Psychologie 03.05.2010
Burnout – das Gefühl „ausgebrannt zu sein“
Auf Unternehmern lastet ein hoher Druck, alles zu tun, um Geld zu verdienen. Schließlich hat man die Verantwortung, Mitarbeitern regelmäßig Gehälter zu zahlen und im technischen Bereich muss auch stets investiert werden, um auf dem Laufenden zu bleiben. Und nicht zuletzt möchte man sich selbst ja auch – neben all der Arbeit – manchmal etwas gönnen. Dafür geben viele Inhaber von Dentallaboren alles, und das ist manchmal zu viel. Geld zu haben, ist beruhigend, darf aber nicht alles sein. Wer zu viel arbeitet, sich sozusagen pausenlos im Hamsterrad befindet, braucht sich nicht zu wundern, wenn irgendwann der Burnout droht.
In der heutigen Zeit sprechen wir gerne von Höchstleistung, von Kreativität, von Erfolgen und Siegen. Aber eher widerwillig realisieren wir den Preis des scheinbaren Erfolges. Nicht nur die Scheidungsrate schnellt nach oben, ebenso Depressionen, Alkohol- und Medikamentenkonsum sowie Aggressionen. Ein Wort, das oft in diesem Zusammenhang fällt, ist „Burnout“, der Zustand „ausgebrannt zu sein“. Wen wundert es, dass dieser Begriff zuerst in New York (der Stadt, die niemals schläft) im Jahre 1974 von dem Psychoanalytiker Herbert Freudenberg beschrieben wurde. Mit Burnout wird der Zustand einer intensiven psychischen oder physischen Erschöpfung beschrieben. Viele Menschen fahren mit Vollgas auf der Überholspur und sind darauf stolz. Solange es geradeaus geht, mag dies funktionieren, aber bei der ersten Kurve ist die Fahrt zu Ende. Alles hat seine Grenzen, auch unser Körper. Wenn wir diese Grenzen überschreiten, dann müssen wir mit den Konsequenzen leben.
Wie erkennt man Burnout?
Da die Menschen sehr unterschiedlich sind, zeigen sich auch ihre Krankheiten, gerade die seelischen, auf ganz unterschiedliche Weise. Psychisch finden sich Gefühle wie Schuld, Sinnlosigkeit, Versagensängste, Frustration, Wutanfälle, Unausgeglichenheit, Konzentrationsstörungen, Aggression, aber auch Gleichgültigkeit und Lustlosigkeit. Ein typisches Anzeichen ist, wenn Dinge, die einem früher sehr viel Freude bereitet haben, plötzlich keinen Spaß mehr machen und man sich sogar widerwillig Zeit dafür nimmt. Das kann Hobbys ebenso betreffen wie den Lebenspartner oder auch die eigenen Kinder. Physisch zeigen sich oft Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Verspannungen, häufige Erkältungen (Immunschwäche), Magen-Darm-Beschwerden (z.B. Sodbrennen, Durchfälle) und Herz-Kreislauf-Probleme (z.B. Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen). Soziale Folgen im Umgang mit anderen Menschen sind Zynismus, Isolation, Ehe- und Familienprobleme sowie gefühlte Einsamkeit.
Wer ist gefährdet?
Um ganz ehrlich zu sein – jeder, der diesen Artikel liest, insbesondere wenn er oder sie in einer führenden Position tätig ist. Die Dunkelziffer ist hoch und die Erhebung von genauen Zahlen schwer. Burnout zieht sich generell durch alle sozialen Schichten. In dem hier beschriebenen Zusammenhang geht es jedoch primär um Menschen, die verantwortlich sind für messbare Leistungen. Eine Vorstufe ist die Arbeitssucht, die ähnlich eines anderen Suchtverhaltens noch keine Krankheit darstellt, jedoch auf direktem Wege ins Burnout führen kann. Bei der Arbeitssucht definieren sich Menschen zu intensiv durch den operativen Alltag und die Funktionen, die sie in diesem ausfüllen. Nie gibt es Ruhe und selten eine Abwechslung, die diesen Namen verdient. Meistens wird auch die private Zeit, selbst der Urlaub, für Belange des Berufes verwendet.
