Parodontologie 20.06.2012
Vorteile einer systematischen Prophylaxe
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In vielen Zahnarztpraxen wird mittlerweile eine professionelle Zahnreinigung bzw. Prophylaxe angeboten. Leider wird aber auch in vielen Praxen diese Prophylaxe sehr unsystematisch durchgeführt oder sie beschränkt sich einzig auf die professionelle Zahnreinigung. In diesem Artikel werden die Vorteile einer systematischen Prophylaxe und PAR-Therapie dargestellt.
Zunächst sollte man sich die Frage stellen: „Was erwarten unsere Patienten von uns?“ Diese sehr einfache Frage wirft jedoch eine Menge andere Fragen auf, insbesondere: „Wie lässt sich das mit dem heutigen Gesundheitssystem in Übereinstimmung bringen und kann ich damit auch wirtschaftlich arbeiten?“ Zur ersten Frage: Unsere Patienten erwarten, dass sie, wenn sie in unsere Praxis kommen, nach dem neuesten Stand der Wissenschaft behandelt und beraten werden und etwaige Erkrankungen in ihrem Mundorgan von uns geheilt werden. Also gehen sie davon aus, dass, wenn sie eine Behandlung hinter sich haben, ihr Mundorgan restlos gesund ist. Diesem sehr hohen Anspruch können wir nur in äußerst wenigen Fällen gerecht werden, denn eine gesunde Mundhöhle ist frei von entzündlichen Erscheinungen. Das bedeutet ein restlos kariesfreies Gebiss, keine Gingivitis oder Parodontitis und außerdem keinerlei Funktionsstörungen. So müsste am Anfang jeder Behandlung zunächst eine umfassende Befundaufnahme stehen, die sehr akribisch durchzuführen ist, um alle Erkrankungen festzustellen und zu dokumentieren. Der Zeitaufwand für eine solche Untersuchung sprengt den finanziellen Rahmen einer Honorierung durch die GKV! Wird diese ausführliche Befundung aber im Zusammenhang mit daraus resultierenden Behandlungsmöglichkeiten gestellt, merkt man sehr schnell, dass es auch wirtschaftlich von enormem Vorteil ist, wenn man eine solche gründliche Befundung regelmäßig durchführt. Um diese Vorteile nutzen zu können, sollte aber zunächst ein Behandlungs- und Prophylaxekonzept in der Praxis etabliert sein.
Wie kann ein solches Konzept aussehen?
Im Folgenden berichte ich über mein Behandlungs- und Prophylaxekonzept als eine der Möglichkeiten: Bei der umfassenden 01 werden nach ausführlicher Anamnese zunächst die Wünsche und Erwartungshaltungen des Patienten erfragt. Dann wird ihm unser Behandlungskonzept erläutert. Es wird auf den Wandel der Reparaturzahnmedizin hin zur vorbeugenden und Gesundheit erhaltenden Zahnmedizin hingewiesen. Die für den Patienten damit verbundenen gesundheitlichen und finanziellen Vorteile werden erläutert. Es ist nämlich sehr viel gesünder und preiswerter, ein krankes System einmal umfassend zu sanieren und anschließend nur noch gesund zu erhalten, als ein System immer wieder krank werden zu lassen und dann mit immer größer werdendem Aufwand immer wieder zu sanieren. Hierbei wird auch schon auf die zwingend notwendige Mitarbeit des Patienten hingewiesen. Im Anschluss wird eine sehr ausführliche Befundung mit Messung aller Taschentiefen, Inspektion der Gingiva, Kontrolle aller Füllungs- und Kronenränder, transdentaler Illumination (Microlux), CMD-Check und Röntgenkontrolle durchgeführt und mit dem Patienten der Ist-Zustand besprochen sowie ein ausführlicher Behandlungsplan aufgestellt. Nach der obligatorischen professionellen Zahnreinigung mit Mundhygieneinstruktion werden zunächst alle Zahnhartsubstanzen gesichert. Anschließend erfolgt – wenn nötig – eine systematische Parodontalbehandlung mit entsprechender Vor- und Nachsorge und abschließend die funktionsanalytische und therapeutische Behandlung. Erst wenn all diese Schritte erfolgt sind, wenden wir uns dahin, wie wir diesen jetzt gesunden Zustand dauerhaft erhalten können. Das bedeutet: erst jetzt ist von Zahnersatz, Inlay, Kronen, Veneers etc. die Rede. Dieser sehr umständliche und umfassende Weg wird dem Patienten klar, wenn man ihm sagt, man baue ja auch kein Haus, ohne vorher das Fundament zu sichern. Patienten, die auf diese Weise saniert worden sind, haben ein ganz anderes Bewusstsein für ihre Mundgesundheit erhalten und sind in aller Regel auch bereit, zum Erhalt dieser Gesundheit wesentlich mehr Geld auszugeben als andere, weil sie erkannt haben, wie wichtig die Mundgesundheit für ihre Gesamtkörpergesundheit ist. Erst jetzt beginnt die systematische Prophylaxe einzusetzen. Denn bevor man einen Mund nicht hygienefähig gemacht hat, kann der Patient diesen Mund auch nicht sauberhalten.
