Implantologie 10.03.2016

Prävention von Komplikationen in der Implantologie



Prävention von Komplikationen in der Implantologie

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Die Prävention von Komplikationen in der Implantologie beginnt mit der Ursachenforschung des Zahnverlustes bzw. des Krankheitsbildes. Auch die Behebung von Komplikationen und die Periimplantitistherapie basieren auf dem wahren Grund des pathologischen Befundes. Der folgende Artikel dokumentiert ein solches Beispiel und zeigt in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten und Limitationen, sowohl der Ursachenforschung als auch der implantologischen Therapieansätze, auf.

Im vorliegenden Fall hat sich der Patient mit dem Wunsch (neben Beseitigung der Zahnlücken 26 und 46) nach Behandlung des lockeren Zahnes 22 vorgestellt. Die klinische Untersuchung ergab zunächst eine Lockerung von Grad II und eine Sulkus-Sondierungstiefe (SST) von 5 mm. Bei der Überprüfung der -Okklusion wies der Zahn 22 starke Kontakte bei der Schlussbisslage auf. Bei der Protrusion gab der Zahn nach und kippte nach labial, entlastete sich dann erst nach Kopfbisslage der Frontzähne. Perkusion und apikale Palpation waren unauffällig (Abb. 1).

Gleichzeitig zeigte die fünf Jahre alte Implantatkrone 12 eine SST von 7–8 mm und Pusaustritt bei koronaler Palpation. Eine Lockerung oder apikaler Druckpunkt waren nicht festzustellen. Vestibulär war ein deutliches horizontales Knochendefizit feststellbar. Das hier inserierte Implantat war ein One-Piece -Implantat Ø 3,0 mm (Abb. 2 und 3).

Planung

Der Zahn 22 wurde als nicht erhaltungswürdig eingestuft. Weder eine Schienung noch eine parodontologische Behandlung wäre in diesem Fall imstande, die Lockerung des Zahnes zu verbessern. Das Gewebe um den Zahn herum war reizlos und ohne Weichgewebsdefekte. Die bukkale Lamelle war nur koronal und apikal vorhanden. Eine Fenestration erstreckte sich im mittleren Teil der Alveole und war klinisch palpabel. Da wir keine Anzeichen einer aktiven Parodontitis feststellen konnten, haben wir uns für die Sofortimplantation entschieden. Präoperativ wurde eine Abformung durchgeführt und eine Marylandbrücke als provisorische Versorgung angefertigt.

Der Zahn 12 musste aufgrund der bedenklichen SST behandelt werden. Die Behandlung von Periimplantitis an One-Piece Implantaten ist schwierig, weil keine plastische Deckung möglich ist. Zugleich ist eine Implantoplastie bei einem Ø 3,0 mm-Implantat kontraindiziert, weil die Bruchgefahr sehr ansteigt. In diesem Fall haben wir uns für eine offene chirurgische Behandlung des Implantates entschieden.

 

 

Chirurgie

Der Faserapparat des Zahnes 22 wurde vorsichtig mit dem Periotom gelöst. Anschließend wurde ein Esthetic Buccal Flap (nach Steigmann) präpariert. Mesial erstreckte sich der Lappen bis zum Lippenband und nach distal, distal des Eckzahnes (aus ästhetischen Gründen). Die Entlastungsschnitte reichten vorerst nur bis zur mukogingivalen Grenze. Nach koronal wurde der Lappen in die keratinisierte Gingiva mit knöcherner Unterstützung gesetzt. Die Girlandenform diente der besseren Adaptation bei der Wundversorgung.

Die Präparation des Lappens zeigte eine Perforation der bukkalen Wand, von ca. 8 mm nach apikal, beginnend 2 mm unter dem Limbus alveolaris. Der Zahn wurde zusammen mit dem Granulationsgewebe entfernt und hinterließ eine fast vollständig saubere Alveole (Abb. 4 und 5). Es wurde ein Implantat (Ø 3,8 mm, Länge 12 mm) ca. 2 mm subkrestal (am obersten Rand der Perforation) gesetzt. Apikal griff die Implantatspitze ca. 4 mm im Knochen (Abb. 6). Das mitgelieferte Abutment als Einbringpfosten hilft schon bei der Implantation zur Beurteilung der Implantatpositionierung. Der Spalt zwischen Implantat und bukkaler Wand wurde mit autologem Knochen aus Spina nasalis anterior gefüllt. Zusätzlich wurde bukkal außerhalb des knöchernen Umschlages ein ca. 2 mm dicke Schicht Hydroxylapatit (HA) gelegt. Über den Implantathals wurde ebenso HA eingesetzt. Der Defekt wurde mit einer Kollagenmembran abgedeckt. Die Membran wurde mithilfe einer Schablone aus Alufolie zurechtgeschnitten und krestal unter der Zahnfleischbrücke über das Implantat palatinal unter der Gingiva fixiert (Abb. 7).

