Parodontologie 15.03.2012

Prophylaxe patientengerecht vermittelt – weniger ist mehr!



Prophylaxe patientengerecht vermittelt – weniger ist mehr!

Grundlegend haben wir immer das Problem, dass jeder Mensch ein „Gewohnheitstier“ ist. Beim Zähneputzen läuft meist ein Automatismus ab – man denkt nicht mehr darüber nach! Bei der Prophylaxesitzung bedarf es Fingerspitzengefühl herauszufinden, welche Gewohnhei­ten der Patient hat. Oft sind sie zum Teil sogar ganz brauchbar und müssen nur ein wenig modifi­ziert werden.

Hat ein Patient beispielsweise „niedrige Plaque- und Blutungswerte“ und keine zervikalen Schäden, warum soll er sein Verhalten (z.B. die zervikale Technik) unbedingt ändern? Seine Methode entspricht zwar nicht der sehr kontrolliert durchzuführenden „Bass-Technik“, aber das Ergebnis ist gut. Das Erlernen der sehr auf­wendigen Bürstentechnik wäre für ihn selbst auch nur schwer nachvollzieh­bar, da im Grunde keine Notwendigkeit zur Veränderung ersichtlich ist. Verwendet er allerdings eine sehr harte Bürste, dann sollte er über mögliche Schäden, die durch den Dauergebrauch entstehen können, aufgeklärt werden. Es gibt auch nicht unbedingt „die“ Zahnbürste. Es wäre ein strategischer Fehler, einem Patienten, der auf eine bestimmte Zahnbürste schwört und diese den Qualitätskriterien entspricht, davon abbringen zu wollen, diese zu benutzen. Dies gilt ebenso bei der Entscheidung für elektrische oder manuelle Zahnbürsten. Weniger zu verlangen bringt oft mehr Erfolg. Wir dürfen nicht vergessen, dass jeder Patient eine eigene Grenze hinsichtlich der Aufnahmefähigkeit und Bereitschaft hat, ein neues Zahnpflegeverhalten zu erlernen. Günstig ist es, zunächst schwerwiegende Fehler des Patienten herauszufinden, die eine Bedrohung für die orale Gesundheit bewirken könnten.

Daran anzuknüpfen und eine Verhaltensänderung zu bewirken sollte das primäre Ziel sein, und nicht ein
„Verzetteln“ mit nebensächlicheren Sachverhalten. Die Dringlichkeit, etwas zu verbessern, sollte möglichst konkret aufgezeigt werden. Günstig wäre es, wenn Symptome wie starke Blutungs­reaktionen bei Sondierung der Zahnzwischenräume aufgrund fehlender Interdentalhygiene visualisiert dargestellt werden können. Je komplizierter und aufwendiger die Anforderungen für einen Patienten sind, umso gerin­-ger ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sich auf diese „Herausforderung“ einlassen wird. Fehlende Mitarbeits­bereitschaft wird die Folge sein, was wiederum den Handlungsspielraum des Zahnarztes hinsichtlich seiner Möglichkeit zur Versorgung des Pa­tienten stark reduziert. Also liegt es im beiderseitigen Interesse, einen Mundhygienezustand zu erreichen, der die Voraussetzung für Gesundheit und Vorbeugung sowie auch für erfolgreichen chirurgischen, konservierenden und prothetischen Maßnahmen bildet.

Die Mundhygiene

Wie jedoch ist es möglich, den Patien­ten zur erfolgreichen Bereitschaft zu aktivieren und ihn in seinen Fähigkei­ten zu unterstützen, eine für ihn sinnvolle und erfolgreiche Mundhygiene zu betreiben? Emotionale Eindrücke dauern länger an als verstandesmäßige. Generell sollte der Patient bei der Er­hebung der Indi­zes immer einen Handspiegel zur Ver­fügung haben, um das Anfärben bzw. die Sondierung und Be­urteilung der Blutungspunkte zu beobachten. So werden dem Patienten auch die vernachlässigten Zonen gezeigt und ihm Techniken zur Reinigung empfohlen. Die Erfahrung durch die langjährige Tätigkeit in der Prophylaxe verdeutlicht immer wieder, dass die Zahnpflege möglichst leicht gemacht werden sollte. Glücklicherweise muss ein Patient auch nicht alles hundertprozentig richtig machen, um einen guten Befund von Zähnen und Zahnfleisch zu erhalten. Beim Aufwand, der dafür betrieben werden muss, gibt es von Patient zu Patient allerdings sehr große Unterschiede. Wie sich das im Einzelfall umsetzen lässt, kann nur individuell entschieden werden. Genaue Kenntnisse über Fähigkeiten und Grenzen des Patienten sind genauso wichtig wie die zahnmedizinische Befunderhebung. Für eine Vielzahl von Patienten ist das aktuelle Angebot an Zahnpflege­artikeln schwer zu überschauen, da ständig weitere Produkte hinzukommen. Ist „Neues“ wirklich besser als „Bewährtes“ oder nur ein Werbetrick?

