Psychologie 19.02.2014
Erwartungshaltungen der Patienten
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Anfrage: Manche meiner Patienten kommen mit sehr hohen Erwartungen zu mir, was die zeitliche und ästhetische Machbarkeit einer Zahnbehandlung betrifft. Sie möchten innerhalb kürzester Zeit ein Lächeln wie ein Hollywoodstar, und gelegentlich gehen sie sogar davon aus, dass sich ihr Leben mit neuen Zähnen auch in diese Richtung entwickeln wird. Es freut mich zwar, dass meine Praxis den Ruf hat, schnell und professionell zu arbeiten, doch wie vermittle ich meinen Patienten, dass es auch da Grenzen gibt?
Passend zum Jahreswechsel sind „Ziele und Erwartungen“ ein gutes Thema. Es ist sicherlich schmeichelhaft und spricht für Ihre Praxis, wenn die Patienten mit hohen Erwartungen zu Ihnen kommen. Doch gerade im ästhetischen Bereich verschwimmt die Grenze zwischen großer Hoffnung und Umsetzbarkeit schnell. Was häufig bei der von Ihnen beschriebenen Patientengruppe zu beobachten ist, ist die Orientierung auf das Vorhaben „Schönheit und Ruhm“, ohne dass dabei der Behandlungsweg und eine gewisse Portion Realismus einbezogen werden. Die Patienten sehen Hollywoodstars, welche mit schneeweißem Lächeln von der Leinwand strahlen. Die Verknüpfung, die die Patienten fälschlicherweise haben können, ist, dass die Zähne zum Ruhm verholfen haben. Ich gehe davon aus, dass Sie den meisten Patienten ihre Wünsche erfüllen. Wie jedoch geht man mit den Patienten um, deren Probleme und Erwartungen eher auf psychologisch-kommunikativem als auf zahnmedizinischem Weg begegnet werden sollte?
Zeitlich unrealistische Erwartungen
Patienten, die eine Wunderbehandlung in zwei Stunden erwarten, haben meist schlichtweg kein Bild von den nötigen Behandlungsschritten. Sie haben vielleicht schon von Versprechungen wie „Schönheit an einem Wochenende“ oder „Strahlendes Lächeln in Vollnarkose“ gehört, ohne sich zu verdeutlichen, dass es auch da Beratungs- und Nachsorgetermine geben wird. Ihnen ist nicht bewusst, dass die neue 14er-Implantatreihe mit Schmerzen und Wundheilungsprozessen einhergehen wird. Der kraftvolle Biss in den grünen Apfel ist ihrer Wahrnehmung nach mit dem Erwachen aus der Narkose möglich. Solche fehlgeleiteten Informationen können Sie üblicherweise im Beratungsgespräch gut hinterfragen. Geben Sie dazu dem Patienten den Raum, seine Vorstellungen der Behandlungsschritte zu erläutern. Sie merken schnell, dass auf Wochenendbehandlung sofort das Montagslächeln folgt. An dieser Stelle ist der einzig richtige Weg, dem Patienten zu erläutern, dass das nicht möglich ist. Nehmen Sie seine Zielerwartung der schönen Zähne als Gesprächsmittelpunkt, damit er nicht enttäuscht ist. Vermitteln Sie ihm dann schrittweise, wie der Weg hin zu diesem Ziel aussieht, mit zeitlichen Angaben. Betonen Sie dabei Aspekte wie „professionelle Behandlung“, „Sicherheit, dass alles gut verheilt“ oder „so kommen Sie dem Ziel stetig näher“. Üblicherweise lassen sich die Patienten auf einen länger als geplanten Behandlungsverlauf ein, solange das Endresultat ermöglicht wird.
Ästhetisch unrealistische Erwartungen
Gerade im ästhetischen Bereich trifft man immer wieder auf Patienten, die eine verzerrte Wahrnehmung ihrer eigenen Person, der ästhetischen Möglichkeiten und deren Effekte auf das Leben haben. Die Personen verknüpfen die Unzufriedenheit mit ihrem Äußeren direkt mit der psychischen Unzufriedenheit. In Fällen einer deutlichen Missbildung ist dies auch durchaus verständlich, bei einer leichten Zahnfehlstellung ist es unwahrscheinlicher. Im ästhetischen Bereich ist inzwischen sehr viel machbar, sodass kaum jemand.mit hässlichen Zähnen durchs Leben gehen muss. Die Erwartung an ein schönes Lächeln kann erfüllt werden, was auch häufig mit einer Steigerung des Selbstbewusstseins zusammenhängt. Hängt an diesem Lächeln jedoch die Hoffnung, dass sich das gesamte Leben auf dramatische Weise zum Besseren wendet oder dass sich die eigene Attraktivität verdoppelt, ist Vorsicht geboten. Bewährt hat sich die Frage, was sich die Person von den schönen Zähnen erhofft. Nennt Sie ein Engagement im nächsten Blockbuster oder eine Schlange von Rosenkavalieren vor der Haustür, sollte der Zahnarzt Zweifel bekommen. Hilfreich ist auch die Frage nach der momentanen Selbsteinschätzung der Attraktivität auf einer Skala von 0 bis 10 (ganz hässlich bis sehr attraktiv). Schätzt sich die Person an sich schon geringer als 6 ein, ist wiederum Vorsicht geboten. Jemand, der sich selbst tendenziell als hässlich bezeichnet, profitiert häufig nicht von Zahnbehandlungen. Erwartet die Person eine Zunahme der Attraktivität um mehr als zwei Punkte, gilt das als weiteres Warnzeichen. Hier hilft nur eine direkte Kommunikation, die vermittelt, dass Sie als Zahnarzt die Erwartungen der Person nicht erfüllen können. Erläutern Sie, dass sie unterschiedliche Zielvorstellungen haben. Während der Patient eine Veränderung des Lebens erhofft, können Sie eine Veränderung der Zähne bewirken. Bleiben Sie dabei sachlich und lassen Sie sich nicht von Gefühlsausbrüchen beirren. Da das Problem eher psychischer Natur ist, wird die Person auch psychisch reagieren. Bieten Sie eventuell eine Kooperation mit einem Psychologen an, um die Ziele noch genauer herauszuarbeiten. Sie müssen ja nicht gleich sagen, dass Sie die Vermutung einer psychischen Störung haben. Ihr zahnmedizinisches Gewissen kann auf jeden Fall beruhigt sein, da Sie aus Ihrer Profession heraus alles geboten haben, um den Patienten zu unterstützen. Patienten mit überhöhten Erwartungen trifft man in jeder Zahnarztpraxis und besonders dort, wo es um ästhetische Maßnahmen geht. Den meisten kann zielführend geholfen werden und einige benötigen Unterstützung von psychologischer Seite. Dies sollte Sie dazu ermuntern, Ihre eigenen Erwartungen für 2014 hochzustecken und sich vor allem solche Patienten in Ihre Praxis zu wünschen, denen mit zahnmedizinischen Eingriffen bestmöglich geholfen werden kann.