Die Spitzen des Lappens wurden mit 5-0 Prolene double loop single knot Nähten adaptiert. Der Rest wurde mit 6-0 Einzelknopfnähten verschlossen (Abb. 8). Das postoperative Röntgenbild zeigt das Implantat inseriert subkrestal und 4 mm unterhalb der Schmelz-Zement-Grenze der Nachbarzähne (Abb. 9).

Eine Woche später wurde die Marylandbrücke eingesetzt und es konnte sich dem Zahn 12 gewidmet werden. Da die Verhältnisse unter der Gingiva unklar waren, wurde sich für einen Dreieckslappen entschieden. Mesial dehnte er sich nur bis zur Papilla des Zahnes 11 aus, ohne sie vollständig zu lösen. Distal reichte der Lappen bis zur distalen Papilla des Zahnes 13. Um die Papilla nicht anzuheben, wurde unter die knöcherne Unterstützung 45 Grad nach distoapikal geschnitten und noch in der keratinisierten Gingiva vertikal bis zur mukogingivalen Grenze entlastet (Abb. 10). Die Darstellung des Defektes zeigte einen Krater ohne horizontalen Knochenverlust. Der Krater reicht distal bis zum Paradontium des Zahnes 13. Der vertikale Defekt war ca. 3 mm und die bukkale Wand sehr ausgedünnt, aber noch intakt. Das Infiltrationsgewebe wurde vorsichtig entfernt (Rosenbohrer und Ultraschall) (Abb. 11). Die Implantatoberfläche wurde mit speziellen Bürsten gereinigt. Anschließend wurde sie mit Oxytetracyclin für fünf Minuten dekontaminiert (Abb. 12). Der Spalt zwischen Implantat und bukkaler Wand (1–1,5 mm breit) wurde mit HA auf-gefüllt. Zusätzlich wurde eine dünne Schicht HA (1 mm) auf die bukkale Lamelle gelegt (Abb. 13). Der Defekt wurde mit einer langsam resorbierbaren Membran (24 Wochen) bedeckt. In derselben Sitzung wurde der Approximalkontakt zu 13 verkleinert und nach koronal reduziert. Der Interdentalraum wurde apikal des Approximalkontaktes verbreitert. Der Verschluss erfolgte wie im zweiten Quadranten.

Freilegung und prothetische Versorgung

Nach vier Monaten wurde das Implantat 22 freigelegt (Abb. 14–17). Zu diesem Zeitpunkt war das Implantat 12, nach erneuter klinische Untersuchung, unauffällig und ohne pathologischen Befund. Ein Standard-Gingivaformer wurde an 22 für zwei Wochen inseriert. Nach weiteren zwei Wochen wurde die definitive Krone auf ein Standardabutment eingesetzt (Abb. 18).

Diskussion

Prävention durch Ursachenforschung

Der Grund, warum ein Zahn entfernt werden muss, ist für die Planung der Behandlung maßgeblich. In diesem Fall lag ein Verlust des Faserapparates vor, bedingt wahrscheinlich durch ein sekundäres okklusales Trauma. Es gab keine Anzeichen einer akuten Parodontitis wie Blutung, Pusaustritt oder imflammatorische Befunde des marginalen Zahn-fleisches. Ebenso abwesend waren Anzeichen einer kombinierten Paro-Endo-Läsion. Die Nachbarzähne waren gesund, lediglich ein generalisierter horizontaler Knochenabbau wurde festgestellt – bei einem 70-jährigen Patienten durchaus akzeptabel. Die Entscheidung zur Implantation schien eine gute Lösung zur prothetischen Rehabilitation. Die Sofortimplantation wurde bevorzugt, damit das Weichgewebe erhalten werden kann.

Das Implantat 12 zeigte hingegen viele pathologische Befunde einer Periimplantitis: Pusaustritt, erhöhte Sondierungstiefe, reduzierte Hygienemöglichkeit. Allerdings war es beschwerdefrei und dem Patienten erst ersichtlich, als es ihm auf Video gezeigt wurde. Obwohl vestibulär eine erhebliche Resorption der bukkalen Lamelle feststellbar war, war das periimplantäre Gewebe durch den reduzierten Implantatdurchmesser immer noch ausreichend. Sowohl Weich- als auch Hartgewebe erfüllten die Anforderungen in der Quantität bzw. in den Voraussetzungen einer Periimplantitisbehandlung, so wie sie durchgeführt wurde. Der Abstand zwischen Implantatoberfläche und Außenfläche der bukkalen Wand betrug mindestens 1,5 mm. Auch genügend keratinisierte Gingiva war vorhanden. Als Ursache der Entzündung wurde der geringe Abstand der Krone bzw. des Abutments zu 13 festgelegt und der sehr lange und starke Approximalkontakt. Dadurch war die Reinigung mit der Zahnseide nicht möglich, da der Approximalkontakt sehr stark und flächig war. So wurde der Knochendefekt aufgefüllt und mit einer Membran gedeckt, gleichzeitig der Approximalkontakt reduziert und koronal versetzt. Der Recall ein Jahr nach Behandlung zeigt eine reizlose Situation, Hygiene ist gewährleistet.