Die Produktwahl

Die richtige Kaufentscheidung ist entsprechend schwer. Hilfreich ist deshalb eine patientenorientierte, individuelle Information in der Zahnarztpraxis, wo sich sachkompetent mit neuen Entwicklungen auseinandergesetzt wird. So kann besprochen werden, weshalb die Munddusche zwar ein gutes Gefühl gibt, jedoch kein alleiniges Hilfsmittel zur Reinigung ist. Oder wann und welche Mundspüllösungen richtig und wichtig sind und ob die neue Anordnung der Borsten bei der Zahnbürste wirklich Sinn macht. Im Beratungs­gespräch ist eine Produktauswahl entsprechend den Erfordernissen der individuellen oralen Situation und den persönlichen Bedürfnissen und Vorlieben des Patienten möglich. Die tägliche Mundhygiene sollte vor einem Spiegel mit ausreichendem Licht durchgeführt werden, Brillen­träger sollten diese auch beim Zähneputzen tragen. Achten Sie bei Kindern darauf, dass die tägliche Mundhygiene nicht zum notwendigen Übel wird, lassen sie es als erfreuliches und normales Tun erscheinen. Eine Mundhygiene kann vor dem Schlafengehen, mit den notwendigen Hilfsmitteln auch eine Zeit von drei bis 15 Minu­ten Dauer (z.B. Tumorpatienten) in Anspruch nehmen. Prothesen werden selbstverständlich genauso gereinigt wie die natürlichen Zähne. Hygiene betrifft jedoch nicht nur den Mundraum, sondern auch die Säuberung und die Aufbewahrung der für die Mundhygiene verwandten Hilfsmittel. Die Patienten sollten nicht mit einer Viel­zahl an Empfehlungen zur verbesserten Mundhygiene überschüttet werden, wodurch sie den Eindruck gewinnen könnten, dass enorme Anstrengungen auf sie zukommen. Dies könnte zu einer Abwehr führen, wenn das Gefühl von „Überforderung“ ausgelöst wird. Informationen sollten vielmehr nach dem Grundsatz „weniger ist oft mehr“ ausgewählt werden.

Das Mundhygieneverhalten

Sollte beispielsweise das Erlernen ei-nes völlig neuen Bewegungsmusters für einen Patienten unumgänglich sein (zum Beispiel wegen multipler freiliegender Zahnhälse), ist dies für ihn eine enorme Herausforderung. Deshalb geht es bei der Instruktion zunächst ein­mal darum, den grundlegenden Bewegungsablauf zu erlernen, und zwar dort, wo die orale Situation es drin­gend erforderlich macht. Zeitpunkt und Häufigkeit der Zahn­reinigung sind im Alltag üblicherweise auch fest verankert. Jeder von uns hat die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwer ist, sich von (liebgewonnenen) Gewohnheiten zu verabschieden, um neue Verhaltensweisen zu etablieren. Das trifft auch für einen Patienten bei der Veränderung seines Mundhygieneverhaltens zu. Oft fehlt es nicht an Einsicht oder gutem Willen, sondern die „Macht der Gewohnheit“ ist das größte Hindernis, wenn es um eine neue Bürstentechnik geht. Eine Prophylaxebehandlung vom Kind bis zum Greis ist individuell. Das Fingerspitzengefühl, eine Prophylaxesitzung korrekt auf jeden Patienten zuzuschneiden, erweist sich als sehr schwierig, jedoch sind erfahrene Praxismitarbeiter in der Lage dies zu meistern. Als Praxis bekommt man es gedankt, Patienten fühlen sich geborgen und vor allem in ihrem Problem der Zahnreinigung verstanden.

