Praxismanagement 20.01.2022

Zahnärztinnen: Was eine gute Karriere ausmacht

Zahnärztinnen: Was eine gute Karriere ausmacht

Foto: Jacob Lund – stock.adobe.com

Die Zahnmedizin ist zunehmend weiblich und die Tendenz geht zur Festanstellung – an diesen Trends führt kein Weg vorbei. Das zeigen aktuelle Unter­suchungen zu neuen Rollen und beruflichen Entscheidungen von Frauen, die auch ein ­Umdenken in den einzelnen Praxiskonzepten erfordert. Das folgende Beispiel beschäftigt sich mit der Ausrichtung einer großen Praxis und wirft einen Blick auf die Hintergründe ­von Karriereentscheidungen.Die Feminisierung der Zahnmedizin und die damit einhergehende Tendenz zum Anstellungsverhältnis wird unter anderem durch eine forsa-Studie von 2020 im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Verei­nigung (KZV) in Baden-Württemberg bestätigt.1 ­Danach sind vor allem jüngere Zahnärztinnen unter 45 Jahre als Angestellte tätig und möchten dies auch mehrheitlich bleiben. Dazu kommt, dass viele Frauen mit dem herkömmlichen Begriff der Karriere fremdeln. Dies zeigt eine aktuelle Publikation der Bertelsmann-­Stiftung2 aus dem vergangenen Jahr. Danach erscheint eine berufliche Entwicklung er­strebenswert, in der sich die Rolle als leistungs­orientierte Fachfrau mit anderen Rollen verbinden lässt, beispielsweise als Mutter – aber auch als Führungskraft. Gestaltungsspielräume und persönliche Weiterentwick­lung werden demnach immer wich­tiger, ebenso die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Karriereentscheidungen von Frauen sind ­also vermehrt eingebettet in viel komplexere Lebens­entscheidungen, nicht nur in der Zahnmedizin. Für die Arbeitswelt heißt das: Flexibilität und Work-­Life-­Balance wer­den immer bedeutsamer. Wie sieht das konkret bei angestellten Zahnärztinnen aus? Ein Blick auf die Untersuchungen und eine große Pra­xiseinheit. 

Kollegialität steht im Vordergrund 

„Frauen wollen Karriere machen, aber nicht um jeden Preis“, heißt es in der Bertelsmann-Veröffentlichung. Wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, verlassen gut ausgebildete Frauen schon mal die Firma. Untersuchungen zeigten, dass generell nur rund 15 Prozent der Angestellten eine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber haben. Dagegen seien in Unternehmen mit „agiler Kultur“, in denen Eigenverantwortlichkeit, Wissensaustausch und Koopera­tionswillen explizit gefördert werden, 43 Prozent der Befragten emotional hoch gebunden.  Dr. Ivona Leventic, Mitglied der Geschäftsleitung bei AllDent, sagt dazu: „Auch, wenn sich Verallgemeinerungen verbieten; Frauen wollen sich in der Arbeit wohlfühlen, setzen verstärkt auf kollegialen Austausch und Zusammenarbeit.“ Nicht nur deshalb legt man in den AllDent Zahnzentren sehr großen Wert da­rauf, die Praxis in überschaubaren Gruppen zu organisieren. Team- und Fall­besprechungen der Generalisten mit den Paro-, Endo-, oder chirurgischen Spezialisten sind institutionalisiert. Hin und wieder genügt aber auch, wenn man sich bei einer Tasse Kaffee kurz bespricht oder nicht alleine aufs Rönt­genbild schauen muss. 

Die persönlichen Kontakte sollen nicht zu kurz kommen. Daher gibt es ein ­jährliches Teambudget für gemeinsame Unternehmungen. Das wird gerne ausgeschöpft, wenn nicht gerade eine Pandemie dazwischenfunkt. Klettergarten, Sommerfest oder HotRod-Safari sind zumindest schöne Erinnerungen, die man auch über Social Media oder WhatsApp miteinander teilt. 

Karriereschritte – nach oben und zur Seite

Ein Fazit aus der Bertelsmann-Publikation: Frauen gehen Karriereschritte nicht immer nach oben, sondern auch „zur Seite“, vor allem, wenn sie inhaltlich ­interessant sind. Das könnte in einer großen Einheit beispielsweise die Notdienst-Organisation bedeuten, eine Spezialisierung – etwa Endodontie oder Implantologie – aber auch der Einsatz als Mentorin für junge Kolleginnen ­oder Kollegen. 

Führungskraft ist kein Lehrberuf. Zudem hat sich das Verständnis davon ­gewandelt. Das autokratische Gehabe eines Halbgottes in Weiß ist out. Viel­-mehr geht es um Unterstützung und Ermutigung des Teams, Koordination und Weiterentwicklung. Dabei darf man nicht immer jedem gefallen wollen, muss auch mal Konflikte auskämpfen, klar und direktiv kommunizieren können. Führungsstil sei ohnehin viel stärker von Persönlichkeit und Charaktereigenschaf­-ten geprägt als von der Geschlechterfrage, so Dr. Leventic: „Diese Rolle und die dazugehörigen Aufgaben lernt man am besten, wenn man in seiner eigenen Gruppe ein Vorbild hat.“ Das frisch aufgelegte Mentoring-Programm bei AllDent könne da eine Zwischenstufe darstellen: „Gerade viele unserer jüngeren Oberärztinnen haben sich wunderbar in ihrer Position eingefunden und reißen ein ganzes Team mit Enthusiasmus und Motivation mit.“ Davon profitierten nicht nur die Gruppenmitglieder, sondern letztlich die ganze Organisation. 

