Recht 07.10.2022
Hilfe, Behandlungsfehlervorwurf! Was nun?
share
Zahnärzte sind mit Behandlungsfehlervorwürfen während der beruflichen Laufbahn nur in begrenztem Umfang konfrontiert. Da es sich um eine Ausnahmesituation handelt, existiert regelmäßig kein geübtes Vorgehen, sodass Fehler vorprogrammiert sind. Der nachfolgende Beitrag gibt Ihnen für den Fall des Falles einen Überblick über die wichtigsten Verhaltensregeln.
1. Ruhe bewahren
Die erste Grundregel lautet: Ruhe bewahren. Und dies meinen wir wörtlich. Erhebt ein Patient schriftlich Ansprüche gegen den ihn behandelnden Zahnarzt, sollte man sich zunächst in Ruhe mit den Inhalten des Schreibens auseinandersetzen. In der Regel wird zunächst einmal die Herausgabe der Behandlungsunterlagen verlangt. Der erste Schritt aufseiten des Zahnarztes bestünde dann darin, zu prüfen, welche Unterlagen konkret herausgegeben werden müssen und welche nicht.
Hat sich für den Patienten ein Dritter – zum Beispiel ein Rechtsanwalt – gemeldet, muss zunächst eine (schriftliche) Schweigepflichtentbindungserklärung eingeholt werden. Im Übrigen ist der Zahnarzt nach dem Gesetz nur zur Herausgabe der Kopien der Behandlungsunterlagen verpflichtet, vgl. § 630 g BGB.
2. Rechtsanwalt kontaktieren
Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beraters sollte so früh wie möglich erfolgen. Denn nur auf diese Weise können im Vorfeld Fehler vermieden werden. So sind zum Beispiel alle schriftlichen Äußerungen im Lichte eines möglichen sich anschließenden Gerichtsverfahrens zu treffen. Es muss genau abgewogen werden, welche medizinischen, tatsächlichen als auch rechtlichen Details preisgegeben werden und welche nicht. Werden hier Fehler gemacht, lassen sich diese in einem gerichtlichen Verfahren nur noch unter sehr strengen Voraussetzungen korrigieren.
3. Die Haftpflichtversicherung
Aus unserer täglichen Beratungspraxis wissen wir, dass vielen Zahnärzten der genaue Leistungsumfang der Berufshaftpflichtversicherung nicht bekannt ist. Zudem herrscht oft Unsicherheit, ob denn nun die Haftpflicht- oder die Rechtsschutzversicherung eingeschaltet werden soll.Grundsätzlich besitzt die Haftpflichtversicherung die sog. Prozessführungsbefugnis. Die Haftpflichtversicherung kann deshalb darüber entscheiden, ob ein Behandlungsfehlervorwurf vor Gericht zugestanden oder abgelehnt wird. Ob die Einschaltung der Haftpflichtversicherung notwendig ist, sollte mit dem Rechtsanwalt besprochen werden. Zu beachten ist, dass die Versicherung primär ihre eigenen Interessen vertritt und nicht automatisch im Lager des Zahnarztes steht.Die Rechtsschutzversicherung greift im Arzthaftungsrecht nur nachrangig, das heißt dann, wenn die Berufshaftpflicht die Deckung – unter Umständen auch teilweise – verweigert. Zudem sind regelmäßig nur gerichtliche Verfahren versichert. Ob die Einschaltung der Rechtsschutzversicherung sinnvoll ist, ist demnach im Einzelfall zu prüfen.
4. Gedächtnisprotokoll schreiben
Sobald Sie mit einem Behandlungsfehlervorwurf konfrontiert werden, erinnern Sie sich an die erste Regel: Ruhe bewahren. Lassen Sie den Behandlungsverlauf anhand der Karteikarte Revue passieren, sprechen Sie mit involvierten Personen und fertigen Sie eine für Sie bestimmte Gedächtnisstütze an. Wichtig: Diese Gedächtnisstütze ist nicht Teil der Behandlungsunterlagen und muss nicht herausgegeben werden! Sie dient dazu, die Erinnerungen schriftlich zu fixieren, um im weiteren Verlauf bzw. in einem Gerichtsverfahren darauf zurückgreifen zu können. Dies ist in Anbetracht der gerichtlichen Verfahrensdauern von mehreren Jahren unerlässlich.
5. Behandlungsfehlervorwürfe ernst nehmen
Wir erleben in unserer Beratungspraxis hin und wieder, dass Behandlungsfehlervorwürfe auf die leichte Schulter genommen werden. So werden z. B. erste Schreiben ignoriert und von den Krankenkassen vorgelegte Gutachten durch Untätigkeit akzeptiert. Dies ist verständlich, da der Prozess erst einmal Zeit und Geld kostet. Dennoch ist eine solche Herangehensweise fatal. Denn werden Vorwürfe unkommentiert hingenommen, wird der Eindruck erweckt, die Vorwürfe seien wahr.Leiten Sie deshalb alle Schriftstücke, in denen es um die „Überprüfung“ einer Behandlung geht, umgehend an Ihren anwaltlichen Berater weiter. Dies gilt umso mehr, wenn anwaltliche oder gerichtliche Fristen einzuhalten sind.
Dieser Beitrag ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis erschienen.