Branchenmeldungen 07.10.2013
Young ITI Meeting: Erfordern neue Technologien neue Konzepte?
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2013 – eine Premiere für das Young
ITI Meeting!
Erstmals fand die im
Fortbildungskalender der Deutschen ITI-Sektion zwischenzeitlich fest
verankerte Veranstaltung in den neuen Bundesländern statt.
Ein Grund hierfür ist in Priv.-Doz. Arne
Boeckler zu suchen, der dieses Jahr das Young ITI Meeting ausrichtete
und dieses deshalb am 28. September in seine Heimat holte.
Ein weiterer Grund jedoch
ist auch darin zu suchen, dass das Internationale Team für
Implantologie in den vergangenen Jahren nach verhaltenem Beginn auch
in Mitteldeutschland auf reges und ständig steigendes Interesse
stößt und so eine erfreuliche Anzahl dort beheimateter ITI-Fellows
und Members zu verzeichnen ist. Diese für das Young ITI Meeting zu
gewinnen, war naturgemäß einfach, sehr erfreulich jedoch auch die
rege Teilnahme von gut 110 interessierten Kolleginnen und Kollegen,
die den Vortragssaal des Leipziger Radison Blu Hotels in direkter
Nachbarschaft zur Universität Leipzig wohl füllten.
Annual Member & Fellow Meeting
Nach den guten
Erfahrungen, die im Rahmen des Young ITI Meetings im vergangenen Jahr
in Konstanz gesammelt werden konnten, wurde auch dieses Jahr das
Annual Member & Fellow Meeting in den Symposiumstag integriert.
Hier standen die Vermittlung aktueller Informationen zur
Implantologie und ein Bericht aus der ITI-Konsensuskonferenz 2013 als
dominante Themenblöcke auf der Agenda des Member & Fellow
Meetings, welche durch Berichte von den zahlreichen Aktivitäten der
ITI-Sektion ergänzt wurden.
Auf reges Interesse des Auditoriums stießen die
facettenreichen Darstellungen der Aufgaben und Aktivitäten der
deutschen Sektion der ITI um seinen Vorsitzenden Professor Gerhard
Wahl, sodass hier mit Fug und Recht von einem weiterhin steigenden
Interesse am ITI in den neuen Bundesländern ausgegangen werden darf.
Young ITI Meeting
In
seinem Grußwort dankte der Sektionsvorsitzende der Deutschen ITI,
Professor Dr. Gerhard Wahl, den aktiven Fellows dieses
internationalen implantologischen Netzwerkes für deren Bereitschaft,
ein solch attraktives wissenschaftliches Programm zusammenzustellen,
und betonte, dass die Vielzahl neuer Produkte und die Schnelligkeit,
mit der sie verfügbar sind und auf den Markt gebracht werden,
durchaus auch als Herausforderung zu verstehen ist. Bei aller
Faszination der hiermit verbundenen therapeutischen und
diagnostischen Optionen versäumte es Professor Dr. Gerhard Wahl
nicht, nachdrücklich die Verankerung der Zahnmedizin in der Medizin
zu unterstreichen.
Wahl selbst formulierte in seinem
Grußwort, angesichts des spannenden Themas selbst sehr neugierig auf
die Ergebnisse des Meetings zu sein.
In diesem Zusammenhang eines vorweg:
Es gelang der Referentin und den neun Referenten, die
Thematik der neuen Produkte und der Forderung nach neuen Konzepten
umfänglich darzustellen und hochaktuelle Einzelaspekte anzusprechen,
wobei nicht nur aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und der
heutige Forschungsstand angesprochen wurden, sondern es wurden auch
Hinweise gegeben und Strategien präsentiert, die es den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern gestatten sollte, in der täglichen
Praxis eigene Einschätzungen und Bewertungen dieses hoch relevanten
Themas vorzunehmen.
Implantologische Rehabilitation in der
täglichen Praxis: Wie viel Planung braucht gelungener Zahnersatz?