Das Implantat 12 zeigt auf der einen Seite die Vorteile durchmesserreduzierter Implantate. Durch kleinere Durchmesser kann das vorhandene Gewebe besser ausgenutzt werden, ohne immer aufbauende Maßnahmen durchführen zu müssen. Das konkav gestaltete Abutment bietet dem Gewebe genügend Platz, um eine neue biologische Breite zu formen. Auf der anderen Seite haben solche Systeme auch Nachteile. Es gibt keine Möglichkeit der Abutmentgestaltung oder -individualisierung. Ein Knochenaufbau ist nur bedingt möglich, weil man nicht in der Lage ist, eine plastische Deckung durchzuführen. Bei einem anderen klinischen Bild, z.B. falsche Implantatpositionierung oder -neigung, wäre die Periimplantitisbehandlung erschwert oder gar unmöglich.

Prävention durch Gewebestabilität

In dieser Fallpräsentation sehen wir zwei unterschiedliche Wege zur Gewährleistung der Gewebestabilität. Beim One-Piece Implantat 12 wurde ein 3 mm-Durchmesser gewählt. Ohne dass wir natürlich die Ausgangssituation genau beurteilen können, wurde dadurch die Mindestbreite des vestibulären Knochens garantiert. Durch die Sofortimplantation wurden die Papillen erhalten. Bei eine hohen Lachlinie wäre trotzdem das ästhetische Ergebnis mangelhaft. Beim Implantat 22 mit 3,8 mm Durchmesser und einem zweiphasigen System war es leichter, das notwendige Emergenzprofil zu realisieren. Augmentiert wurde lediglich nur die bukkale Perforation, da koronal eine Knochenbrücke ohne Defekt vorhanden war. Die Marylandbrücke hat das Weichgewebe gestützt und aktiv manipuliert. Eine Sofortversorgung erschien problematisch, weil das Implantat nur apikal im Knochen verankert war.

In beiden Fällen allerdings war die richtige Positionierung des Implantates für den Erfolg entscheidend. Vor allem die falsche Neigung und die Positionierung außerhalb des knöchernen Umschlages sind Fehler, die nicht korrigiert werden können und zu einer Explantation führen.

Prävention durch Materialienauswahl

Neben dem Implantatsystem und seinen prothetischen Möglichkeiten, ist die Wahl der Biomaterialien sehr wichtig. Autologer Knochen sollte immer die freiliegende Implantatoberfläche bedecken. Alternativ kann ein resorbierbares Material angewandt werden, welches vom Eigenknochen ersetzt wird. Bei zweizeitigem Vorgehen bieten HAs mehr Stabilität für das Augmentat während der Einheilphase. Augmentationen außerhalb der Kieferanatomie resultieren zu besseren Ergebnissen mit nicht resorbierbaren Materialien, weil der Organismus dazu neigt, resorbierbare Augmentate dort langfristig abzubauen.

Implantate mit krestalen Optionen, wie z.B. ein laserhergestelltes Rillenmuster, Implantat 22, erhöhen die Gewebestabilität des Knochens, wenn auf Knochenniveau gesetzt, oder des Weichgewebes, wenn suprakrestal gesetzt. Auch konkave Gestaltungen von Abutments, z.B. durch individualisierte Abutments, realisieren eine Knochenanlagerung an der Implantatschulter oder einen Weichgewebsring. Dadurch wird der krestale Knochen geschützt und die Abwesenheit eines Faserapparates, wie es bei den Implantaten der Fall ist, wird kompensiert.

Risikomanagement und Risikovermeidung

Ein modernes Implantatsystem zeichnet sich nicht nur durch seine Oberfläche aus, sondern auch durch die Optionen, die es bringt. Die Implantation an 22 ist nur mit einem System möglich, welches eine sehr hohe Primärstabilität bringt. Man bedenke, dass hier nur die Implantatspitze im Knochen inseriert war. Lediglich palatinal bestand Kontakt zum Kiefer. Ein hoher, maschinierter Implantathals wäre unvorteilhaft. Die Strecke, die das Abutment braucht, um das notwendige Emergenzprofil zu erreichen, limitiert oft die Positionierungsmöglichkeiten. One-Piece Implantate sind sehr limitierend in der Verwendung und die Restorationen schwer zu erweitern. Letztlich gibt es kein Design, welches universell einsetzbar ist. Die genaue Planung einer noch so einfachen Behandlung, von der Chirurgie bis zur Prothetik, ist der beste Weg, um Risiken zu minimieren und Komplikationen zu vermeiden. Nur wenn wir die Gründe für einen Befund oder eine Komplikation kennen, sind wir in der Lage, eine langfristig funktionierende Lösung zu finden.

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