Psychologie 03.05.2010

So hat der Burnout keine Chance!

So hat der Burnout keine Chance!

Foto: © Shutterstock.com

Die beruflichen Anforderungen an Zahnmediziner sind hoch, Stress und Überlastung an der Tagesordnung. Gerade Zahnärzte, die mit hohen Idealen an ihre Arbeit gehen, viel und engagiert arbeiten und einen hohen Verantwortungsdruck tragen, laufen Gefahr, durch die Dauerbelastungen ständig über ihre Grenzen zu gehen. Dazu wird der hoch strukturierte Arbeitsalltag von vielen Zahnärzten als einengend, unflexibel und wenig kreativ empfunden. Irgendwann kann dann das diffuse Gefühl die Oberhand gewinnen, dass einem „alles irgendwie zu viel“ wird.

Werden die ersten Warnsignale übergangen und fehlt ein zufrieden stellender Ausgleich, um sich in einem inneren Gleichgewicht zu halten, ist ein „Burnout“ nicht mehr weit. Leider wird das langsame „Ausbrennen“ oftmals als Begleiterscheinung des beruflichen Alltags fehl interpretiert.

Zeigt sich auf allen Ebenen

Ein „Burnout“ bezeichnet seit den 70er Jahren eine Gruppe von Symptomen, die auftreten, wenn Menschen durch starke Belastungen im Laufe der Zeit „ausbrennen“. Burnout-Erscheinungen können sich auf allen Ebenen zeigen: somatisch, vegetativ, psychisch und sozial. Werden die ersten Burnout-Signale, wie dauernde Erschöpfung oder Lustlosigkeit ignoriert, hat man den Eindruck, „nicht mehr abschalten“ zu können und die Symptomatik verschärft sich.

Später kommen körperliche Symptome hinzu, die von Verspannungen über Kopfschmerzen bis hin zu Herzerkrankungen oder einer Bandscheibenproblematik reichen. Die Suchtanfälligkeit für allgemein tolerierte und zugängliche Suchtmittel wie Alkohol, Nikotin und Tabletten steigt, um zeitweilig und kurzfristig der inneren Leere zu entkommen.

Selbst wenn der Praxisalltag noch aufrecht erhalten wird, „funktioniert man“ nur noch, Interesse und Engagement sind ohne echte innere Beteiligung. Ein Klima der Gleichgültigkeit macht sich breit, das sich auch gegenüber Freunden und Familie zeigt. Diese Distanzierung zu sich selbst und zu anderen kann Einsamkeitsgefühle hervorrufen und sich bis zu einem tiefen Misstrauen gegen die Umwelt entwickeln. Eine existentielle Resignation und Hoffnungslosigkeit macht sich breit, Lösungen sind kaum noch denkbar. In den schlimms­ten Fällen kann dies bis hin zur Erwerbsunfähigkeit und Selbstaufgabe führen.

Einschleichende Burnout-Symptomatik:

• Erschöpfungsgefühl, Müdigkeit und Konzentrationsmangel
• Ein Gefühl der emotionalen Leere und Erstarrung
• Mangelndes Einfühlungsvermögen in Gefühle und Bedürfnisse anderer
• Frustration, Desillusionierung und Gereiztheit
• herabgesetzte Belastbarkeit und Funktionieren im Alltag
• Angst- und Beklemmungsgefühle
• Ein vermindertes Interesse an Sex
• Nervosität, Anspannung und Schlafstörungen
• Muskelverspannungen und Kopfschmerzen

Ausprägung und Verlauf des Burnout sind individuell verschieden und hängen stark vom Einzelnen, seinen Arbeits- und Lebens­umständen sowie seinem Umfeld ab. Häufig wird die Symptomatik so lange ignoriert, bis erste körperliche Beschwerden auftreten. Der Burnout-Verlauf wird oftmals erst
rückwirkend erkannt.

Professionelle Hilfestellung

Je später man einen Burnout-Verlauf aufdeckt, um so wichtiger wird die professionelle Hilfestellung. Burnout-Experten, wie z.B. ein Coach, Supervisor oder Psychotherapeut kann den Weg aus dem Burn­out begleiten, Unterstützung und Hilfestellung leisten. Die Sitzungen erfolgen i.d.R. unter dem Aspekt der Ganzheitlichkeit. Gemeinsam wird ein Befund erhoben und die Ausgangslage definiert. Der Hintergrund des Burnoutgeschehens wird aufgedeckt, Zusammenhänge erschlossen, Eigenanteile analysiert und den Burnout begünstigende Faktoren ermittelt. Viele Burn­out-Klienten haben bereits in ihrer Kindheit gelernt, Anerkennung vorwiegend über Leistung zu finden. In der Beratung kann dabei u.a. die Vermischung elterlicher und eigener Ansprüche auseinander dividiert werden.

