Branchenmeldungen 27.03.2013
Digitale Kieferorthopädie – wo geht die Reise hin?
7. Fachsymposium der KFO-IG am 7. und
8. Juni 2013 in Frankfurt am Main
Die Welt wird digital, unser Leben
wird digital. In vielen Lebensbereichen hat die Digitalisierung
bereits Einzug erhalten, meistens ohne, dass wir das wirklich
wahrgenommen haben. In der Kieferorthopädie fand die bisherige
Digitalisierung eher im Verborgenen statt. Doch machen wir uns nichts
vor, auch da wird sie immer mehr kommen und jeden erreichen, ob er
will oder nicht. Es wird eine geschlossene Kette von der Diagnose
über die Therapieplanung bis hin zum Behandlungsende geben. Die
KFO-IG hat die Entwicklung zum Anlass genommen, ein Fachsymposium
für die digitale Kieferorthopädie anzubieten. Ziel dieses ist es,
einen Überblick über den aktuellen Stand der Digitalisierung und
die mögliche Entwicklung aufzuzeigen. Dabei möchten wir die
praktische Seite hören, aber auch die technische, denn dort findet
die Entwicklung statt.
Fast in Mannschaftsstärke rücken
unsere Gäste aus Wien an. Das Thema von DDr. Silvia Silli,
Dipl.-Ing. Christian Url und Dr. Björn Ludwig (als einziger nicht
aus Wien) wird die „Virtuelle Behandlungsplanung mit OnyxCeph3TM“
sein. Umgesetzt wird das System mit der Orthorobot® Labortechnik. Es
wird gezeigt, welche Vorteile eine virtuelle Behandlungsplanung am
dreidimensionalen, digitalen Modell sowohl für Diagnostik als auch
Herstellung individueller therapeutischer Apparaturen mit sich
bringt. Zudem werden Softwaremöglichkeiten demonstriert, die
robotergestützte Herstellung vollindividueller
Multibracketapparaturen (bukkal wie lingual) auf Basis virtueller
Behandlungsplanung veranschaulicht und die Umsetzung des
Behandlungsplans anhand von klinischen Beispielen verfolgt (Abb. 1,
2).
Dipl.-Ing. Ralf Paehl (Leiter
Forschungsabteilung, 3M Unitek) ist einer der wenigen, die sich aus
dem Forschungsbereich getraut haben, bei uns zu referieren. Er wird
über digitale Technologien für das IncognitoTM-System sprechen und
an Beispielen aufzeigen, welche Vorteile digitale Technologien in
diesem Umfeld bieten und wie sich deren Weiterentwicklung über die
letzte Dekade auf das Produkt ausgewirkt haben (Abb. 3). Der Vortrag
von Dr. Veit Stelte gibt einen Einblick in die digitale KFO anhand
des InsigniaTM-Systems. Ein schlüssiges und nachhaltiges
Marketingkonzept wird ebenso vorgestellt, wie verschiedene
Behandlungsfälle. Anhand dieser wird der Einsatz bzw. die
Kombination des Systems mit noch nicht voll programmierten
Keramikbrackets diskutiert. Des Weiteren wird es einen kurzen
Ausblick auf künftige Entwicklungen geben (Abb. 4, 5).
Dr. Rolf Davids zeigt, dass die
chirurgische Behandlung von komplexen Dysgnathien mittels
präoperativer computertomografischer Diagnostik vorhersagbarer und
sicherer gestaltet werden kann. Die Auswertung des CTs mit der
SimPlant®-Software und die Herstellung stereolithografischer Modelle
können die Hartgewebsanatomie exakt dreidimensional darstellen. Die
Umsetzung der 3-D-Planung in eine navigierte Chirurgie mittels
vorgefertigter Operationsschablonen erlaubt minimal invasive Zugänge
bei gleichzeitiger Schonung anatomisch relevanter Strukturen und
einer verkürzten Eingriffszeit (Abb. 6, 7). Prof. Dr. Axel Bumann
wird seinen Kollegen Dr. Daniel Heekeren mitbringen. Beide werden
zunächst einen Überblick über die Praxistauglichkeit verschiedener
Modellscanner und intraoraler Scanner geben. In diesem Zusammenhang
werden auch die Möglichkeiten einfacher Modelldarstellungen im
Praxisverwaltungsprogramm, multipler digitaler Set-ups für
alternative Behandlungsvorschläge, der Alignerherstellung in der
eigenen Praxis sowie präziser indirekter Bondingtechnologien und
deren Anforderungsprofile an eine praxisgerechte Software
dargestellt. Anschließend gehen die Referenten auf die besonderen
Anforderungen an DVT-Geräte für die KFO-Diagnostik ein. Ein
besonderes Problem im Umgang mit den umfangreichen DICOM-Daten stellt
die revisionssichere Langzeitarchivierung der Daten über 30 Jahre
dar. Auch hierzu werden praxisgerechte Lösungen vorgestellt.