Nur Stress oder schon Burnout?
Beide Begriffe und deren Bedeutung werden gerne miteinander verwechselt. Stress ist ein normaler Mechanismus des menschlichen Körpers, ohne den unsere Vorfahren nicht überlebt hätten und wir nicht geboren worden wären. Dies gilt übrigens für Dystress ebenso wie für Eustress. Zwischen beiden wird oft mit den Werten „schlechter“ und „guter“ Stress unterschieden. Für den Körper ist es erst einmal das Gleiche, nicht aber für unser Befinden, was als unangenehm oder angenehm empfunden wird.
Hier kommen wir aber auch zum Burnout als Krankheit, denn ganz gleich ob Dystress oder Eustress, beide führen über einen zu langen Zeitraum zum gleichen Ergebnis – das eine zur seelischen, das andere zur körperlichen Erschöpfung. Dieser Zusammenhang ist wichtig, denn sowohl äußere als auch innere Einflüsse können ausschlaggebend sein. Viele dieser Einflüsse produzieren ganz normalen Stress, der für das Lösen von Problemen und für das Schaffen von Werten die Grundlage wirtschaftlichen Handelns und des Berufsbildes eines Unternehmers ist. Erst wenn diese Ausnahme zur Regel wird – ganz gleich durch welche Motive (Motivation) – wird es gefährlich.
Was sind die Ursachen?
Alle Ursachen aufzuzeigen, die zu einem Burnout führen können, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Letztlich kann es jedes erdenkliche Motiv sein, das zu einer Motivation führt, die in übertriebener Weise gelebt wird. Das Wort Motivation wird generell als positiv verwendet (was es in den meisten Fällen auch ist), jedoch gibt es auch hier Schattenseiten. Sprechen wir an dieser Stelle von äußeren und inneren Motiven, die zu einem Burnout führen können. Gerade bei Menschen, die gerne etwas leisten und dazu auch fähig sind, werden die Erwartungen an sich selbst immer größer. Höher, schneller, weiter sind die Maximen der heutigen Zeit. Und ebenso wenig, wie sich die Leistung im Sport unendlich steigern lässt, verhält es sich auch im Management. Zwar hat Kreativität keine Grenzen, jedoch das Gehirn, das diese Kreativität produziert.
Es ist symptomatisch für eine kranke Zeit, dass Grenzen als etwas Schlechtes empfunden werden. Sie darf es nicht geben und die Devise lautet „Sprenge deine Grenze“. Wir leben in undifferenzierten Zeiten, denn was bei dem einen Menschen, der noch sehr weit weg von seinem tatsächlichen Limit verharrt, ein sehr guter Impuls ist, kann bei einem anderen, der schon öfter über seine Grenzen hinausgegangen ist, sehr schädlich sein. An dieser Stelle ist mehr Maß nötig und wesentlich mehr Selbstreflexion.
Das Gegenteil eines glücklichen Lebens
Im Gegensatz zu Stress hat Burnout nichts mit Begriffen wie Glück und Erfüllung zu tun. Es ist das genaue Gegenteil und weder für den Betroffenen noch für das Umfeld bereichernd. Menschen im Burnout werden emotional unausgeglichen und gegenüber anderen zynisch. So kann es auch sein, dass gute Unternehmer zugleich schlechte Führungspersönlichkeiten sind. Sie erreichen zwar jedes Ziel, aber der Preis ist sehr hoch, wenn an all das Unglück gedacht wird, das dabei in das Leben von anderen Menschen gebracht werden kann. Scheidungen, Alkohol, Einsamkeit, Drogensucht, Mobbing, zu wenig Zeit für die Kinder, um nur einige Phänomene der Neuzeit zu nennen. Erfolg und Glück gehen nicht mehr Hand in Hand. Sie werden zu etwas Gegensätzlichem. Der Beweis ist einfach. Es gibt viele erfolgreiche Menschen, die überhaupt nicht glücklich sind, und es gibt glückliche Menschen, die nicht unbedingt als erfolgreich angesehen werden. Der Sinn unseres Lebens und auch unserer Gesellschaft muss jeden Tag neu entdeckt und gelebt werden. Sinnlosigkeit führt ebenso zu Aggressionen, Depressionen und Sucht (nach Viktor Emil Frankl ist das die Trias des existentiellen Vakuums), wie auch zum Burnout, das nicht selten alle drei Komponenten enthält.