Daneben wird i. d. R. Wert auf die Kontakt- und Beziehungsfähigkeit gelegt sowie auf die Förderung der Körperwahrnehmung und der Konfliktfähigkeit. Eingefahrene Denkmuster werden aufgedeckt und Raum für Lebendigkeit und Kreativität geschaffen. Oftmals erlernen Klienten auch Entspannungstechniken, da die Ausflüge in die Fantasie zu einer Auszeit verhelfen, den Stress abbauen helfen und neue Kraft geben. Hat man etwas Distanz zur eigenen Situation aufgebaut, und sich auf seine Ressourcen besonnen, kann man sich neue Blickwinkel der alten Situation zugänglich machen. Das Leben kann neu gestaltet und neue Ziele anvisiert werden. Ein neuer, erfüllter Lebensabschnitt kann beginnen.

Verantwortung übernehmen

Wer nicht ausbrennen will, muss etwas tun und zwar rechtzeitig. Die Anfangssituationen lassen sich sicherlich auch noch ohne fremde Hilfe regulieren. Dazu ist es wichtig, ein Lebenskonzept zu realisieren, in dem sowohl privat als auch beruflich eine ausgewogene Befriedigung aller Grundbedürfnisse gewährleistet ist. Denn eine Ausgewogenheit zwischen persönlichem Gleichgewicht und beruflicher Leistungsfähigkeit ist die Voraussetzung für den Erhalt von Gesundheit und Wohlbefinden.

Lösungsansätze für den Zahnarzt:

• Beobachten Sie Ihre Belastungsfaktoren: sowohl berufliche als auch private
und identifizieren Sie die Ursachen. Hilfreich kann ein Selbstbeobachtungsbogen sein, in den auslösende Situationen und Beschwerden eingetragen werden.

• Schaffen Sie ein gutes Arbeitsklima: Überprüfen Sie die Strukturen.
Beziehen Sie dabei das Team in internen Workshops oder unter Supervision
bzw. Coaching mit ein.

• Entlastung schaffen: bei Bedarf durch Neueinstellungen wie z.B. einen
Assistenzarzt, Kompagnon, Prophylaxehelfer oder Praxismanager.

• Arbeitszeiten an den eigenen Rhythmus anpassen: besonders gut in einer
Gemeinschaftspraxis umzusetzen.

• Integrieren Sie positive Erlebnisse und Aktivitäten in den Arbeitsalltag:
Wenn Sie keine Ideen haben, beziehen Sie das Praxisteam oder die Familie mit ein.

• Überprüfung der eigenen Anspruchshaltung und des Leistungsideals: Gleichen Sie ursprüngliche Hoffnungen und Erwartungen mit der heutigen Realität ab.

• Setzen Sie sich Ziele: welche Änderungswünsche sollen bis wann umgesetzt
sein? Dabei sollten die Ziele auch erreichbar sein.

• Ausgleichende Tätigkeiten suchen: Haben Sie Hobbys, ein tragfähiges soziales Netz, familiären Rückhalt? Wenn nicht, beleben Sie alte Freundschaften, suchen sich einen Verein, ein Ehrenamt; probieren Sie Verschiedenes aus.

• Fordern Sie Ihren Körper zum Ausgleich und zur Regeneration: ernähren Sie sich gesund, gehen Sie regelmäßig spazieren, treiben Sie Sport.

• Schreiben Sie direkt auf, was Ihnen noch dazu einfällt.

Der Zahnarzt, das Team und die Patienten sind direkt oder indirekt aufeinander angewiesen. Für den Zahnarzt ist daher besonders wichtig, auf Dauer im persönlichen Gleichgewicht zu bleiben, durch seine Persönlichkeit qualifiziertes Personal langfristig an eine vielseitig interessante Praxis zu binden und den Patienten echtes Interesse entgegenzubringen. So werden sich Zahnarzt, Mitarbeiter und Patienten in einem guten Betriebsklima mit Respekt und Anerkennung gegenübertreten. Das kostet zwar vor allem Mühe und Zeit, eventuell auch Geld-, aber der Gewinn an Lebensfreude, Persönlichkeitsentfaltung und Kreativität ist nicht mit dem Dauerzustand eines 13-Stunden-Praxis-Arbeitstages zu vereinbaren.

Stabile Praxisbedingungen, Rückhalt durch die Familie und die innere Ausgeglichenheit sorgen dafür, dass ein Zahnarzt die Schwierigkeiten und Probleme des Praxisalltags besser meistern kann. Wer diese Selbstverantwortung für sich und das Gleichgewicht seiner Bedürfnisse übernimmt, gerät auch durch äußere Schwierigkeiten nicht so schnell aus dem inneren Gleichgewicht.

So hat der Burnout keine Chance!

Autorin: Dörthe Huth


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