Recht 19.06.2012

GOZ 2012: Droht den Zahnärzten eine Umsatzsteuerbelastung?

GOZ 2012: Droht den Zahnärzten eine Umsatzsteuerbelastung?

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Nach der Neufassung des § 2 Absatz 3 Satz 1 der GOZ 2012 müssen nunmehr sämtliche Verlangensleistungen nach § 1 Absatz 2 Satz 2 GOZ und ihre Vergütung in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden. In der steuerrechtlichen Literatur wird inzwischen diskutiert, welche Auswirkungen diese Neuerung auf die umsatzsteuerliche Beurteilung der zahnärztlichen Leistungen hat. Verunsicherung der Zahnärzteschaft ist die Folge. Mit diesem Beitrag sollen dem Zahnarzt der Hintergrund der Diskussion und das mögliche Problem sowie die umsatzsteuerliche Strategie gegenüber den Finanzämtern erläutert und Lösungen aufgezeigt werden.

Die zahnärztliche Praxis (Einzel- oder Gemeinschaftspraxis) ist ein Unternehmen im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, weil nachhaltig (zahnärztliche) Leistungen gegen Honorar erbracht werden. Damit unterliegen die Leistungen grundsätzlich zunächst einer Umsatzsteuerpflicht. Allerdings sieht das Umsatzsteuergesetz aus den verschiedensten wirtschaftspolitischen, sozialen oder anderen Gründen eine Vielzahl von Befreiungen von der Umsatzsteuer vor.

„Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" sind nach § 4 Nr. 14 Buchstabe a) des Umsatzsteuergesetzes von der Umsatzsteuer befreit. Zweck der Umsatzsteuerbefreiung ist es, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung durch die Entlastung von der Umsatzsteuer zu senken und dadurch einerseits die Sozialversicherungsträger zu entlasten und andererseits dem Bürger den Zugang zu diesen Leistungen zu erleichtern.

Umsatzsteuerliche Grundsätze

Umsatzsteuerfreie „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" sind Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die von der Umsatzsteuer befreiten Leistungen müssen dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dienen. Dies gilt unabhängig davon, um welche konkrete heilberufliche Leistung es sich handelt (Untersuchung, Attest, Gutachten usw.), für wen sie erbracht wird (Patient, Gericht, Sozialversicherung o. a.) und wer sie in der Praxis erbringt (freiberuflicher oder angestellter Zahnarzt).

Heilberufliche Leistungen sind daher nur umsatzsteuerfrei, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

Nicht von der Umsatzsteuer befreit sind danach die Leistungen eines Zahnarztes, die in keinem Zusammenhang mit einer Behandlung stehen, z. B. schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit, Vortragstätigkeit oder Lieferungen von Hilfsmitteln, z.B. Zahnbürsten usw. Auch die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen, anderen Waren der Zahnprothetik sowie kieferorthopädischen Apparaten und Vorrichtungen ist von der Umsatzsteuerbefreiung ausgeschlossen, soweit die bezeichneten Gegenstände in der Praxis des Zahnarztes (dem Unternehmen) hergestellt oder wiederhergestellt werden (Stichwort: „Eigenlabor"). Dabei ist es unerheblich, ob die Arbeiten vom Zahnarzt selbst oder von angestellten Personen (z.B. einem angestellten Zahntechniker) durchgeführt werden. Eigenlaborleistungen unterliegen allerdings einem ermäßigten Steuersatz von 7%.

Nicht von der Umsatzsteuer befreit sind auch ärztliche Leistungen, soweit kein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Das trifft insbesondere für „Schönheitsoperationen" und Leistungen der „Wellness" zu. Gerade bei ästhetisch-plastischen Leistungen gehen die Finanzämter dann von einer Umsatzsteuerpflicht aus, wenn die Kosten regelmäßig nicht durch Krankenversicherungen übernommen werden. Bei Zahnärzten sind daher Leistungen der Zahnästhetik wie z. B. Bleaching, Versorgung gesunder Frontzähne mit Veeners aus kosmetischen Gründen usw. mit 19% umsatzsteuerpflichtig.