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass sich Menschen im Namen eines sinnvollen Lebens selber zu viel aufbürden (psychisch wie physisch) und dann trotz sehr sinnstiftenden Handelns in ein Burnout rutschen, ohne es zu merken. Die große Anzahl von Ärzten, die selber ausgebrannt sind, ist ein Indiz dieser These. Viele kranke Ärzte sollen anderen kranken Menschen helfen, gesund zu werden. Hier zeigen sich die Probleme unserer modernen Zeit.
Vorbeugung und Behandlung
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass bei einem manifesten Krankheitsbild, bei Depressionen und auch bei deutlichem Suchverhalten zu einer ärztlichen Therapie geraten wird. Vieles kann man selber lösen, aber manches eben auch nicht. Hier bedarf es professioneller Hilfe.
Im Folgenden sind zwölf Tipps aufgeführt, die helfen sollen, nachhaltig Leistung zu erbringen bzw. präventiv etwas zu tun, um einem Burnout vorzubeugen.
1. Seien Sie ehrlich mit sich selbst! Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zu einem glücklichen Leben. 2. Überfordern Sie sich nicht! Meist haben Menschen, die „ausbrennen“, zu hohe Erwartungen an sich und andere und werden daher oft enttäuscht. 3. Geben Sie Ihrem Leben weniger Forderungen und dafür mehr Sinn! Die wenigsten Menschen folgen einem wirklichen Sinn und setzen daher die Prioritäten völlig falsch. 4. Überdenken Sie Ihre Werte im Leben! Meistens haben wir ja kein Zeitproblem, sondern vielmehr ein Prioritätenproblem, dabei sind Prioritäten die Konsequenz gelebter Werte. Machen Sie sich bewusst, was Ihnen am wichtigsten ist und leben Sie danach! 5. Organisieren Sie sich besser! Sicher ist ein Teil der persönlichen Überlastung auch auf eine schlechte Selbstorganisation zurückzuführen – ob übervolle Schreibtische, Unordnung oder verlegte Schlüssel. Wenn Sie darunter leiden, dann organisieren Sie sich ab heute besser! 6. Praktizieren Sie ein einfaches Zeitmanagement! Zeitmanagement ist kein Allheilmittel, aber es ist als Teil einer guten Selbstorganisation wichtig. Auch wenn es zurzeit kein modisches Thema ist, seit mehr als 2000 Jahren ist es aktuell. Gehen Sie gut mit Ihrer Zeit um und lernen Sie die entsprechenden Techniken! 7. Engagieren Sie sich für realistische Ziele! Der Satz „Alles ist möglich“ ist Unsinn. Unser Leben und unser Wirken haben Grenzen. Sicher bleiben viele Menschen oft unter ihren Möglichkeiten, aber wer sagt, dass dies ein unglückliches Leben sein muss? Streben Sie nach Ihrem persönlichen Glück, gemäß Ihrer Möglichkeiten! 8. Werfen Sie Ballast ab – emotional und körperlich! Ein guter Weg, Burnout zu vermeiden, ist mit möglichst wenig Gepäck im moralischen Sinne durchs Leben zu gehen. Vereinfachen Sie daher Ihr Leben. 9. Sorgen Sie für sich selbst, durch ein Leben in Balance! 10. Verbringen Sie mehr Zeit mit Ihren Familien und Freunden! 11. Treiben Sie mehr gesunden Sport! 12. Lassen Sie öfter Ihre Seele baumeln! |
Das mag leichter klingen, als es vielleicht ist. Doch mit ein wenig Geduld und der Unterstützung durch Freunde und Familie sollte es Ihnen gelingen, jeden Tag ein kleines Stück weiter nach vorn zu gehen.
Autor: Dr. Dr. Cay von Fournier