Als Einzelreferenten top, als Referentenduo
zwischenzeitlich mit Kultstatus versehen – Professor Dr. Dr. Karl
Andreas Schlegel und Professor Dr. Stephan Eitner vermochten erneut
die ungemein wichtige Schnittstelle Chirurgie und Prothetik
darzustellen, und dies in der ihnen eigenen ungezwungen witzigen Art.
Das bajuwarische Referentenduo betonte, dass bereits die
Ausgangsbefunde stets durch Planungsmodelle und Fotos ergänzt werden
sollten, die bildgebenden Verfahren sollen den vorgängig erfolgenden
Modellplanungen folgen und nicht umgekehrt. Ohne vorherige
radiologische Diagnostik ist eine implantatprothetische Versorgung
nicht möglich, deren Basis das Orthopantomogramm sein solle. In
Zusammenhang mit größeren Augmentationsvorhaben und beim Wunsche
einer computergestützten Implantatplanung sind Röntgenbilder in
Schnittbildtechnik (DVT/CT) unter strikter Beachtung
strahlenhygienischer Gegebenheiten zu erwägen. Die Darstellung der
Optionen, die die Technik der dentalen Volumentomografie für die
Implantologie, aber auch für die gesamte Mund-, Kiefer-,
Gesichtsregion bietet, nahm breiten Raum im Vortrag des
Kieferchirurgen (Schlegel) und des Prothetikers (Eitner) ein. Das
Miteinbeziehung des „Arbeitszustandes“ der Psyche der Patienten,
so Eitner, ist ebenfalls zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer
(implantat)prothetischen Behandlung in Betracht zu ziehen.
Abnehmbarer Zahnersatz auf Implantaten:
Welche Konzepte, welche Perspektiven?
Quasi
als Hausherr refererierte Privatdozent Dr. Arne Boeckler, der das
diesjährige Young ITI Meeting ausrichtete. Der Hallenser
Implantologe nahm die ITI-SCA-Klassifikation als Basis einer
Entscheidungskaskade: Welche Implantate und wo, welches Abutment,
welche Versorgung und wies darauf hin, dass es z.B. im zahnlosen
Oberkiefer gar keine „S“-Fälle (simple/einfache Fälle) an sich
gibt, sondern es sich in der Regel immer um komplexe Fragestellungen
handelt.
Sind im
Unterkiefer als minimale Versorgungsoption bei geeigneten Fällen
zwei Implantate gerade noch akzeptabel, so ist dieses Vorgehen im
Oberkiefer mit enormen Risiken, so Boeckler, vergesellschaftet. Hier
ist in jedem Falle mit mindestens vier Implantaten zu arbeiten.
Im
Rahmen der Darstellung der verfügbaren Abutments für die abnehmbare
implantatprothetische Versorgung des zahnlosen Kiefers wies Boeckler
dem Locator sehr hohe Wertigkeit zu, der seine Limitationen lediglich
bei stark angulierten Implantaten findet. In solchen Fällen sollte
der SFI-Anker, der im Munde ausgerichtet werden kann, zum Einsatz
kommen.
Doppelkronensysteme sind aufgrund der Möglichkeit, verschiedenste,
auch sehr preisgünstige Materialien (z.B. Kunststoff) einsetzen zu
können, nach wie vor eine geeignete Variante, einfache, zahlbare und
auch bewährte Versorgungsformen zu haben. Ausführungen zur
Retentionskraft von Attachments und zum Knochenabbau rundeten
Boecklers Vortrag ab, der abschließend einen neuen „Trend zur
Einfachheit“ hin zu praktikablen, preiswerten und möglichst
augmentationsvermeidenden Techniken feststellte.
Festsitzender Zahnersatz auf
Implantaten: Welche Werkstoffe, welche Technologien, welche Konzepte?
Neu in den Reihen der „Young
ITIler“ fand sich Privatdozent Dr. Florian Beuer aus München.
