Praxismanagement 12.03.2020
Wie man Praxisgründung und Familie unter einen Hut bekommt
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Das fünfjährige Zahnmedizinstudium ist geschafft! Und jetzt? Gleich Schwerpunktausbildung oder lieber erst mal in vielerlei Bereichen Erfahrungen sammeln? Und wie lassen sich Beruf und eigene Kinder vereinbaren?
Zahnärztin Rebecca Otto gibt über ihren ganz persönlichen Werdegang nach dem Studium Auskunft und bietet dabei Tipps zur Praxisgründung (mit Familie).
Die zweijährige Vorbereitungszeit als Assistent in einer vertragszahnärztlichen Praxis ist eine gute Möglichkeit, praktische Fähigkeiten zu vertiefen, und notwendig, um später eine Kassenzulassung bei der zuständigen KZV beantragen zu können. Ich habe während des Studiums die Kinderzahnheilkunde für mich entdeckt und während meiner Assistenzzeit in einer allgemeinzahnärztlichen Zahnarztpraxis mit vielen Patienten aus dem Bereich Parodontologie und Funktionstherapie umfangreiche praktische Erfahrung bei der Versorgung von Patienten aller Altersgruppen gesammelt. Ich wurde schneller und routinierter bei der Füllungstherapie, aber mein Wunsch, ausschließlich Kinder zu behandeln, blieb bestehen.
Spezialisierung
Die Weiterbildung zu einem der möglichen Fachzahnärzte bedingt eine mehrjährige fachzahnärztliche Ausbildung an einer zugelassenen Weiterbildungsstätte. Bei der jeweiligen Zahnärztekammer kann man sich nach den Modalitäten der Weiterbildungslehrgänge erkundigen. Ich habe nach meiner Vorbereitungszeit eine Stelle als angestellte Zahnärztin in einer reinen Kinderzahnarztpraxis in Hamburg angenommen. Neben meiner Tätigkeit in der Praxis habe ich noch eine curriculare Fortbildung im Bereich der Kinderzahnheilkunde absolviert. Solche Fortbildungskonzepte werden von einigen Kammern und auch der Akademie Praxis und Wissenschaft (APW) angeboten. Um später einen Tätigkeitsschwerpunkt in seiner Praxis ausweisen zu können, sind curriculare Fortbildungen oft eine Grundvoraussetzung.
Tipp: Haftpflichtversicherung
Zur Beschäftigung eines angestellten Zahnarztes bedarf der Praxisinhaber einer Genehmigung des Zulassungsausschusses der jeweiligen KZV (§ 32b ZVZ). Obwohl der Praxisinhaber gegenüber Krankenkasse und Patienten bei Behandlungsfehlern haftet, empfiehlt es sich, eine eigene Haftpflichtversicherung abzuschließen. Ebenfalls lohnt es sich, frühzeitig in eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu investieren.
Vielfältige Arbeitsverhältnisse
Wie möchte man zukünftig arbeiten? Als Angestellte in einer Praxis, Klinik oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ)? Selbstständig in eigener Praxis, als Sozius in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), mit einer Neugründung oder der Übernahme einer bestehenden Praxis? Die häufigste Form der Berufsausübung in der Zahnmedizin ist aktuell die Selbstständigkeit in einer Einzel- und Gemeinschaftspraxis. Bei der Altersstruktur waren 2017 gut zwei Drittel der Zahnärzte zwischen 31 und 40 Jahre alt.¹
Selbstständigkeit: Pro und Kons
Ein Vorteil der Selbstständigkeit ist die unternehmerische Entscheidungsfreiheit bei der Praxisführung. Nachteil sind hohe Investitionskosten – je nach Praxisform von durchschnittlich 504.000 EUR und der zu bewältigende bürokratische Aufwand¹. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Arbeitszeitgestaltung sprechen für viele Angestellte gegen die Selbstständigkeit. Aber Selbstständigkeit schafft Freiräume und Unabhängigkeit. Zudem lässt sich die eigene Einkommenssituation aktiv gestalten. Entscheidende Faktoren für den Erfolg der eigenen Praxis sind gute Vorbereitung und realistische Planung.
Notwendige Schritte für einen erfolgreichen Start in die Niederlassung
Nachdem ich mich nach zweieinhalb Jahren als angestellte Zahnärztin entschieden hatte, in die Selbstständigkeit zu wechseln, habe ich zunächst einen Businessplan für meine Idee einer Kinderzahnarztpraxis erstellt. Im ersten Schritt bedeutete dies eine Marktanalyse: Wie viele potenzielle Patienten gibt es und welche Stadt in Thüringen wäre als Standort geeignet? Weitere wichtige Inhalte sind geplante Investitionskosten und laufende Kosten – aufgeschlüsselt nach Personal und Materialkosten bis hin zu Raummieten, Kosten für Kredite, Beiträge sowie private Ausgaben.