Fazit

Weniger ist manchmal mehr! Vom Kleinkind bis zum alten Menschen ist jeder Patient betroffen, seien es Milchzähne oder die totale Prothese, überall findet Plaquebildung statt und die mechanische Entfernung mittels Bürsten ist nötig.Führen Sie Ihre Patienten durch den Dschungel der Medien, sie werden es Ihnen danken. Ich wünsche Ihnen in der Planung Ihres Praxiskonzeptes viel Erfolg!

GOZ 1040 Professionelle Zahnreinigung (PZR)
Punktzahl: 28

Diese Leistung ist abrechenbar
– Je Zahn
– Je Implantat
– Je Brückenglied
– Neben GOZ-Nr. 0010 (Eingehende Untersuchung)

Nicht abrechenbar neben folgenden Leistungen
– GOZ-Nr. 1020 (Lokale Fluoridierung zur Verbesserung der Zahnhartsubstanz)
– GOZ-Nr. 4050 (Entfernung harter und weicher Zahnbeläge an einem einwurzeligen Zahn)
– GOZ-Nr. 4055 (Entfernung harter und weicher Zahnbeläge an einem mehrwurzeligen Zahn)
– GOZ-Nr. 4060 (Kontrolle nach Entfernung harter und weicher Zahn­beläge)
– GOZ-Nr. 4070 (Parodontalchirurgische Therapie an einem einwurzeligen Zahn)
– GOZ-Nr. 4075 (Parodontalchirurgische Therapie an einem mehrwurzeligen Zahn)
– GOZ-Nr. 4090 (Lappenoperation an einem Frontzahn)
– GOZ-Nr. 4070 (Lappenoperation an einem Seitenzahn)
– Für Full-Mouth-Desinfection (analoge Berechnung)

Ggf. zusätzlich abrechenbar

– GOZ-Nr. 0010 (Eingehende Untersuchung)
– GOZ-Nr. 1000 (Mundhygienestatus)
– GOZ-Nr. 1010 (Kontr. Übungserfolg)
– GOZ-Nr. 1030 (Medikamententräger)
– GOZ-Nr. 2000 (Fissurenversiegelung)
– GOZ-Nr. 2130 (Kontrolle/Polieren einer Restauration)
– GOZ-Nr. 4000 (Erstellen eines Parodontalstatus)
– GOZ-Nr. 4005 (Erhebung Gingivalindex und/oder eines Parodontalindex)
– GOZ-Nr. 4020 (Lokalbehandlung von Mundschleimhauterkrankungen)
– GOZ-Nr. 4025 (Medikamentöse Lokalapplikation)
– GOZ-Nr. 4030 (Beseitigung scharfer Kanten)
– GOÄ-Nr. 1 (Beratung)
– GOÄ-Nrn. 5 oder 6 (Untersuchung)
– GOÄ-Nr. 5000 ff. (Röntgen)

Leistungsdefinition 1040

– Entfernen der supragingivalen/gingivalen Beläge auf Zahn- und Wurzeloberflächen
– Reinigung der Zahnzwischenräume
– Entfernen des Biofilms
– Oberflächenpolitur
– Anwendung geeigneter Fluoridierungsmaßnahmen

Die professionelle Zahnreinigung ist so oft abrechenbar wie nötig, es gibt keine Begrenzung der Häufigkeit; auch als Präventivmaßnahme oder zur Vorbehandlung von Parodontalbehandlungen, sofern der Leistungsinhalt erfüllt ist. Die professionelle Zahnreinigung (PZR) kann auch an qualifizierte, nicht zahnärztliche Fachangestellte delegiert werden. Kontrollen nach einer PZR sowie eine eventuell erforderliche Nachreinigung in getrennter Sitzung können nach der GOZ-Nr. 4060 abgerechnet werden.

Die Abrechnungshinweise sind von der Autorin nach ausführlichen Recherchen erstellt worden. Eine Haftung und Gewähr wird jedoch ausgeschlossen.

Erstveröffentlichung: Thüringer Zahnärzteblatt 2/2012

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