Psychologie 07.11.2011

Umgang mit schwierigen Patienten in der Zahnarztpraxis



Umgang mit schwierigen Patienten in der Zahnarztpraxis

An dieser Stelle können unsere Leser der langjährigen ZWP-Autorin Dr. Lea Höfel Fragen im Bereich Psychologie in Bezug auf Patienten, das Team und sich selbst stellen. Die Fragen und Antworten finden Sie dann redaktionell aufbereitet hier wieder. In dieser Ausgabe der ZWP gibt Dr. Lea Höfel wertvolle Tipps zum Umgang mit schwierigen Patienten, die ängstlich und unzufrieden in die Zahnarztpraxis kommen.

 

Anfrage:

 Mir kommt es so vor, als ob die Anzahl an psychisch kranken Menschen in meiner Praxis zunimmt. Immer häufiger kommt es zu Situationen wie hysterisches Schreien, extreme Ängstlichkeit oder Unzufriedenheit mit dem Ergebnis trotz umfangreicher Beratung. Es ist schwer zu beschreiben, doch ich bin mir sicher, dass dieses Verhalten nicht mehr als normal eingestuft werden kann. Ich denke, wir haben als Praxis durchaus den Ruf, sehr gut mit allen Patienten umzugehen und uns viel Zeit für Gespräche zu nehmen. Inzwischen bin ich jedoch mit diesen schwierigen Patienten überfordert. Warum gibt es immer mehr dieser Patienten und sollte ich sie behandeln?

Mit Ihrer Beobachtung, dass die zahnärztliche Klientel aus psychologischer Sicht schwieriger zu werden scheint, stehen Sie nicht alleine. Bis vor ein paar Jahren waren es überwiegend Angstpatienten, die das psychologische Geschick des Zahnarztes auf die Probe stellten. Mit etwas Fingerspitzengefühl für die Ängste und einer wohlwollenden Einstellung dem Patienten gegenüber konnten die meisten Zahnarztpraxen gut damit umgehen und Behandlungserfolge erzielen. Auch meine Arbeit begann ursprünglich mit der Betreuung von Angstpatienten und weitet sich zunehmend auf das Coaching von psychisch „interessanten“ Patienten aus. Woher dieser Trend kommt, ist nicht eindeutig und kann viele Gründe haben. Einige meiner Beobachtungen möchte ich gerne mit Ihnen teilen.

Ästhetische Zahnheilkunde

Am häufigsten begegnet mir diese Klientel in der ästhetischen Zahnheilkunde. Dort kann es natürlich verstärkt vorkommen, dass die Patienten nicht wirklich ein ästhetisches Problem haben, sondern ein psychisches. Sie denken, durch ein schöneres Aussehen phänomenale Erfolge im Leben zu erzielen, was in den meisten Fällen nicht eintritt. Sicherlich hilft ein schöneres Aussehen dem Selbstbewusstsein, in manchen Berufsgruppen ist ein perfektes Äußeres durchaus wichtig und das Lachen wird strahlender. Handelt es sich jedoch um ein psychisches Problem wie beispielsweise Depression oder Körperwahrnehmungsstörung, so liegt die Ursache ganz bestimmt nicht im Mund. Die Patienten verhalten sich insgesamt aufgrund ihres Befindens auffälliger (z.B. das von Ihnen beschriebene hysterische Verhalten) und sind im Nachhinein nicht zufrieden, was Sie ebenfalls anmerken. Die Unzufriedenheit rührt jedoch nicht von Ihrer Arbeit her, sondern liegt darin begründet, dass sich das Leben nun nicht schlagartig verbessert. Da der Patient seine Hoffnungen jedoch in die schönen Zähne gelegt hat, sind aus Sicht des Patienten als logische Schlussfolgerung die Zähne nicht schön genug. Diese Enttäuschung kann den Patienten soweit treiben, dass er den Zahnarzt verklagt.

Stellenwert der Berufsgruppe

Einen weiteren – nicht wissenschaftlich belegten – Grund sehe ich zusätzlich in dem geringeren Ansehen und Stellenwert der ärztlichen Berufe. Galten (Zahn-)Ärzte noch vor nicht allzu langer Zeit als Götter in Weiß, so hat sich dieses Bild gewandelt. In den Medien kursieren mehr Informationen über Ärztepfusch, Abzocke und erschummelte Doktortitel, als dass die Fortschritte und Erfolge ins positive Licht gerückt werden. Das Internet gibt zusätzlich Informationen, die den Laien oft mehr verwirren als aufklären. Der Patient hat allgemein weniger Vertrauen in Ärzte. Dies führt wiederum dazu, dass mehr diskutiert und die Arbeit argwöhnisch hinterfragt wird.

Ablenkungsmanöver

In Ihrer Situation nehme ich zusätzlich an, dass Sie sich den Ruf erarbeitet haben, sich viel Zeit für Ihre Patienten zu nehmen. Dies war vor einem Jahrzehnt in der Zahnheilkunde kaum denkbar, weshalb die Patienten es nicht zu nutzen wagten. Inzwischen beobachte ich zunehmend, dass Patienten das Gespräch dazu verwenden, um von der Behandlung abzulenken und diese dadurch hinauszuzögern. Ist es möglich, dass Sie in solchen Situationen manchmal nicht mehr ganz die zahnärztliche Kurve kriegen? Selbst ich in meiner Rolle als Psychologin lasse mich nicht auf lange Gespräche ein, da das Ziel eine Zahnbehandlung sein soll. Alles, was in diese Richtung weist, unterstütze ich. Alles, was davon abweicht, bremse ich aus. Angstpatienten sind hier besonders einfallsreich. Das kann schlicht damit beginnen, dass sie ein Thema nach dem anderen aus ihrem Ablenkungsfundus fischen. Falls das nicht hilft, greifen sie auch gerne einmal zu drastischeren Methoden wie Lautwerden, Schimpfen oder Weinen. Spätestens dann haben sie den netten Zahnarzt für weitere fünf Minuten unter Kontrolle.

Fazit

Es gibt nur sehr wenige psychische Auffälligkeiten, bei denen ich dem Zahnarzt von einer Behandlung abraten würde. Diese erkennt der Zahnarzt jedoch auch häufig selbst, weil sie fernab von jeder Realität sind. Einem Patienten, dem die Zähne zu wachsen scheinen, kann nicht durch eine Extraktion geholfen werden. Wunderschönen Patienten, die sich abgrundtief hässlich finden, können Sie mit einer Zahnbehandlung nicht zufriedenstellen. Patienten, die grundsätzlich nichts unterschreiben wollen, weil sie dann ein Todesurteil ausgeführt durch die Mafia unterzeichnen würden, sind auch eher unter Vorbehalt zu behandeln. Da Sie gut mit Patienten umgehen können, sind alle anderen kein Problem – solange Sie sich nicht zu sehr in Gespräche verwickeln lassen.

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