Ich habe meine möglichen Einnahmen auf Basis der Erfahrungswerte anderer Kinderzahnarztpraxen und des Patientenpotenzials kalkuliert und auf dieser Basis berechnet, wann die Praxis rentabel sein wird. Nach Fertigstellung des Businessplans und des Konzepts bedarf es einer Finanzierung und geeigneter Räumlichkeiten. Ich habe verschiedene Banken angefragt und mich nach mehreren Gesprächen für eine Bank entschieden. Bei den Räumlichkeiten habe ich darauf geachtet, für junge Familien und auch Menschen mit Behinderung gut erreichbar zu sein, in der Praxis aber auch genügend Platz für die gesamte Familie bereitzustellen. Mithilfe der Grundrisse habe ich die Ausstattung der Räume skizziert und überlegt, ob sich hier die Abläufe und die Idee einer Kinderpraxis ver wirklichen ließen. Letztlich habe ich mich für 400 Quadratmeter entschieden, aber zu Beginn nur drei von sechs Behandlungsräumen vollständig eingerichtet.
Professionelle Unterstützung
Den Businessplan habe ich selbst verfasst und mich dabei intensiv mit den betriebswirtschaftlichen Aspekten einer Zahnarztpraxis auseinandergesetzt. Ein Steuerberater hat die Ergebnisse geprüft und bestätigt. Bei der Finanzierung habe ich auf eine Bank gesetzt, die über viel Erfahrung im Gesundheitsmarkt verfügt. Praxisplanung und Umbau sind für uns Zahnärzte sicherlich eine große Herausforderung, denn es geht nicht nur darum, eine ansprechende Praxisgestaltung zu realisieren, sondern bei der Ausstattung müssen auch spezifische Gesetze und Vorschriften beachtet werden. Ich hatte mehrere Dentaldepots und einen Projektmanager an meiner Seite. Projektmanager oder Bauleiter koordinieren die am Um- oder Ausbau beteiligten Gewerke und achten auf die Schnittstellen zwischen Handwerker und Depot.
Patientengewinnung, Qualitätsmanagement und Abrechnung
Aus zwei Großraumbüros ist so nach drei Monaten Umbauzeit die erste reine Kinderzahnarztpraxis Thüringens entstanden. Im Alter von 29 Jahren hatte ich hohe Schulden, Verantwortung für drei Mitarbeiter – und null Patienten. Zeit für Marketing. Ich habe Kollegen in meiner Stadt zur Eröffnung eingeladen. Ich habe mich ebenfalls persönlich bei allen Kinderärzten sowie Kinderpsychologen vorgestellt. Zusätzlich habe ich für verschiedene Zeitungen und Zeitschrif ten Beiträge verfasst.
Nach sechs Monaten hatte ich die in meinem Businessplan anvisierten Patientenzahlen mehr als verdoppelt. Diese sechs Monate habe ich auch genutzt, um ein Qualitätsmanagement zu installieren, ein Materialwirtschaftssystem zu implementieren und im Rahmen verschiedener Kurse meine Kenntnisse in zahnärztlicher Abrechnung zu vertiefen. In den ersten drei Jahren führte ich die Abrechnung meiner Praxis in vollem Umfang selbst durch und bin auch weiterhin tief in dieser Materie. Mittlerweile besteht die Praxis seit elf Jahren und ich beschäftige 13 Mitarbeiter. In dieser Zeit organisierte ich die Praxis mit Praxismanagerin, Rezeptionsmanagerin und Leitung des Assistenzpersonals. Diese gut organisierte Struktur der Praxis gab mir die Möglichkeit gegeben, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen und ein Kind zu bekommen. Durch meine Selbstständigkeit konnte ich bestimmen, wie lange ich arbeite und wann ich wieder einsteigen möchte. Mein Mann ist ebenfalls selbstständig und wir konnten beide unseren Arbeitsalltag selbst organisieren.
Fazit
Ich empfinde meine Selbstständigkeit als großen Vorteil, da ich voll und ganz die Freiheit besitze, mir die Arbeit einzuteilen und die anfallende Praxisbürokratie in die Schlafenszeit meines Kindes verlegen zu können. Praxisgründung und Familiengründung sind somit für mich bewiesenermaßen Projekte, welche gut mit einander vereinbar sind. Man muss sich nur umfassend vorbereiten und immer wieder organisieren. Gerade bei der Praxisgründung ist eine gezielte Vorbereitung ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Baustein für einen langfristigen Erfolg.
1 Statistisches Jahrbuch der Bundeszahnärztekammer 2018/2019.
Dieser Beitrag ist im ZWP spezial erschienen.
Foto Teaserbild: 2020 Kinderzahnärztin Rebecca Otto / Fotostudio Arlene Knipper