Zahntechnik 29.06.2015

Schleimhautgetragene OK- und UK-Totalprothese



Schleimhautgetragene OK- und UK-Totalprothese

Foto: © Autor

Anlässlich des 9. Candulor KunstZahnWerk Wettbewerbs erstellte der achtplatzierte Michel Winter eine schleimhautgetragene OK- und UK-Totalprothese samt Dokumentation. Seit 1999 wird das Können von Zahntechniker, Zahntechnikermeister und Prothetiker bei dem dentalen Wettbewerb KunstZahnWerk unter Beweis gestellt. Der Fokus liegt auf der Herstellung von Prothesen.

Der Wettbewerb dient als Inspiration, was im Sinne des Patienten erarbeitet werden kann. Eine natürliche und funktionale Gestaltung der Prothese steht dabei im Vordergrund. Die Arbeiten werden jeweils am CANDULOR Messestand zur IDS (Internationale Dental-Schau) in Köln, der DENTAL BERN oder am LMT Lab Day in Chicago ausgestellt.

Patientendaten

Patient: Herr Schweizer 82-jährig, leptosomer, feingliedriger Typ

Anamnese: Herr Schweizer ist seit 45 Jahren Prothesenträger und leidet von Beginn an, trotz mehrmaligen Neuanfertigungen, unter einer schlecht sitzenden UK-Prothese. Der sehr aktive Pensionist beklagt sich beim Erstgespräch insbesondere über Probleme beim Sprechen, Kauen und über immer wiederkehrende Druckstellen am Unterkiefer. Bezüglich der Ästethik wünscht sich Herr Schweizer eine ähnliche, aber auch schönere Zahnstellung angelehnt an Jugendbilder. Elementar ist für ihn, dass die neuen Zahnprothesen nicht mehr als solche erkannt werden.

Einartikulieren: Mittelwert

Artikulatoreinstellung: Kondylenbahnneigung: rechts auf 28° einstellen, links auf 30° einstellen

Bisslage: neural

Ästetische Frontzahnstellung: natürliche, dezent lebendige Aufstellung; Labialer Lippenkontakt entspricht dem Gipswall

Seitenzähne: Bukkaler Wangenkontakt entspricht dem Gipswall

Künstliches Zahnfleisch: farblich individuell gestalten

Hygiene: gute Hygiene des Patienten

Dokumentation

1. Einartikulieren

Die Okklusionsebene an der Bissschablone wurde auf die Höhe des Gummibandes ausgerichtet. Der lnzisalstift zeigt auf die unteren Zentralen zwischen den Einsern. Gleichzeitig wird die Modellmitte mit dem lnzisalzeiger ausgerichtet. Der lnzisalstift sollte auf Null stehen. Die Kondylenbahnneignung wird auf rechts 28° und links auf 30° eingestellt (Abb. 1–3).

2. Modellanalyse

Vor dem Einartikulieren wurde die anatomische Unterkiefermodellmitte in sagittaler Richtung halbiert. Danach zeichnet man mit dem waagerecht gehaltenen Profilzirkel die höchste Erhebung des Kieferkamms an, sowohl im UK als auch im OK. Zur Festlegung der größten Kaueinheit im UK wird aus sagittaler Betrachtung der tiefste Punkt im Kieferkammverlauf markiert. Mit dem Profilzirkel wird der sagittale Kieferkammverlauf auf dem Modellsockel eingezeichnet. Es wird eine parallele Linie zur Okklusionsebene, die den tiefsten Punkt des sagittalen Kieferkammverlaufs berührt, angezeichnet. Nun wird die blaue Funktionszone, frontal und dorsal, des tiefsten Punktes des Kieferkammes markiert. Hinter der roten Stopplinie sollte kein Zahn mit Antagonistenkontakt aufgestellt werden (Abb. 4–6).

3. Vorwall

Mithilfe des Gipswalls wird ein Vorwall für die Aufstellung erstellt. Die Mittellinie wird angezeichnet und die Eckzahnspitzen werden Mithilfe der Modellanalyse im Oberkiefer ermittelt. Demnach wurden die Spitzen der ersten großen Gaumenfalten ca. 1 mm verlängert und auf den Vorwall übertragen. Dies ist eine mittelwertige Position der Eckzähne. Auf Jugendbildern des Patienten ist eine dreieckige Zahnform zu erkennen. Nach der Ermittlung der Frontzahnbreite, mithilfe des Vorwalls, war klar, dass die Zahnform 882 perfekt zu seinen Wünschen passt. Bevor die Aufstellung beginnt, werden alle Zähne angeraut und mit Retensionen versehen (Abb. 7–9).

4. Aufstellung Frontzähne

Die Schneidekanten der OK-Frontzähne werden nach dem tiefsten, vordersten Punkt des Vorwalls und der Mittellinie ausgerichtet. Dabei muss die vertikale Kontur des Vorwalls für die labiale Ausrichtung der Frontzähne beachtet werden. Die Eckzahnspitzen werden auf die Eckzahnpunkte des Walls gestellt. Die Schneidekanten zeigen nach innen und der Zahnhals nach außen. Die Labialachsen stehen nach mesial. Die 2er werden gemäß Jugendbilder ergänzt (Abb. 10–12).