Eine Umsatzsteuerbefreiung ist die Ausnahme von dem Regelfall der Umsatzsteuerpflicht. Die Beweislast für das Vorliegen einer Heilbehandlung und damit die Befreiung von der Umsatzsteuer liegt beim Zahnarzt. Er muss also im Zweifelsfall nachweisen, dass bei seinen Leistungen jeweils ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stand. Gelingt dies nicht, drohen Umsatzsteuernachzahlungen.

Verlangensleistungen nach GOZ 2012 aus umsatzsteuerlicher Sicht

Leistungen nach § 1 Absatz 2 Satz 2 GOZ sind Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehen; sie dürfen nur berechnet werden, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind. Dies hat sich vom Wortlaut gegenüber der GOZ 1987 nicht geändert. Nach den Ausführungen im Kommentar der BZÄK (Stand 20.01.2012) zur GOZ sind solche Leistungen z.B. Leistungen, die ausschließlich kosmetischen Zwecken dienen oder aus anderen Gründen nicht zu Heilzwecken erbracht werden. Nicht unter diese Kategorie fallen Leistungen, die ästhetisch und zugleich zahnmedizinisch veranlasst sind, selbst dann, wenn der ästhetischen Motivation ein besonderes Gewicht zukommt.

Über das Maß der zahnmedizinisch notwendigen Behandlung hinausgehende Leistungen - und ihre Vergütung - müssen laut Kommentar der BZÄK, um einen Honoraranspruch begründen zu können, vom Patienten ausdrücklich verlangt und nach § 2 Absatz 3 GOZ in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden. Aus diesem Grund wird in der steuerrechtlichen Literatur die Auffassung vertreten, dass hierdurch für die Finanzämter eine erhöhte Transparenz zur Abgrenzung umsatzsteuerfreier und umsatzsteuerpflichtiger Leistungen geschaffen wurde. Zum Teil wird sogar diskutiert, ob Verlangensleistungen grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig sind.

Unterliegen Verlangensleistungen also der Umsatzsteuer?

Diese Frage lässt sich nicht pauschal und derzeit auch nicht abschließend beantworten. Grundsätzlich liegt für Finanzbeamte im Einzelfall der Schluss nahe, dass „über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung" hinausgehende Leistungen auch Leistungen ohne ein therapeutisches Ziel im umsatzsteuerlichen Sinne sind. Hiermit werden im Einzelfall Zahnärzte in Zukunft sicherlich konfrontiert werden.

Das Steuerrecht ist in dem Punkt aber komplexer. Die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse ist zwar ein Indiz für die Umsatzsteuerfreiheit der zahnärztlichen Leistungen, aber aus der fehlenden Kostenübernahme lässt sich nicht automatisch auf die Umsatzsteuerpflicht schließen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die professionelle Zahnreinigung (PZR) als wissenschaftlich anerkannter Teil der zahnärztlichen Prophylaxe. Eine regelmäßige PZR dient dem Schutz der Zahngesundheit des Patienten und damit einem therapeutischem Ziel, unabhängig davon, dass die Leistungen zu den Eigenleistungen gehören und das Honorar privat gezahlt werden muss. Die PZR ist daher von der Umsatzsteuer befreit.

Selbst die Auslegung der GOZ ist nicht eindeutig, was wirklich „über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung" hinausgeht.

Gemäß Kommentar der BZÄK unterwirft die Neufassung - anders als bisher - alle Verlangensleistungen dem HKP-Erfordernis, also auch jene, die in den Gebührenverzeichnissen von GOZ oder GOÄ enthalten sind. Bei einer Auseinandersetzung mit dem Kommentar der BZÄK zum Beispiel zu den GOZ-Ziffern 1000 ff. oder 4000 ff. wird klar, dass es auch um eine Limitierung der Abrechungsfähigkeit geht und diese Limitierung nicht immer den medizinischen Erfordernissen entspricht. Solche Leistungen, die einem medizinischen Erfordernis entsprechen, aber als Verlangensleistungen zu berechnen sind, weil sie die limitierte Anzahl überschreiten, werden sehr wohl einem therapeutischem Ziel im umsatzsteuerlichen Sinne dienen.

Des Weiteren stellt sich die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung solcher Leistungen, die zwar einer medizinischen Notwendigkeit entspringen, die aber im Rahmen der Gesamtmaßnahme letztendlich auch eine ästhetische Motivation beinhalten.