Kollege Beuer arbeitet als Oberarzt in der prothetischen Abteilung
der Universitätszahnklinik München und legte den Schwerpunkt seiner
Ausführung auf metallfreie Versorgungsformen. „Unter 250 MPa
Biegefestigkeit? Dann ist dieses keramische Material nicht für die
Implantatprothetik geeignet“, so Breuer, der als zweite Gruppe die
Hochleistungspolymere vorstellte und als Mischform die
Hybridkeramiken, die ca. 20 Prozent Kunststoff enthalten. Letztere
sind allerdings lediglich für Einzelzahnersatz geeignet. Die
Forderung nach einer Passive-fit-Konzept ist mit metallfreien
Werkstoffen nur unter Einbeziehung der Klebetechnik möglich. Hohe
Wertigkeit wies Beuer der „digitalen Verblendung“ (weichere
Verblendung und härteres Gerüst werden in getrennten
Arbeitsschritten gefräßt und anschließend im Keramikofen
miteinander verbunden) mit einem Stabilitätssteigerungspotenzial
von 100 Prozent zu. Für die Einzelkrone empfiehlt Breuer die Verwendung
einer Verschraubung und eines Lithiumdisilikatrohlings mit späterer
Verklebung („so einfach wie möglich für Zahntechniker und
Zahnarzt“). Das Credo Beuers: „Den einfachen Konzepten gehört
die Zukunft!“
Die temporäre Versorgung – was ist
Pflicht, was ist Kür?
Der langjährige
Oberarzt der Kieferchirurgischen Abteilung des Katharinenhospitals in
Stuttgart, Dr. Guido Petrin, der heute in eigener Praxis
niedergelassen ist, nahm Stellung zu der Frage der temporären
Versorgung. „Eine gute temporäre Versorgung ist immer die, bei
deren Tragen der Patient nicht stets an den Zahnarzt denkt“, mit
diesen Einführungsworten wies der württembergische Implantologe auf
eine bis zu 24 Monate anhaltende Tragedauer von temporären
Versorgungen hin. In diesem langen Zeitraum muss, so Petrin, der
Patient sozialfähig sein, seinem Beruf nachgehen können, kauen
können und ästhetisch versorgt sein.
So ist nach seiner Ansicht bereits der
Begriff „temporäre Versorgung“ durch den eigentlich besseren
Begriff der „hochwertigen Übergangsversorgung“ zu ersetzen. Hier
ist die Modellgussteilprothese das Basissegment; Teilprothesen mit
handgebogenen Klammern erfüllen die hier zu stellenden Anforderungen
keinesfalls. Zahlreiche, ausgezeichnet dokumentierte Fallbeispiele
(an dieser Stelle seien vor allem die Beispiele mit der
Eierschalentechnik hervorzuheben) unterstützten die Ausführungen
Petrins.
Sein Schlusswort – ausgehend vom Thema seines Beitrages –
„Die Kür ist bei der temporären Versorgung die Pflicht!“.
Augmentative Maßnahmen? Wann welche
Konzepte und mit welchem Material?
„Die Frage der Knochenquantität ist für
die Frage des Erfolges wohl die bedeutendste!“, mit diesen Worten
ergriff Dr. Dr. Andres Stricker (der Ausrichtende des letztjährigen,
überaus erfolgreichen Young ITI Meetings) das Mikrofon, und wer
Andres Stricker kennt, der weiß, dass hier ein Referent zu seinem
Lieblingsthema referieren konnte, beschäftigt sich der in Konstanz
am Bodensee tätige Oralchirurg schon seit Jahren intensiv mit
augmentativen Themen. Kritisch ging der Konstanzer Implantologe mit
der Sofortimplantation und dem dort oftmals verbundenen Abbau der
bukkalen Knochenlamelle ins Gericht.
Seit Beginn der Neunzigerjahre des
vergangenen Jahrhunderts wurde der autologe Knochen zum Goldstandard
definiert – diese Aussage ist, so Stricker, heute nicht mehr in
allen Fällen als richtig zu bezeichnen. Berechtigung hat diese
Forderung bei großen Augmentationsverfahren, z.B. der Onlayplastik,
in gewissen Fällen jedoch haben auch synthetische Materialien ihre
Berechtigung, z.B. in Verbindung mit einem Knochesplitting. Sehr gute
Erfahrungen hat Stricker mit der BoneCeramic® der Firma Straumann
gemacht.
