Implantologie 23.12.2014
Mini-Implantate: Vielseitige Optionen zur Verankerung von Teilprothesen
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Die Wiederherstellung der Kaufunktion stellt, insbesondere nach Zahnverlusten bei älteren Patienten, oft eine große Herausforderung dar. Die erwünschte Stabilität wäre durch festsitzenden Zahnersatz zwar geboten, jedoch ist eine Eingliederung einer festsitzenden Lösung aufgrund der wenigen und ungünstig im Kiefer verteilten Restzähne oft nicht mehr möglich. Auch eine implantologische Pfeilervermehrung für eine festsitzende Versorgung kommt wegen des großen finanziellen und operativen Aufwandes (z. B. Augmentation) häufig nicht infrage. Davon abgesehen bereitet die Pflege des festsitzenden Zahnersatzes vielen älteren Menschen infolge der eingeschränkten Feinmotorik Schwierigkeiten, wodurch sich die Lebensdauer des Zahnersatzes verkürzt.
In vielen Fällen bietet sich also ein herausnehmbarer Zahnersatz an. Zur Standardversorgung gehört dabei die Teilprothese, die mit unterschiedlichen Halteelementen von der Klammer bis hin zur Teleskopkrone versehen sein kann. Oft führt jedoch eine mangelhafte Retention der Teilprothese zu Druckstellen sowie zu Beeinträchtigungen beim Kauen und Sprechen.1,2 Weiterhin kann es durch die stärkere Belastung der Pfeilerzähne zu einer Kronenfraktur oder sogar zum Zahnverlust kommen. Folgender Beitrag soll anhand von drei Patientenfällen zeigen, wie sich die Retention von Teilprothesen bei reduziertem Knochenangebot durch Mini-Implantate verbessern lässt.
Mini-Implantate als zusätzliche Pfeiler
Diese einteiligen Implantate (z. B. MDI Mini-Dental-Implantate von 3M ESPE) mit einem Durchmesser von 1,8 bis 2,9 mm werden seit mehr als 15 Jahren erfolgreich eingesetzt und sind für den Langzeiteinsatz von der FDA freigegeben. Durch die Insertion von Mini-Implantaten ist es möglich, Teilprothesen lagestabil zu verankern und die noch vorhandenen Pfeilerzähne vor übermäßiger Belastung zu schützen. Somit ergibt sich nach kleineren Umarbeitungen eine verlängerte Lebensdauer des Zahnersatzes und eine erhöhte Lebensqualität für den Patienten durch eine wesentlich verbesserte Kau- und Sprechfunktion. Geeignet sind Mini-Implantate aufgrund des geringeren Durchmessers vor allem für ältere Patienten, die ein reduziertes Knochenangebot aufweisen. Auch Patienten mit Angst vor aufwendigen chirurgischen Eingriffen sind durch die verkürzte OP-Dauer für die Therapieoption mit Mini-Implantaten zu begeistern.
Systematische Planung
Um bei der Planung die Anzahl und Position der zu inserierenden Implantate zu bestimmen, ist es hilfreich, eine Klassifizierung des Lückengebisses vorzunehmen.3,4 Auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, wo zusätzliche Implantate nützlich sind. Der Hersteller gibt Anwendern hier-zu ein Planungsschema an die Hand, das von einer Arbeitsgruppe (u. a. der Universität Greifswald) entwickelt wurde (Abb. 1 und 2). Analysiert wird die klinische Situation für Ober- und Unterkiefer jeweils auf Quadranten-Ebene. Es wird davon ausgegangen, dass die Wertigkeit von Pfeilerzähnen je nach deren Position variiert: Eckzähne haben die höchste Wertigkeit. Bei Vorhandensein dieser sind wenige zusätzliche Pfeiler erforderlich. Die Wertigkeit nimmt in der Reihenfolge Molaren – Prämolaren – Schneidezähne weiter ab. Daraus resultiert eine Einteilung in sechs Klassen: Klasse 0 stellt den zahnlosen Quadranten dar, bei dem (analog zu den Empfehlungen der implantologischen Gesellschaften für konventionelle Implantate) je nach Kiefer zwei bis drei strategische Mini-Implantate pro Quadrant inseriert werden sollten. In Klasse 5 ist ein Quadrant einzustufen, bei dem der Eckzahn sowie ein zusätzlicher Zahn ab Position 4 vorhanden sind, sodass keine strategischen MDI Mini-Dental-Implantate mehr notwendig sind. In Abhängigkeit der Prognose der Pfeilerzähne und der patientenspezifischen Situation ist durch den behandelnden Zahnarzt zu entscheiden, ob weitere (optionale) Mini-Implantate zu inserieren sind. Das Planungsschema lässt sich auch dann anwenden, wenn anstelle von natürlichen Zähnen konventionelle Implantate als Pfeiler zur Verfügung stehen. Anhand einiger Fallbeispiele wird die korrekte Planung und Umsetzung des Konzeptes im Folgenden näher erläutert.
Patientenfall 1
In der Praxis stellte sich ein 70-jähriger Patient mit einer Unterkiefer-Teilprothese vor, die auf dem noch verbliebenen Zahn 43 mit einer Klammer verankert war. Zusammen mit dem Patienten wurde entschieden, durch Insertion von Mini-Implantaten die Belastung des letzten Pfeilerzahnes zu reduzieren und den Halt der Prothese zu verbessern. Aufgrund eines sehr schmalen Alveolarkamms wurden Mini-Implantate mit 1,8 mm Durchmesser und 13 mm Länge gewählt.