Praktisches Beispiel „Versorgung mittels Brackets"

Der Kommentar der BZÄK führt im Kapitel G zu kieferorthopädischen Leistungen aus, dass in den Leistungen nach den Nummern 6100, 6120, 6140 und 6150 kieferorthopädische Standardmaterialien (wie zum Beispiel unprogrammierte Edelstahlbrackets, unprogrammierte Attachments und Edelstahlbänder) inbegriffen sind und nicht gesondert berechnet werden können. Bei der Verwendung aufwendigerer Materialien können dagegen die entstehenden Mehrkosten hierfür gesondert berechnet werden, sofern dies mit dem Patienten/Zahlungspflichtigen zuvor schriftlich vereinbart wurde. Hierfür ist eine persönliche Absprache gefordert. Die Vereinbarung über die Verwendung besonderer Materialien bedarf der Schriftform und ist im Übrigen nicht an die Anforderungen des § 2 Abs. 1 und 2 GOZ gebunden. Sofern es sich dabei um Materialien handelt, deren Verwendung medizinisch nicht notwendig ist, werden sie als Verlangensleistung nach § 2 Abs. 3 GOZ vereinbart. Bei der Berechnung der Mehrkosten werden die Kosten dafür benannt und die Kosten für die Standardmaterialien davon in Abzug gebracht. Die Vereinbarung muss den Hinweis enthalten, dass eine Erstattung durch Kostenträger möglicherweise nicht im vollen Umfang gewährleistet ist.

Neben der Versorgung mit kieferorthopädischen Standardmaterialien werden in der Zahnarztpraxis regelmäßig aufgrund der Weiterentwicklung kieferorthopädischer Apparaturen und Materialien höhere Standards angeboten, wie beispielsweise die Versorgung mit programmierten Edelstahlbrackets, Minibrackets, „ästhetischen" Brackets aus zahnfarbenen Materialien (Keramik, Kunststoff) oder Lingualbrackets auf den Zahninnenseiten oder sogar alternativ eine Behandlung mit einer Reihe fast unsichtbarer, herausnehmbarer dünner durchsichtiger Kunststoffschienen ("Invisalign").

Unterliegen nun die Mehrkosten über die Standardmaterialien hinaus der Umsatzsteuer? Wird vielleicht sogar die gesamte Behandlung umsatzsteuerpflichtig, weil eine ästhetische Motivation hinzu gekommen ist?

Für die umsatzsteuerliche Beurteilung kann unseres Erachtens auf ein Urteil des Finanzgerichtes Münster vom 8.10.2009 (Az. 5 K 3452/07) zurückgegriffen werden. In dem entschiedenen Fall ging es um die Frage der Umsatzsteuerfreiheit von LASIK-Operationen im Bereich der Augenheilkunde. Im Fokus standen damit ebenfalls Leistungen, die infolge einer Fehlsichtigkeit medizinisch indiziert waren, aber gleichzeitig häufig auch eine ästhetische Motivation, nämlich keine Brille mehr tragen zu müssen, beinhalten.

Das Urteil lässt sich für Zahnärzte als Argumentationshilfe gegenüber den Finanzämter wie folgt übersetzen.

Die kieferorthopädischen Leistungen bei Zahnstellungs- bzw. Kieferanomalien dienen dem Zweck des Schutzes der menschlichen Gesundheit. Die Versorgung ist daher vom Hauptzweck medizinisch indiziert. Ohne diese medizinische Indizierung wäre die Leistung insgesamt nicht notwendig und vom Patienten in Anspruch genommen worden. Maßgebend für die umsatzsteuerliche Qualifizierung einer Leistung als „heilberufliche Tätigkeit" ist das jeweils mit der Leistung verfolgte Ziel. Nur wenn eine Leistung in einem Zusammenhang erbracht wird, der den Schluss zulässt, dass ihr Hauptziel gerade nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist, scheidet eine Umsatzbefreiung aus. Dies ist aber bei kieferorthopädischen Leistungen im Sinne der GOZ nicht der Fall; diese dienen zur Heilung einer Krankheit. Die Verwendung anderer hochwertigerer Materialien und Behandlungsmethoden mag für den einzelnen Patienten unter Umständen auch einen ästhetischen und kosmetischen Zweck erfüllen. Dieser überlagert aber in keinem Fall den vorrangigen Zweck der dauerhaften Heilung der Zahnstellungs- bzw. Kieferanomalien.

