Psychologie 21.02.2011
Professioneller Umgang mit Kindern in der Zahnarztpraxis
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Jeder Zahnarzt kennt die Situation, dass Kinder in die Praxis kommen und dann vor Schreien und Weinen keine Behandlung zustande kommen kann. Nicht selten sind die Eltern das größere Hindernis auf dem Weg zu einem befriedigenden Ergebnis als die Kinder selbst. Wie jedoch sollte man bestmöglich mit dem ganzen Familiensystem umgehen, um sowohl die Kinder samt Eltern als auch das eigene Nervenkostüm zu schonen?
Natürlich wäre es am besten, wenn jedes Kind schon mit dem Erscheinen des ersten Zahns regelmäßig zum Zahnarzt gehen würde. Dadurch erreicht man, dass die Situation als normal und angenehm empfunden und abgespeichert wird. Es muss wahrscheinlich weder gebohrt noch gespritzt werden, sodass der Spaßfaktor eines beweglichen Stuhls und eines „Mundstaubsaugers“ überwiegt. Halbjährliche Besuche werden zur Normalität und verkörpern keineswegs ein ungewöhnliches, großes Ereignis. Diese Herangehensweise ist jedoch leider in den seltensten Fällen möglich, da das Kind erst dann zum Zahnarzt gebracht wird, wenn Probleme auftreten. Doch selbst dann ist das Kind meist von sich aus nicht ängstlich, es wird durch das Verhalten der Eltern furchtsam gemacht. Bisher weiß es nicht, was auf es zukommt, sodass eine kindliche Neugier im Vordergrund stehen sollte.
Elternfehler
Das Mitleid der Eltern mit ihren Kindern führt dazu, dass sie auf dem Weg zum Zahnarzt ihr Kind vorprogrammieren. Kaum ein Mensch geht wirklich gerne zum Zahnarzt, sodass die negativen Vorstellungen überwiegen und auf das unwissende Kind übertragen werden. Sätze wie „Du brauchst keine Angst zu haben“ oder „Du musst nicht lange tapfer sein“, lassen natürlich auch das unbefangenste Kind aufhorchen. Wieso sollte es denn überhaupt Angst haben? Auf dem Weg zum Spielplatz käme solch eine Instruktion niemals. Denn dort gibt es keinen Grund für Angst. Kinder sind schlau. Wenn ihnen gesagt wird, sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen, ist es sinnvollerweise angebracht, genau dies zu tun. Sie merken an dem angespannten Verhalten der Eltern, dass sie einem eher unfreudigen Ereignis entgegentreten. Ein weiterer Fehler, der das Misstrauen vieler Kinder anstachelt, ist die Aussicht auf eine Belohnung. Je höher die Belohnung, desto schlimmer müssen die Anforderungen sein, die vorher zu bewältigen sind. Somit sieht sich der Zahnarzt im schlimmsten Fall mit einem übermüdeten Kind konfrontiert, das die ganze Nacht vor Schmerzen nicht schlafen konnte. Weiterhin hat es inzwischen auch Angst vor dem Zahnarzt, da ihm das Verhalten der Eltern hochgradig merkwürdig vorkommt. Und zu guter Letzt muss sich der Zahnarzt mit überängstlichen Eltern auseinandersetzen, die ihr Kind eigentlich gar nicht hergeben möchten. Was ist zu tun?