Interessant
seine chirurgische Vorgehensweise bei der von ihm modifizierten
Bone-Splitting-OP; der gespreizte Knochen wird zur Stabilisation
bukkal mit BoneCeramic augmentiert und anschließend mit einer
Membran abgedeckt (im Sinne einer Stabilisierung). Stricker konnte
hier über stabile Ergebnisse über einen 5-Jahres-Zeitraum
berichten.
Festsitzender Zahnersatz auf
Implantaten: Welches Abutment, welche Optionen?
Dr. Kay Vietor (Langen) ist seit vielen Jahren ein
echter Aktivposten in der Deutschen ITI-Sektion, sowohl im
Fortbildungs- als auch im Referentenbereich.
Kollege Vietor knüpfte mit seinen Ausführungen in idealer Weise
an die Fragen, die bereits Priv.-Doz. Boeckler in seinem Referat
aufgerufen hatte, an und räumte in Rahmen seines mit hervorragenden
Bildern ausgestatteten Vortrages ein, dass es heute zwar ungemein
viele Optionen zur prothetischen Versorgung gibt, dass allerdings
neben der reinen Verfügbar- und Machbarkeit auch forensische und
materialkundliche Aspekte zu beachten sind. Ausgehend von den frühen
Standardabutments über die individualisierten/individuellen
Abutments würdigte Vietor vor allem die aktuell oftmals angewandten
Zirkonoxidabutments, denen er vor allem im Frontzahnbereich hohe
Wertigkeit zusprach. Doch, so der Referent, „Titanabutments können
und sollen nicht generell durch solche aus Zirkonoxid ersetzt
werden“: Im Vordergrund bei der Wahl des Attachments müssen primär
patientenspezifische Auswahlkriterien gewählt werden. Um danach auf
der sicheren Seite zu sein, empfahl Kollege Vietor: „Halten Sie
sich an die Vorgaben der Konsensuskonferenz!“
Die digitale Praxis – welche
Konzepte, welche Perspektiven?
Charmant und eloquent zugleich
entführte Privatdozentin Petra Güß in die Welt der digitalen
Praxis. Die Freiburger Hochschullehrerin gab einen grandiosen
Einführungsvortrag, um nun als erste Frau in die Domäne der bis
dato rein männlichen Young-ITI-Referentenschaft einzubrechen, und –
dies kann heute schon aufgrund des Zuspruches, den ihr Beitrag
erfuhr, gesagt werden – es wird nicht ihr letzter sein! Faszinierend die Optionen des digitalen
Workflows, der gerade in der Implantologie von Erstkontakt des
Patienten bis zur Eingliederung der Suprakonstruktion reichen und
mitunter vieles vereinfachen und schneller, aber auch aufwendiger
machen kann. Frau Privatdozentin Güß erwies sich hier als klare
Expertin auf dem Gebiet der digital(isiert)en Zahnheilkunde.
Innovative Materialien – immer
besser? Immer wirtschaftlicher?
Zahntechnikermeister Thomas Lassen aus
Starnberg bereicherte mit seinem zahntechnischen Fach- und
Expertenwissen das Young ITI Meeting mit neuen, bis dato nicht
berücksichtigten Aspekten. Nicht nur die Zahnmedizin erlebt einen
furiosen Umbruch mit dem Einzug der Digitalechnik, dies betrifft
mindestens ebenso, wenn nicht sogar stärker, die Zahntechnik.
Kritisch zu betrachten
indes, so Lassen, sind Fragen der Haltbarkeit und Bewährtheit, vor
allem unter dem Gesichtspunkt, dass Patienten viele Jahre mit einem
suffizienten Zahnersatz versorgt werden sollen. Viele der aktuell auf
dem Markt eingeführten Produkte sind unter diesem Gesichtspunkt
nicht als „sicher“ einzustufen. Credo und Fazit des bayerischen
Zahntechnikers: „Setzen Sie auf Bewährtes!“