Die einheitliche Leistung einer kieferorthopädischen Behandlung lässt sich im Umsatzsteuerrecht unseres Erachtens auch nicht künstlich in zwei Teile aufspalten, in eine umsatzsteuerfreie Leistung „Heilbehandlung" und eine umsatzsteuerpflichtige Leistung „Ästhetik". Aus Sicht des Patienten handelt es sich nicht um mehrere selbständige Hauptleistungen sondern um eine einheitliche Leistung, die medizinisch indiziert ist und zu der im Rahmen der Umsetzung auch ggf. eine ästhetische Motivation hinzutritt. Auch der Umstand, dass die Mehrkosten der Behandlungen von den Krankenkassen nicht übernommen werden, steht der Steuerfreiheit nicht entgegen.

Die gleiche Argumentation lässt sich auch auf andere zahnärztliche Leistungen übertragen wie z. B. die Zahnfüllung mittels Amalgam oder alternativ mit Inlays aus Gold, Keramik oder Kunststoff.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung für die Praxis

Zahnärztliche Leistungen sind nur dann von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie einem therapeutischem Ziel dienen, also medizinisch indiziert sind. Leistungen z.B. aus Gründen der Zahnästhetik sind daher nicht von der Umsatzsteuer befreit und das Honorar unterliegt der Umsatzsteuer mit 19%. Die Befürchtung in der steuerrechtlichen Fachliteratur ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass im Einzelfall Finanzbeamte die Auffassung vertreten könnten, Verlangensleistungen seien umsatzsteuerpflichtig, weil sie entsprechend dem Wortlaut der GOZ „über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehen". Dem ist aber entschieden zu widersprechen, soweit die Verlangensleistungen einem medizinischen Erfordernis entsprechen oder die Leitungen zwar auch ästhetisch motiviert, zugleich aber zahnmedizinisch veranlasst sind. Dem Zahnarzt und seinem Steuerberater kann nur zur Auseinandersetzung mit dem Finanzamt und einer Klärung vor dem Finanzgericht geraten werden.

Bei Leistungen aus Gründen der Zahnästhetik, bei denen also die ästhetische Motivation eine wesentliche Rolle spielt, sollte der Zahnarzt soweit möglich und am Gesundheitsmarkt umsetzbar die Umsatzsteuerbelastung in seine Honorargestaltung mit einkalkulieren. Allerdings sollte auf keinen Fall in den Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen werden, denn es gilt: Wer in einer Rechnung Umsatzsteuer ausweist, schuldet diese dem Finanzamt unabhängig davon, ob diese von der Umsatzsteuer befreit gewesen wäre.

Ergänzender Hinweis: Kleinunternehmerregelung

Die zahnärztliche Praxis, die zu einem weit überwiegenden Teil umsatzsteuerfreie zahnärztliche Heilbehandlungsleistungen erbringt und nur zu einem sehr geringen Teil umsatzsteuerpflichtige Leistungen, kann in den Genuss der so genannten Kleinunternehmerregelung kommen. In dem Fall wird die Umsatzsteuer trotz der bestehenden Umsatzsteuerpflicht nicht erhoben und ist nicht an das Finanzamt abzuführen.

Voraussetzung ist, dass die maßgeblichen umsatzsteuerpflichtigen Umsätze im Vorjahr 17.500,00 € nicht überschritten haben und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000,00 € betragen werden. Sind also die jährlichen umsatzsteuerpflichtigen Umsätze immer geringer als 17.500,00 €, ist trotz bestehender Umsatzsteuerpflicht Umsatzsteuer nicht zu entrichten. Für viele Praxen wird das die Rettung aus der Umsatzsteuerfalle sein.

Autoren:  Wirtschaftsprüfer/Steuerberater Michael Laufenberg & Steuerberater Thomas Ketteler-Eising, Köln

Quelle: Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte, Bonn, Newsletter I-06-12

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