Vorgehensweise
Zuerst sollte der Zahnarzt die Möglichkeit in Erwägung ziehen, das Kind beim ersten Besuch nicht zu behandeln. Vielleicht ist es sinnvoller, den primären Kontakt mit dem Behandlungsstuhl in freundlicher und entspannter Atmosphäre zu erleben, anstatt Angst auszustehen, die man jahrzehntelang nicht mehr loswird. Ein weiterer Tag mit Schmerzen oder Schmerzmitteln ist besser als eine beginnende Phobie. Soll es aber doch zur Behandlung kommen, ist ein kurzes Vorgespräch mit den Eltern angebracht. Klären Sie mit ihnen das weitere Vorgehen ab. Machen Sie klar, dass Sie selbst das Reden übernehmen und erläutern Sie, warum die gefürchteten Sätze wie „hab jetzt keine Angst“ unterlassen werden sollten. Besprechen Sie, ob die Eltern drin oder draußen bleiben. Oft geht es besser, wenn die ängstliche Mutter nicht mit im Raum ist. Jedoch sollten hier auf alle Fälle die Wünsche des Kindes akzeptiert werden. Möchte es, dass die Eltern im Raum bleiben, sollte darauf Rücksicht genommen werden. Setzen Sie das Elternteil notfalls still in eine Ecke, auch von dort kann es eine Unterstützung für das Kind sein. Verlangen Sie auf keinen Fall etwas, was Sie vorher nicht abgesprochen haben. Eine Diskussion mit den Eltern vor dem Kind ist das Letzte, was Sie und der Patient brauchen können.
Vorgespräch mit den Eltern:
- Prophylaxe vorschlagen
- Wirkung von negativen Aussagen erläutern ("Du brauchst keine Angst zu haben", "Sei tapfer")
- Klären, ob Eltern bei der Behandlung dabei bleiben
- Klären, dass der Zahnarzt redet und leitet
- Keine Diskussionen vor dem Kind
Umgang mit dem Kind:
- Ruhig und sachlich
- Erkundung des Behandlungsraums zulassen
- Ehrliche Vorbereitung auf eventuelle Schmerzen
- Klären, was stört
- Kontrollgefühl vermitteln (z.B. Handzeichen)
Auch an der eigenen Kommunikation kann gefeilt werden. Vermeiden Sie Drohungen wie „wenn du jetzt nicht still bist, geht deine Mutter raus“, damit ist niemandem geholfen. Der Satz „benimm dich wie ein richtiger Junge“ vermindert nicht die Angst, sondern das Selbstwertgefühl. Wenn Sie denken, solche Sätze würden nicht fallen, so ist das für Sie ein gutes Zeichen. Leider kommt es in der Realität häufiger vor, als man denkt. Ein guter Weg bei etwas älteren Kindern ist auch, zu klären, was die Angst auslöst. Fragen Sie danach, was nicht gefällt. Reden Sie gar nicht von sich aus von Angst. Manchen Kindern ist einfach das Geräusch des Bohrers sehr unangenehm. Hält die Mutter die Ohren zu, führt dies zwar nicht wirklich zu einer Geräuschminderung, aber das Kind hat das subjektive Gefühl, die Situation zu kontrollieren. Ist es die Angst vor Schmerzen, seien Sie ehrlich. Demonstrieren Sie mit einem Fingernagel, den Sie in den Arm drücken, dass eine Spritze kurz in dieser Art und Weise wehtut, aber danach alles gut wird. Besprechen Sie mit dem Kind, dass es kurz den Arm heben soll, wenn es zu unangenehm ist und stoppen Sie dann auch wirklich. Es hat sich gezeigt, dass die Häufigkeit des Handzeichens nachlässt, wenn konsequent darauf eingegangen wird.
Fazit
Die Behandlung von Kindern erfordert meist doppeltes Geschick, da man es mit dem Kind und den Eltern zu tun hat. Nehmen Sie sich vor der Behandlung zwei Minuten Zeit, das Vorgehen zu besprechen, und Sie werden Eltern haben, die sich ernst genommen fühlen und ihr Kind gut aufgehoben wissen. Verzichten Sie auf unwirsches Verhalten, da besonders Kinder sehr deutlich auf nonverbale Signale reagieren. Auch wenn Sie genervt sind, sollten Sie sich bewusst machen, dass ein ruhiger Umgang am ehesten zum Ziel führen wird. In diesem Fall ist der Zahnarzt wahrscheinlich der Einzige, der einen kühlen Kopf behalten wird, und dies sollte er auch tun.