Abschließend wird auf die völlig neuen Möglichkeiten des von
MESANTIS entwickelten „Virtual Surgery First“-Konzeptes
eingegangen (Abb. 8, 9).
Nach einem abendlichen Get-together
beginnt der zweite Tag mit ZA Dr. Andreas Bruderhofer, der sich seit
vielen Jahren insbesondere mit CMD und den digitalen Möglichkeiten
beschäftigt. Funktionsstörungen des Kausystems betreffen sowohl die
Statik als auch Dynamik. Diese Pathologien digital zu erfassen,
lesbar zu machen und in eine Therapie münden zu lassen ist der
zahnärztliche Wunsch an die Technologie. Ist dies aber aufgrund der
Detailvielfalt schon äußerst schwierig darzustellen, so entziehen
sich Veränderungen der anatomischen Strukturen als Ausdruck einer
pathologischen Überlastung oder auch als Teil der Regeneration
genauso der Erfassung wie eine veränderte Dynamik. Es stellt sich
also die Frage, wie viel digitale Erfassung möglich ist, wie viel
davon sich zur Auswertung eignet und wie viel in die Umsetzung eines
therapeutischen Konzeptes fließen kann. Letztlich ist aber auch von
Interesse, welche therapeutischen Schritte oder Werkstücke digital
vorbereitet oder gar gefertigt werden können. Mehr aus der
Software-Ecke, aber mit einer sehr engen Verbindung zu Zahnärzten
und Kieferorthopäden ist die Firma SICAT. Deren Geschäftsführer
Jochen Kusch wird uns dieses Produkt näher bringen. Die
SICAT-Function ist die Integration von einfach zu generierenden
dynamischen Kieferbewegungsdaten aus dem SICAT JMT mit 3-D DVT- und
CAD/CAM-Daten. Mit dieser Information kann der ZA ohne großen
Aufwand direkt die Okklusion und Gelenkssituation in der echten
Patientenanatomie befunden und im Anschluss direkt eine optimale
Therapieposition bestimmen. Eine Behandlungsschiene kann direkt
bestellt werden. Dies kann eine generische Schiene, ähnlich einer
Pilotbohrschablone in der Implantologie, sein. Künftig wird der
Behandler aus einem breiten Spektrum verschiedener
Behandlungsschienen wählen können, vergleichbar mit den
unterschiedlichen Protokollen für vollständig geführte
Implantation. Genauso wird es möglich sein, die Kiefergelenksbahnen
mit den Bahnen aller gängigen Behandlungskonzepte zu vergleichen und
die Daten für die jeweilig verwendeten Artikulatoren zu exportieren
(Abb. 10, 11).
Den digitalen Workflow hat Dr. Michael
Visse im Blick. Er hat wie kein Zweiter seine Praxisabläufe
digitalisiert. Am Internet geht zukünftig kein Weg mehr vorbei, wer
das ignoriert, verpasst einen globalen Megatrend. Aber bietet das
weltweite Netz nicht viel mehr Möglichkeiten, die man nutzen kann,
um den Erfolg seiner Praxis nachhaltig zu steigern? Nutzen Sie das
Internet als Motor nicht als Bremse. Intelligenter, schneller,
einfacher und mit neuen Anwendungen von iie-systems. Nehmen Sie
zukünftige Entwicklungen vorweg. Er zeigt Ihnen, wie das
funktioniert (Abb. 12). Woo-Ttum Bittner wird sich Sure-Smile®,
einem digitalen Behandlungssystem für alle Facetten der KFO, widmen.