Ein möglicher Werdegang

Für diese Art des Aufstiegs kann der eigene Werdegang als Beleg dienen. Ivona Leventic hat 2013 als „normale Zahnärztin“ in einem AllDent Team an­-gefangen und galt relativ schnell als Ansprechpartnerin für die jungen Kol­-legen: „Das wurde zum Glück sowohl von meinem Oberarzt als auch von der Klinikleitung entdeckt und weiter gefördert, sodass die Geschäftsleitung mir für einen neuen Standort die Leitung und den Aufbau eines neuen Zahnärzteteams anvertraut hat.“ Dies war bereits 2015. Seit 2017 ist sie Mitglied der Geschäftsleitung, zuständig für medizinische Abläufe und das Konzept an den Standorten. Auch die Bertelsmann-Publikation bestätigt die Erfahrung, dass Frauenkarrieren stark von Menschen in der Organisation abhängen, die einem etwas zutrauen, einen fördern und weiterentwickeln. Auch Zahnärztinnen formulieren oftmals keine langfristigen Karriereziele, sondern nutzen Chancen, die sich spontan anbieten. „Für die Verantwortlichen in einer rasch wachsenden Organisation bedeutet das, verstärkt Augen und Ohren offen zu halten, viel mit den Oberärzten zu reden und persönliche Kontakte zu pflegen“, heißt es in der AllDent-Geschäftsleitung. Für Zahnmedizinerinnen können sich gerade an frisch gegründeten Standorten ganz neue Möglichkeiten ergeben. 

Geld und Gestaltungsspielraum

Für Frauen sei in der Karriere nicht nur der finanzielle Aspekt entscheidend, sondern eher der dazuge­hörige Gestaltungsspielraum, so die Bertelsmann- Untersuchung. Dabei zeigt die forsa-Studie aus ­Baden-Württemberg das Problem auf: Ein Viertel der befragten Zahnärztinnen bezieht gegenüber ihren männlichen Kollegen offenbar ein geringeres Gehalt. Bei AllDent ist eine leistungsgerechte Bezahlung unabhängig vom Geschlecht selbstverständlich. Die Höhe der Vergütung ist nicht ausschließlich von der Position abhängig. „Zahnärzte mit einem langjährig aufgebauten Patientenstamm, die sehr routiniert und wirtschaftlich arbeiten, können sogar mehr verdienen als Teamleiter“, sagt Dr. Leventic. Gleichberechtigung der Geschlechter ist natürlich gegeben, „obwohl ich zugeben muss, dass über ­90 Prozent der Teamleiter, ob als Ärztinnen, in der Prophylaxe, in der Assistenz oder im Zahnlabor bei uns Frauen sind“. Bei den Zahnärzten liegt der ­weibliche Anteil deutlich über 60 Prozent, bei den Oberärzten ist der Prozentsatz ausgeglichen. 

Vereinbarkeit ist ein wichtiger Aspekt

Ein Riesenthema ist die Vereinbarkeit von Karriere mit dem Privatleben, und zwar nicht nur mit der ­Familie, sondern auch mit Projekten zur persön­lichen Entwicklung. Das kann die lang aufgeschobene Doktorarbeit sein oder das Curriculum für eine Spezialisierung. „Bei uns gibt es sogar jemanden, der nicht auf seine Teilzeittätigkeit als Flugbegleiter verzichten möchte“, verrät Dr. Leventic. 

Trotz der Vielfalt dieser Gründe liegt die mentale ­

Last der Familienarbeit immer noch verstärkt auf weiblichen Schultern. Die forsa-Studie hat ergeben, dass sich fast ein Drittel der Zahnärztinnen mit Kleinkindern gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt oder nicht genügend anerkannt fühlen. Dabei zeigen Untersuchungen wie Erfahrungswerte, dass ein familienfreundliches Klima und eine flexible Arbeitsorganisation den Boden für gute Karrieren von Müttern bereiten. 

Dr. Lena von Saldern beispielsweise bekam noch ­in der Elternzeit mit dem zweiten Kind das Angebot, als Oberärztin eines AllDent-Standortes in München durchzustarten. Organisationsfähigkeit, Belastbarkeit sowie der Mut zu delegieren – die Rolle als berufstätige Mutter schult all diese Kernkompetenzen. Sogar die berufliche Motivation profitiert von der ­Rollenvielfalt, weil man zwischen beiden Welten wechselt.

Das kann auch Dr. Leventic aus ihrer Erfahrung ­heraus bestätigen. Viele der Führungsfrauen be­richteten über mehr Gelassenheit und Effizienz im Job, seit sie ihr Leben nicht mehr ausschließlich aufs Business ausrichten: „Doch auch wenn jemand keine Fünf-Tage-Woche arbeiten kann, finden wir zusammen mit dem Klinikmanagement fast im­mer Lösungen für angepasste Teilzeitmodelle.“ Für AllDent gab es jedenfalls 2020 eine Auszeichnung für Familienfreundlichkeit in einem Ranking der ­Zeitschrift Freundin und dem Bewertungsportal kununu: „Wir bemühen uns jedenfalls, die Rahmenbedingungen für Frauen zu optimieren. Neue Kolleginnen sind hochwillkommen.“

Autorin: Anita Westphal, www.alldent-zahnzentrum-mainz.de 

Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis  erschienen.

1 https://www.kzvbw.de/wp-content/uploads/versorgungsbericht-2020.pdf

2 https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/Rollenerwartungen_V25_K.pdf

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