Recht 28.03.2012

Schadensersatz wegen Nichtgewährung der Beihilfe



Schadensersatz wegen Nichtgewährung der Beihilfe

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Interessant ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 13.10.2011 (III ZR 231/10), dass sich mit der Frage befasst, ob sich eine Beihilfestelle wegen fehlerhafter Nichtgewährung einer Beihilfe für eine zahnärztliche Behandlung schadensersatzpflichtig machen kann.

Der Fall

In dem konkreten Fall reichte ein niedersächsischer Lehrer bei seiner Beihilfestelle eine zahnärztliche Rechnung für die Behandlung seines Sohnes zwecks Erstattung ein. Mit Festsetzungsbescheid vom 12.10.2005 erkannte die Beihilfestelle für Leistungen, für die der 3,5-fache GOZ-Satz in Ansatz gebracht wurde, nur den 2,3-fachen GOZ-Satz als erstattungsfähig an. Gegen die vorgenommene Kürzung um 561,54 Euro legte der Beamte Widerspruch ein, der von Seiten der Beihilfestelle trotz nachträglicher Begründung des Zahnarztes als unzureichend angesehen wurde (keine individuell patientenbezogene Rechtfertigung für die Überschreitung des 2,3-fachen GOZ-Satzes).  Eine sachverständige Stellungnahme eines anderen Zahnarztes oder der Zahnärztekammer Niedersachsen hatte die Beihilfestelle dabei nicht eingeholt. Hinsichtlich des nicht erstatteten Betrages erhob der Beamte Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Lüneburg, wobei er die Rechnung des behandelnden Zahnarztes nur auf der Grundlage des 2,3-fachen Gebührensatzes beglich. Nachdem der Zahnarzt wegen des Rechnungsrestbetrages Zahlungsklage vor dem Amtsgericht (AG) Hannover erhoben hatte, wurde das Verfahren vor dem VG ausgesetzt. Der vom Zahnarzt verklagte Sohn des Beamten wurde auf Grundlage eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens, in dem die Veranschlagung des 3,5-fachen GOZ-Satzes als gerechtfertigt beurteilt wurde, zur Zahlung nebst Zinsen sowie zur Übernahme der außergerichtlichen Anwaltskosten und der Kosten des Rechtsstreites verurteilt.

Nach der Entscheidung des AG Hannover wurde von der Beihilfe der Beihilfebescheid neu festgesetzt und dem Beamten die ausstehende Summe von 561,54 Euro ebenfalls erstattet. Seitens des VG Lüneburg wurde mit Urteil vom 25.03.2009 festgestellt, dass der Beihilfebescheid im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung des AG Hannover rechtswidrig war.Mit dieser Entscheidung gab sich der Beamte nicht zufrieden, sondern verklagte das Land Niedersachsen auf Erstattung der ihm in dem Zivilprozess entstandenen Kosten sowie Zinsen auf die offene Rechnung des Zahnarztes. Zur Begründung seiner Forderung in Höhe von 1.288,16 Euro führte der Beamte aus, dass die Beihilfestelle durch den Erlass des rechtswidrigen Beihilfe- und Widerspruchsbescheides ohne eine sachverständige Überprüfung der ergänzenden Erläuterungen des behandelnden Zahnarztes ihre Amtspflichten verletzt habe. Da im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der getroffenen Beihilfeentscheidungen die Zahnarztrechnung entsprechend gekürzt und der Zivilprozess geführt worden sei, habe das beklagte Land den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

Die Entscheidung:

Nachdem der Beamte in der Berufungsinstanz gegen das Land Niedersachsen obsiegte, gab der BGH dem Beamten auch in der Revisionsinstanz Recht und verurteilte das Land Niedersachsen zur Zahlung von Schadensersatz. In seinem Leitsatz führt der BGH aus:

„Wird bei der Festsetzung der Beihilfe die Überschreitung des Schwellenwertes (2,3-facher Gebührensatz) in einer Zahnarztrechnung rechtswidrig und schuldhaft nicht anerkannt, und lässt sich darauf der den Antrag stellende Beamte wegen der bei ihm durch diese Entscheidung hervorgerufenen begründeten Zweifel an der Richtigkeit der Rechnungsstellung auf einen Zivilrechtsstreit mit dem behandelnden Arzt ein, so sind ihm die im Fall des Unterliegens entstehenden Kosten zu ersetzen."

In seiner Urteilsbegründung bestätigt der BGH die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass die Beihilfestelle vorliegend eine Amtspflichtverletzung begangen hat, die daran liegt, dass die Festsetzungsstelle die nachträglich erteilte Begründung des Zahnarztes nicht zum Anlass nahm, ein zahnärztliches Gutachten oder eine Stellungnahme der Zahnärztekammer einzuholen, sondern sich auf ihren Sachverstand unter Heranziehung einer „Schwellenwertdatenbank" führen ließ. Die unvollständige in Widerspruch zu den einschlägigen Hinweisen stehende Erforschung des Sachverhaltes habe dazu geführt, dass der Rechnungsbetrag - wie aufgrund des rechtskräftigen Urteils des AG Hannover feststehe - rechtswidrig gekürzt worden sei. Hätte die Festsetzungsstelle amtspflichtgemäß gehandelt, wäre der nach Erlass des Widerspruchsbescheides anhängig gemachte Zivilprozess vermieden worden und so der geltend gemachte Schaden nicht entstanden.

Bewertung:

Diese Entscheidung des BGH ist sehr bemerkenswert und wird bei den Beihilfestellen für recht viel Unruhe sorgen. Zu erwarten ist, dass Beihilfestellen genauer prüfen würden, ob ein Anspruch des Beihilfeberechtigten abgelehnt wird oder nicht. Bei ungerechtfertigten Kürzungen haben sie aufgrund dieser Entscheidung ein „Damoklesschwert" zu befürchten, wenn der Beihilfeberechtigte auf die Aussage der Beihilfestelle vertraut und später in einem Zivilprozess gegenüber dem Arzt oder Zahnarzt unterliegt.

Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte, Bonn, Newsletter I-03-12

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