Psychologie 28.05.2015
Eigenverantwortliche Zahnhygiene
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An dieser Stelle können Leser der langjährigen ZWP-Autorin Dr. Lea Höfel Fragen im Bereich Psychologie stellen – in Bezug auf Patienten, das Team und sich selbst. Die Fragen und Antworten finden Sie hier redaktionell aufbereitet wieder. Dieses mal geht es um die Frage, wie man langfristige Veränderungen in der Zahnhygiene beim Patienten erwirken kann. Psychologin Dr. Lea Höfel antwortet.
Anfrage: In unserer Praxis wird viel Wert auf Zahnhygiene, Reinigungstechniken und Prophylaxe gelegt. Die meisten Patienten können unsere Hinweise auch gut annehmen, bei einigen ist es jedoch schwierig, das neue Zahnreinigungsverhalten in den Alltag zu implementieren. Welche Tipps haben Sie, um diese Patienten bei der eigenverantwortlichen Zahnhygiene zu unterstützen?
Ihr Ansatz, die Patienten bei einer eigenverantwortlichen Zahnhygiene zu unterstützen, scheint überwiegend gut zu funktionieren und bei einem Teil Ihrer Klientel an der langfristigen Umsetzung ins Stocken zu geraten. Aus psychologischer Sicht können sowohl Ihre Methoden der Vermittlung der Zahnhygiene als auch Automatisierungsprozesse beim Patienten lückenhaft sein.
Methoden
Patienten sprechen auf unterschiedliche Methoden der Wissensvermittlung an. Achten Sie in Ihrer Aufklärung und Schulung darauf, verschiedene Sinnesmodalitäten anzusprechen? Manche Patienten benötigen visuelles Material, wie Bilder oder Zeichnungen. Für auditiv orientierte Patienten ist es wichtig, dass ihnen viel erklärt wird. Andere wiederum sind auf kinästhetisch-taktile Reize angewiesen und benötigen zum besseren Verständnis etwas zum Anfassen, wie Zahnmodelle oder ein Auswahl an Zahnbürsten, Zahnseide und weiterem Material. Am besten ist es, wenn Sie Ihren Patienten einen Mix aus all den genannten Methoden anbieten, dann vernachlässigen Sie sicherlich keine Sinnesmodalität. Mit ein wenig Übung erkennen Sie auch recht schnell, welche Strategie am besten ankommt und dann können Sie sich darauf konzentrieren. Aussagen wie „Ich höre Ihnen zu“, „Zeigen Sie mir, was ich tun soll“ oder „Wie packe ich das am besten an?“ weisen auf auditive, visuelle beziehungsweise kinästhetische Verarbeitungsmechanismen hin. Zusätzlich können Sie auch beobachten, welche Form der Wissensvermittlung aus kommunikativer Sicht empfehlenswert ist. Möchte Ihr Patient zahlreiche und detaillierte Informationen? Dann können Sie Schritt für Schritt aufschreiben, was er zu tun hat. Braucht er eher ein Ziel wie „gesunde und schöne Zähne“, um sich motivieren zu lassen? Dann beschreiben Sie dieses Ziel möglichst facettenreich. Wie wird es für ihn sein, schön, gepflegt und gesund zu sein? Benötigt er viel Input oder eher wenig? Die richtige Art, mit dem Patienten zu kommunizieren, kann darüber entscheiden, ob er die Informationen annimmt und umsetzt oder mit Verlassen Ihrer Praxis wieder vergisst.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier
Selbst, wenn Sie die Informationen zur Zahnhygiene auf allen Sinneskanälen und mit kommunikativer Expertise vermittelt haben, der Patient alles verstanden hat und hoch motiviert nach Hause geht, um auf dem Weg alle besprochenen Zahnpflegeartikel zu kaufen, muss das noch lange nicht heißen, dass die neuen Pflegeschritte zu einem Ritual werden. Das Gehirn kann den besten Vorsätzen einen Strich durch die Rechnung machen. Das Gehirn möchte üblicherweise so wenig Energie wie möglich verbrennen. Jede neue Handlung bedeutet eine Umstrukturierung vorhandener neuronaler Netzwerke und damit ein Mehraufwand an Energie. Das Gehirn ist zudem der Meinung, dass der Organismus bisher recht gut überlebt hat und es deshalb eine potenzielle Gefahr bedeutet, etwas an den alten Strukturen zu ändern. Faulheit und Angst vor Veränderung führen dazu, die alten Zahnpflegegewohnheiten beizubehalten. Erst mit regelmäßigem Üben können sich zarte neue Verknüpfungen im Gehirn bilden. Nach drei Wochen sind die ersten Erfolge sichtbar. Es benötigt zwischen sieben und zwölf Wochen regelmäßigen Inputs, neue und sichere neuronale Verbindungen zu erstellen, was dann einer neuen Gewohnheit entspricht. Jeder Rückfall in alte Muster reaktiviert die alten Verknüpfungen und ignoriert die neuen. Es ist wichtig, dies auch Ihren Patienten zu vermitteln. Die ersten Wochen ist es ratsam, besonders genau und regelmäßig das neue Wissen anzuwenden. Nur so kann aus einer alten ungünstigen eine neue günstige Gewohnheit werden. Sobald Sie Ihre Patienten facettenreich aufklären und Ihnen (und sich) bewusst machen, dass gut Ding Weile haben will, bin ich mir sicher, dass Sie auch die letzten Patienten dabei unterstützen können, ihre Zahnhygiene zu Hause selbst in die Hand zu nehmen.