Die unteren Frontzähne werden individuell ergänzt. Die distale lnzisalkante der unteren Eckzähne zeigt in Richtung Kieferkammmitte. Hierbei ist auf die sagittale Stufe und den Überbiss zu achten. Es war zu erkennen, dass die 6er Position mit dieser Frontzahnstellung nicht einzuhalten ist (Abb. 13–14).

5. Aufstellung Seitenzähne

Der obere erste Prämolar wird provisorisch aufgestellt. Die Achsneigung ist etwas steiler als die beim Eckzahn. Die beiden Höcker stehen parallel zu Okklusionsebene. Der untere erste Molar wird auf den tiefsten Punkt des Kieferkammverlaufs gestellt und mit dem Statik-Laser überprüft. Hierbei sollte auf die Einhaltung der Spee-Kurve geachtet werden. Bukkale und linguale Höcker stehen parallel zu Okklusionsebene (Abb. 15–17).

Die oberen Seitenzähne werden ergänzt. Hierbei ist darauf zu achten, dass der palatinale Höcker des 2. Prämolaren in die Kaumulde seines Antagonisten greift. Ebenso wird der obere erste Molar so platziert, dass der mesiopalatinale Höcker in die zentrale Fossa des unteren zentriert. Hierbei müssen die Kaukräfte auf den Kieferkamm auftreffen. Dies wird bei jedem Seitenzahn mit dem Statik-Laser überprüft. Da die Einhaltung des Okklusisonsprinzips der Seitenzähne und der statischen Punkte sehr wichtig ist, egab sich daraus eine geringe Umstellung der Frontzähne, was zur Folge hat, dass der labiale Lippen- und Wangenkontakt nicht ganz eingehalten werden kann (Abb. 18–19).

6. Modellation

Die Aussenflächen der Prothesenkörper werden muskelgriffig gestaltet. Die Oberkiefer-Gaumenfalten wurden denen des Patienten nachempfunden (Abb. 20–22).

7 . Fertigstellung

Bis zu diesem Schritt war noch nicht ganz klar, aus welchem Kunststoff die Prothesen bestehen sollen. Die Entscheidung fiel dann auf eine individuelle Zahnfleischgestaltung mit Candulor Aesthetic und einem Prothesengrundkörper aus Polyan Plus. Die beiden Aufstellungen werden in die Spritzgussküvette von Dental Plus eingebettet. Zum Schutz der Zähne werden sie mit Silikon umschlossen (Abb. 23–25).

Nach dem Aushärten der Gipses wird das Wachs ausgebrüht und die Modelle leicht abgedampft. Die Modelle werden mit Fitwasser restlos gereinigt und mit der Dental Plus Isolierung isoliert. Da die Zähne vor der Aufstellung schon mit Retensionen versehen wurden, müssen sie jetzt nur noch mit dem Haftvermittler Vita Coll benetzt werden (Abb. 26–28).

Das Zahnfleisch wird in der Medium-Charakerisierung gestaltet. Hierzu wird Candulor Aesthetic in der Farbe 53 und 55 in die Küvette eingeschichtet und im Drucktopf ausgehärtet. In der Zwischenzeit wird das Dental Plus Spritzgussgerät auf 260° vorgeheizt und die Kartusche eingelegt. Diese ist nach 15 Min. bereit zum Spritzen (Abb. 29–31).

Nach dem Aushärten und der Überprüfung, ob sich die Küvette noch schließen lässt, wird der Kunststoff mit Vita Coll und Visio Link angeätzt. Die Küvette wird in das Gerät eingelegt und das Polyan Plus in den übrigen Hohlraum hineingespritzt. Zum Tempern kommt die Küvette für 10 Min. in das Ausbrühgerät (Abb. 32–34).

Nach ausreichender Abkühlzeit lassen sich die Prothesen schnell und einfach ausbetten. Die Oberkieferbasis wurde in Polyan Plus klar gespritzt. Polyan Plus weißt höchste Körperverträglichkeit auf und ist somit auch für Allergiker geeignet.
Es besitzt eine geringe Nachschrumpfung und hat dadurch hohe Passgenauigkeit. Des Weiteren hat es eine sehr gute Bruch- und Biegefestigkeit, ist farbstabil und hat eine hohe Transluzenz. Es hat ein dichtes Materialgefüge und ist somit resistent gegen Ablagerungen und leichter zu reinigen (Abb. 35–37).

Nun werden die beiden Prothesen mit verschiedenen Hartmetallfräsern ausgearbeitet. Die Okklusion wird funktionell eingeschliffen und jeder Kontaktpunkt sowie die Exkursionsbewegungen genaustens überprüft. Vor der Hochglanzpolitur am Poliermotor werden die Fissuren der Zähne minimal farblich individualisiert (Abb. 38–40).

8. Die fertigen Prothesen

Die Totalen können nun in den Patientenmund eingesetzt werden. Durch die Politur haben sie eine sehr glatte Oberfläche und einen hohen Glanz. Sie wirken sehr natürlich. Die klare Basis im Oberkiefer wird die Farbe des natürlichen Zahnfleisches gut annehmen. Der Patient erhält somit den höchstmöglichen Tragekomfort (Abb. 41–43).

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