Statements 10.10.2011
Aufklärung mit aller Konsequenz
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Statement von Dr. Frank Dreihaupt, Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt
Uns allen ist die Situation geläufig: Der Arzt verordnet ein Medikament zur Unterstützung seiner Therapie. Zu Hause wird die Packung geöffnet, und der Patient liest auf dem Beipackzettel mit wachsendem Grausen über die Nebenwirkungen: Haarausfall, Hautausschlag, Herzrasen, Nierenschäden … eine Horrorliste. Der Patient ist verunsichert, und die Tabletten fliegen in den Müll. Diese Art der Aufklärung war einfach zu brutal. Aber wie hart darf Aufklärung sein? Wann muss sie schonungslos sein, und wie viel Fingerspitzengefühl gehört dazu?
Am 11. Dezember 1844 ließ sich der Zahnarzt Horace Wells schmerzlos einen Zahn ziehen, nachdem er Lachgas inhaliert hatte. Ohne Risiken und Nebenwirkungen? Diese Methode der Analgosedierung war wegen ihrer Risiken eine Zeit lang in der berühmten Versenkung verschwunden und feiert nun offenbar unter neuen technischen Möglichkeiten eine Auferstehung. Darüber, ob Lachgas eine willkommene Alternative zur Narkosebehandlung sein kann, streiten sich derzeit die Geister. Prof. Dr. Dr. Alexander Hemprich (Leipzig) hat dazu in einem sehr interessanten Beitrag im Zahnärzteblatt Sachsen Stellung genommen. Anlässlich des Mecklenburger Zahnärztetages hingegen wurde in einem Vortrag die Anwendung der Lachgas-Analgesie in der Kinderbehandlung recht euphorisch dargestellt. Der Anwender ist verunsichert …
Verunsicherung ist im Ansatz nicht immer ein schlechter Ratgeber, wenn sie dazu anspornt, Sicherheit zu schaffen. Das Stichwort „Aufklärung“ scheint mir der Schlüssel für die Lösung des Konfliktes zu sein, Aufklärung mit aller Konsequenz durch Verfechter der Methode und Anbieter der Technik – durchaus auch für den Zahnarzt, damit der verantwortungsbewusst Chancen und Risiken gegeneinander abwägen kann. Summieren sich für ihn die Risiken im individuellen Fall zu der oben zitierten Horrorliste, dann soll er nicht zögern und die Methode für dieses Mal symbolisch in den Mülleimer werfen. Gewinnt er die Überzeugung, dass der Nutzen überwiegt, soll er die Methode anwenden. Bleibt er hingegen unsicher, dann kann ich persönlich nur raten: Hände weg!
Ich sehe es immer mit großer Befriedigung, wenn Kolleginnen und Kollegen innovativ denken und handeln und ihr Praxisprofil erweitern, aber immer ist harte Aufklärung, sind klare Fakten notwendig.