Anhand des o. g. Planungsschemas wurde die empfohlene Mindestanzahl an Mini-Implantaten ermittelt: Im zahnlosen 3. Quadranten (Klasse 0) wurden zwei Mini-Implantate in Regio 32 und 34 geplant. Im 4. Quadranten mit vorhandenem Eckzahn (Klasse 4) wurde zur Entlastung des Pfeilerzahnes entschieden, ein optionales Mini-Implantat in Regio 44 zu inserieren. Bei einem extrem schmalen Kieferkamm ist die Insertion der Mini-Implantate unter Lappenbildung sinnvoll, um auch hier die optimale Implantatposition zu erzielen. Abbildung 3 zeigt die Situation nach Implantatinsertion. Der Pfeilerzahn wurde mit einer Teleskopkrone versorgt und die bestehende Prothese umgearbeitet (Abb. 4). Bereits bei der Implantatpositionierung ist darauf zu achten, dass der Abstand zwischen den Mini-Implantaten mindestens 5 mm sowie zwischen Zahn und Implantat 6 bis 7 mm beträgt, damit ausreichend Platz für die Einarbeitung der Matrizen in die Prothesenbasis vorhanden ist. Eine zu geringe vertikale Höhe der vorhandenen Prothese erfordert oftmals die Einarbeitung eines gegossenen Metallbandes, um einen Prothesenbruch zu vermeiden. Abbildung 5 zeigt die Prothese im Patientenmund.
Patientenfall 2
Eine 60-jährige Patientin war ursprünglich mit einer durch zwei CEKA-Anker befestigte Teilprothese im Oberkiefer versorgt. Die Pfeilerzähne 12, 13 und 22, 23 waren überkront und mit CEKA-Anker versehen. Durch funktionelle Überbelastung erlitten die Zähne 22 und 23 eine Kronenfraktur (Abb. 6). Nach endodontischer Behandlung wurden die beiden Zähne mit Wurzelstiftkappen versorgt. Weiterhin war die Insertion eines Mini-Implantats in Regio 24 zur Vergrößerung des Stützungspolygons vorgesehen. Laut Planungsschema wäre zwar kein zusätzlicher Pfeiler mehr erforderlich (Klasse 4), aber eine weitere Abstützung erwies sich als sinnvoll, um das Einsinken des Prothesensattels im distalen Bereich zu verhindern. Nach einer Einheilzeit von drei Monaten (Abb. 7), die vom Hersteller der Implantate für die Indikation der Teilprothesenstabilisierung empfohlen wird, erfolgte die Präparation der Zähne zur Eingliederung der Wurzelstiftkappen (Abb. 8 und 9). Die ursprüngliche Teilprothese wurde umgearbeitet (Abb. 10). Abbildung 11 zeigt die Prothese im Patientenmund.
Patientenfall 3
Dieser Patient, Jahrgang 1957, hatte im Oberkiefer lediglich zwei verbliebene Eckzähne, die endodontisch zu versorgen waren (Abb. 12). Beide Zähne wurden mit Wurzelstiftkappen versorgt. Zusätzlich wurden zur Stabilisierung der Teilprothese zwei konventionelle Implantate (ANKYLOS, DENTSPLY Implants) im Frontzahnbereich inseriert. Aufgrund des stark konkaven Knochenverlaufs subnasal mussten die Implantate stark nach palatinal geneigt werden. Um eine ästhetisch zufriedenstellende Frontzahnaufstellung zu erreichen und um eine gemeinsame Einschubrichtung zu erzielen, war die individuelle Anfertigung von gegossenen Locatoren erforderlich. Diese sind somit nicht axial über den Implantaten platziert, sondern nach palatinal versetzt (Abb.13). Zur weiteren Abstützung und Verankerung wurde zudem entschieden, in der Prämolarenregion jeweils ein Mini-Implantat zu inserieren: Die Wahl fiel auf ein Implantat mit 2,4 mm Durchmesser und 13 mm Länge in Regio 14 sowie eines mit 2,9 mm Durchmesser und 13 mm Länge in Regio 24. Generell wird für den Oberkiefer aufgrund der geringeren Knochendichte ein größerer Implantatdurchmesser empfohlen als für den Unterkiefer. Abbildung 14 zeigt das Kontroll-OPG nach dem Setzen der Implantate, Abbildung 15 die Situation mit eingesetzter Prothese.
Fazit
Alle drei Patienten waren nach der Insertion der Mini-Implantate mit der Retention und der Lagestabilität ihrer Teilprothesen sehr zufrieden. Auch bei geringer werdender Abstützung – beispielsweise durch Verlust eines weiteren Pfeilerzahnes – können häufig noch weitere Mini-Implantate inseriert werden. Der vorhandene Zahnersatz lässt sich dazu ohne größeren Aufwand umarbeiten. Durch die Anwendung bei reduziertem Knochenangebot, die geringere Invasivität des chirurgischen Eingriffs und die damit verbundene Zeit- sowie Kostenersparnis haben sich Mini-Implantate neben den konventionellen Implantatsystemen etabliert.