Psychologie 02.01.2015

Keine Hypnose aufgrund religiöser Bedenken



Keine Hypnose aufgrund religiöser Bedenken

Foto: © hyperworx - Fotolia.com

Die langjährige ZWP-Autorin Dr. Lea Höfel beantwortet regelmäßig Leserfragen im Bereich Psychologie – in Bezug auf Patienten, das Team und sich selbst. Die Fragen und Antworten finden Sie hier redaktionell aufbereitet wieder. Diesmal geht es um den seltenen, aber doch interessanten Fall, dass manche Patienten aus religiösen Gründen Hypnose ablehnen. Psychologin Dr. Lea Höfel antwortet.

Anfrage: Unsere Praxis ist spezialisiert auf die Behandlung von Angstpatienten. Das Mittel der Wahl ist bei uns häufig Hypnose, was von den Patienten gern angenommen wird. Viele der ängstlichen Patienten kommen auch gut mit Ablenkungstechniken oder Entspannungsverfahren zurecht. Nun ist es schon zum dritten Mal passiert, dass Patienten Hypnose und damit assoziierte Verfahren aus Glaubensgründen ablehnen, aber dennoch eine erfolgreiche und angstfreie Behandlung verlangen. Mir ist es noch nicht gelungen, die Patienten von der (religiösen) Unbedenklichkeit von Hypnose zu überzeugen. Kennen Sie die näheren Hintergründe und wie können wir die Patienten umstimmen?

Die Ablehnung von Hypnose oder hypnoseverwandten Methoden aufgrund von Glaubensüberzeugungen ist eher unbekannt, aber nicht selten. Aus meiner Erfahrung heraus wurde ich mit dem Thema häufiger im Zusammenhang mit Entspannungsverfahren konfrontiert als in der Arbeit mit Hypnose. Dies ist wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass Menschen, die Hypnose vermeiden, üblicherweise nicht zu jemandem kommen, der Hypnose anbietet. Die Thematik „Entspannung“ ist jedoch aus keinem sportlichen, beruflichen oder privaten Bereich mehr wegzudenken, sodass es hier zum häufigeren Aufeinandertreffen kommt. Da Sie sowohl Entspannungsverfahren als auch Hypnose anbieten, kann das zu Akzeptanzproblemen vonseiten Ihrer Patienten führen, sei es aus religiösen oder anderen Gründen.

Ohne zu tief in die theologische Basis einzusteigen, wird in einigen Glaubensrichtungen Hypnose mit „Aufzwingen eines fremden Willens“, „Eingriff ins Unterbewusstsein“, „mystischem Zauberwerk“, „Magie“ oder „teuflischen Methoden“ assoziiert. Die Abstufung, ob jemand in einem tiefen hypnotischen Zustand, in einer mittelgradigen Trance oder im leichten Entspannungszustand ist, macht bei den meisten Vertretern der Glaubensrichtungen keinen Unterschied. Zu vage ist hier das Verschwimmen der Grenzen zwischen den hypnotischen Bewusstseinszuständen. Sie werden wahrscheinlich schon öfter die Erfahrung gemacht haben, dass Patienten Hypnose ablehnen. Sie empfinden sie als unheimlich. Sie haben Bedenken, nicht mehr Herr ihrer Gedanken zu sein. Sie befürchten, die Kontrolle zu verlieren. Diesen Patienten erläutern wir oft mit viel Geduld, dass sie jederzeit mitbekommen, was geschieht. Dass sie jederzeit die Hypnose unterbrechen können. Dass wir nicht in der Lage sind, sie etwas tun zu lassen, wozu sie nicht bereit sind. Dabei erhoffen wir uns Offenheit. Doch auch bei allen Erläuterungen bleiben bei diesen Patienten einige hartnäckig bei ihrer ablehnenden Haltung. Und das ist in Ordnung so. Die religiösen Gründe können wir meist weniger gut nachvollziehen als die Ängste der skeptischen Patienten. Deshalb tendiert der Mensch dazu, religiöse Gründe unbedingt widerlegen zu wollen, weil sie „nicht richtig“ sind. Wenn Sie im Internet „Hypnose und Religion“ eingeben, werden Sie sehen, dass es zahlreiche Diskussionsbeiträge zu diesem Thema gibt. Es gibt viele Gegenstimmen, die beispielsweise mit Bibelversen oder Passagen aus dem Koran unterstreichen, dass es keine expliziten Verbote gibt. Möglicherweise könnten Sie diese im Gespräch nutzen. Aber sollte man die Patienten überhaupt „bekehren“, nur weil man selbst ein Verfechter von hypnotischen Verfahren ist? Ist es nötig, sich an dieser Stelle auf solche Dispute einzulassen, um am Ende das Gefühl zu erlangen „recht zu haben“? Das können nur Sie für sich entscheiden.

Vorgehen

Fragen Sie sich, ob Sie im Rahmen Ihrer zahnärztlichen Tätigkeit ein theologisches Diskussionszentrum einführen wollen. Sollte dies eines Ihrer Ziele sein, können Sie weiterhin mit Ihren Patienten über die religiöse Legalität von Hypnose debattieren. Bei drei Patienten in den letzten Jahren ist es fraglich, ob dies Sinn machen würde. Welchen Nutzen zieht der Patient daraus und welchen Nutzen haben Sie? Wahrscheinlich werden Sie den Patienten nicht auf Ihre Seite ziehen können und Sie haben bei dem Versuch viel Zeit und Nerven investiert. Außerhalb Ihrer Praxis wird der Patient mit geringer Wahrscheinlichkeit gut über Sie reden. Wäre es da nicht angebrachter, ihm wertschätzend zuzuhören und sich darauf zu einigen, zwei Meinungen zu haben (laut Vera Birkenbihl „zweinigen“)? Sie sollten jedoch ebenso Ihren beruflichen Standpunkt klarstellen, indem Sie dem Patienten vermitteln, dass seine Wünsche nach einer angstfreien Zahnbehandlung unter diesen Voraussetzungen in Ihrer Praxis eventuell nicht erfüllt werden können. Sie haben Ihre Methoden, mit denen Sie gute Erfahrungen gemacht haben und die Sie beherrschen. Der Patient darf nun seinerseits nicht verlangen, dass Sie für ihn noch weitere ungeahnte Möglichkeiten aus der Trick- und Zauberkiste ziehen. Eine angstfreie Zahnbehandlung in Ihrer Praxis ist mit denen von Ihnen angebotenen und perfektionierten Herangehensweisen möglich. Ist er mit diesen nicht einverstanden, können Sie sich freundlich voneinander trennen und niemand fühlt sich herabgesetzt. Und wer weiß, bei solch einer Klarheit hat sich dann doch der eine oder andere Patient dazu berufen gefühlt, neue Wege zu beschreiten.

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