Dieses erlaubt CAD/CAM-gestützte KFO-Behandlungen (labial wie
lingual). Zunächst werden digitale Kiefermodelle eines Patienten aus
den Daten eines intraoralen Scans und/oder einer DVT-Aufnahme
erstellt, wobei eineVielzahl von handelsüblichen Brackets verwendet
werden kann, die in einer umfassenden Datenbank in 3-D verfügbar
sind. Diese digitalen 3-D-Modelle dienen der interaktiven
Behandlungsplanung und individuellen Bogenherstellung mithilfe von
6-Achsen-Robotern. Mit der SureSmile®-Software können mit dem
3-D-Modell Behandlungssimulationen auch von komplexen
kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlungen durchgeführt
und die erforderlichen individualisierten Bögen für die prä- als
auch postoperative Situationen definiert und bestellt werden. Auf
Basis eines DVTs ist sogar die Darstellung von Zahnwurzeln und
umgebenden Knochen präzise möglich, wodurch die Wurzelbewegungen
berücksichtigt werden können. Durch die neue Exportfunktion von
digitalen Modellen lässt sich SureSmile® auch zur Herstellung von
Alignern und Positionern auf Kunststoffmodellen verwenden (Abb. 13,
14). ZTM Udo Höhn (Fa. digitec-orthosolutions) zeigt, wie offene
Scansysteme in der KFO-Therapie verwendet werden können. Die
gewonnen 3-D-Daten werden direkt elektronisch archiviert und können
in Patientenverwaltungsprogramme übernommen werden.
Analyse-Algorithmen erlauben dem Benutzer, die aktuelle Zahngröße
und -position zu messen und diese Daten mit Statistiken zu
vergleichen. Die virtuelle Behandlungsplanung hingegen ermöglicht
eine Visualisierung des Behandlungsziels sowie die stufenweise
Darstellung der Therapiefortschritte. Alle Behandlungsstadien können
in einem weiteren Analysetool untereinander verglichen und die
Veränderungen ausgewertet sowie dokumentiert werden. Eine neue
Designanwendung, der „Appliance Designer“ von 3Shape, erlaubt
darüber hinaus das Konstruieren von therapeutischen Apparaturen. Bei
Bedarf können digitalisierte Modellsätze in einem 3-D Print
reproduziert oder Apparaturen mittels modernster Fertigungsverfahren
hochpräzise und in gleichbleibender Qualität gefertigt werden (Abb.
15).<
In den vergangenen Jahren wurden die
3-D-Aufnahmetechniken weiterentwickelt. Speziell auf zahnmedizinische Praxisbezogen, hat sich die dentale Volumentomografie
etabliert. Im Gegensatz zur Computertomografie, die durch
radiologische Zentren durchgeführt wird, besteht der große Vorteil
der DVT-Aufnahme darin, dass der direkte Einsatz in der ZA-Praxis
möglich ist. In Europa, bzw. Deutschland, liegt die Hauptindikation
der dentalen Volumentomografie in der MKG-Chirurgie und im
implantologischen Bereich. In den USA gilt die DVT-Aufnahme bereits
seit 2003 als Goldstandard in der kraniofazialen Bildgebung und damit
auch auf dem Gebiet der KFO. Prof. Dr. Gerhard Polzar und
Dipl.-Informatiker Frank Hornung werden in ihrem Vortrag zunächst
die kieferorthopädische Notwendigkeit des DVT näher bringen und
danach die technische Seite beleuchten (Abb. 16, 17). Bei aller
Spannung und Freude über die Digitalisierung in der Kieferorthopädie
führt ein anderes wichtiges Thema eher ein Schattendasein: der
Datenschutz. So bergen z. B. das Versenden von Röntgenbildern,
Datensätzen und die Online-Eingabe von Patientendaten einige
Risiken, welche von den meisten unterschätzt werden. Welche
Verantwortlichkeiten hier drohen und wie man ein gewisses Mindestmaß
an Sicherheit EDV-technisch umsetzen kann, zeigt uns Michael Fischer
von der Top10-Agentur.
Den Abschluss des Symposiums übernimmt
Dipl.-Ing. Holger Weidemann (FDK-Softwareschmiede). Er stellt iMedis
vor, ein für die Praxis einfaches aber komfortables Programm, um die
Daten direkt in die Praxisverwaltungssoftware zu übernehmen. Es kann
relativ einfach an die Gegebenheiten der Praxis angepasst werden, um
alle relevanten Daten des Anamnesebogens zu erfassen (Abb. 18).
Quelle: Kieferorthopädische Interessensgemeinschaft (KFO-IG)