopäden und seines naturgemäß größeren Fachwissens droht die Gefahr, als hochnäsig oder gar arrogant wahrgenommen zu werden. Entscheidend dabei ist nie, wie der Kieferorthopäde wirklich ist, sondern wie er auf den Patienten wirkt. Der Kieferorthopäde kann dieser negativen Wahrnehmung entgegenwirken, indem er seine (Fach)Sprache dezent und wohldosiert einsetzt und auf ein Minimum reduziert. Notwendige Fachbegriffe sollte er stets mit verständlichen Worten umschreiben. Hilfreich sind zudem Zwischenfragen: Die Antworten signalisieren ihm, ob der Patient bzw. dessen Begleitperson und er sich – immer noch – auf derselben kommunikativen Ebene befinden und nicht aneinander vorbeireden. Also: Kieferorthopäden, die ein Gespräch auf Augenhöhe anstreben, fassen das Gesagte immer wieder kurz zusammen, geben es mit anderen Worten wieder und stellen Verständnisfragen: „Haben Sie alles verstanden? Haben Sie Fragen zum Behandlungsvorschlag?“
Patienten im Wohlfühlbereich halten
Der Kieferorthopäde sollte Erklärungen mit Hinweisen untermauern, die der Lebenswirklichkeit des Patienten entsprechen und möglichst dessen Lebensumfeld entnommen sind. Dies gelingt am besten, wenn er über den Patienten informiert und dessen Persönlichkeit einschätzen kann. Dann kann er seine Vorgehensweise auf den Patienten abstimmen. Ein Beispiel: Wenn der impulsive und extrovertierte Kieferorthopäde auf den zurückhaltenden Patienten trifft, kann eine Situation entstehen, in der sich der Patient „überfahren“ fühlt. Er verlässt den „Flow-Kanal“ (nach Mihaly Czikszentmihalyi), also seinen Wohlfühlbereich. Es ist mithin der Kieferorthopäde, der den Patienten aus diesem Wohlfühlbereich hinaus katapultiert. Und das darf nicht passieren. Um den Patienten im Flow-Kanal zu halten, sollte er sich darauf konzentrieren, die Verfasstheit des Gesprächspartners zu berücksichtigen.
Fazit
Ein Gespräch auf Augenhöhe zwischen gleichberechtigten Gesprächspartnern kann entstehen, wenn der Kieferorthopäde ernsthaft bemüht ist, sich in die Vorstellungswelt des Patienten und des Patientenbegleiters zu begeben. Glaubwürdig und authentisch kommt dies aber nur an, wenn die patientenorientierte Kommunikation auf Augenhöhe nicht um ihrer selbst willen praktiziert wird, sondern der Einstellung des Kieferorthopäden entspricht, für ihn mithin wirklich das Wohl der Gesprächspartner im Fokus steht. Allerdings sind dem Willen des Kieferorthopäden, solche Gespräche zu führen, Grenzen gesetzt, weil es zu viele Verordnungen gibt, die die intensive Kommunikation mit dem Patienten und den Patientenbegleitern blockieren und geradezu verhindern.
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