Unseren PAR-Patienten ist klargemacht worden, dass diese schleichende und heimtückische Erkrankung nur aufzuhalten ist, wenn man zunächst in sehr kurzen (in der Regel 3 Monate) Abständen den parodontologischen Zustand kontrolliert und anschließend professionell reinigt. Bei parodontal gesunden Patienten wird ein 6-monatiges Recall als ausreichend empfohlen. Dabei ist es aber unabdingbar, dass bei jeder professionellen Zahnreinigung der PSI bestimmt wird und dann vor der Reinigung alle Beläge angefärbt werden, um den Patienten die Schwachstellen ihrer häuslichen Mundhygiene aufzuzeigen. Das stößt anfangs häufig auf Widerstand der Patienten, da die meisten sich wirklich Mühe geben und von ihrer Unzulänglichkeit frustriert sind. Hier hat sich als besonders hilfreich erwiesen, wenn man dem Patienten erklärt, dass wir alle uns nur unzureichend die Zähne putzen können, da wir uns ja alle BLIND die Zähne putzen. Keiner sieht wirklich, was er putzt!
Schon bei der ersten professionellen Zahnreinigung nach der ersten 01 wird dem Patienten über das Anfärben der Ist-Zustand demonstriert. Zu dieser ers-ten Sitzung wird der Patient gebeten, seine Putzutensilien mitzubringen und zu zeigen, wie er sich die Zähne putzt. Anschließend zeigen wir auf, an welchen Stellen er mit seiner Putzmethodik unzureichend war und demonstrieren ihm mit Interdentalraumbürsten, Zahnseide und elektrischer Zahnbürste, um wie viel effektiver unsere Putzmethode ist. Ebenso wird bei dieser ersten professionellen Zahnreinigung der Mundzustand zu Beginn fotodokumentiert. Nach durchgeführter Sanierung bekommt der Patient ein Vorher-Nachher-Bild. Das schafft enorme Compliance und sorgt für gute Mund-zu-Mund-Propaganda.
Wirtschaftlichkeit für die Praxis
Patienten, die auf diese Art und Weise versorgt werden, halten der Praxis ein Leben lang die Treue. Besonders die Patienten, die vor 20 Jahren so saniert wurden und für die der Zahnarztbesuch nur noch bedeutet: kommen, befunden, reinigen, sind der beste Werbeträger, den sich eine Praxis nur wünschen kann. Damit steigt das Potenzial der Patienten, die für ein gesundes Mundsystem und damit für einen gesunden Körper bereit sind, tiefer in die Tasche zu greifen und privatärztliche Zusatzleistungen in Anspruch nehmen. Bei diesen Patienten ist der Einsatz von Lasergeräten, Cerec, Periochip, Perioscan oder privater Endodontie kein Thema mehr. Außerdem kann man damit ein sehr lukratives Recallsystem für die Prophylaxeabteilung in der Praxis generieren. Unser Prophylaxerecall umfasst mittlerweile eine lebenslange Betreuung. Angefangen von der Kindergartenbetreuung als Patenschaftszahnarzt für vier Kindergärten, der Schwangerschaftsprophylaxe, der individuellen Jugendprophylaxe bis zum 18. Lebensjahr, der Erwachsenenprophylaxe bis hin zur geriatrischen Prophylaxe bieten wir alles an. Dieses umfassende systematische Prophylaxekonzept ermöglicht auch in einer Landpraxis wie meiner – in einem 1.700-Seelen-Dorf – wirtschaftlich funktionierende Zahnheilkunde anzubieten und sichert das Überleben in so harten Zeiten wie diesen.