Cosmetic Dentistry 18.05.2024
Digitaler Workflow: Planung und Umsetzung einer ästhetischen Korrektur
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Ein minimalinvasiver Ansatz bei der Behandlung von Patienten sollte immer im Vordergrund stehen. Heutzutage wünschen sich viele Patienten, auch das Endergebnis so gut wie möglich bereits im Vorfeld der Behandlung optisch veranschaulicht zu bekommen, um sich für oder gegen eine Behandlung zu entscheiden. So haben digitale Simulationen von kieferorthopädischen Behandlungen oder das Digital Smile Design mittlerweile Einzug in fast jeder Zahnarztpraxis gefunden, die sich auf die ästhetische Behandlung spezialisiert hat. Beide Technologien werden von diversen Anbietern auf dem Markt angeboten. Doch wie kann man diese digitalen Tools der Zahnmedizin nutzen, um eine Behandlung von der Planung über die Simulation bis zur Umsetzung sicher und transparent für die Patienten zu gestalten?
In diesem Artikel soll anhand eines Fallbeispiels veranschaulicht werden, welche Möglichkeiten digitale Tools bieten. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die digitale Planung gelegt. Sie ermöglicht es den Behandlern, transparent zu veranschaulichen, warum manchmal ein Kompromiss Sinn macht, um eine minimalinvasive Behandlung zum Wohle der Zähne (und meistens auch des Portemonnaies der Patienten) durchzuführen – und wo es keinen Sinn macht, da man das ästhetische Endergebnis stören würde. Es wird zudem verdeutlicht, dass digitale Tools dazu genutzt werden können, eine klare Strukturierung der Behandlung zu veranschaulichen. Dadurch gelingt es, die Patienten besonders bei lang andauernden Behandlungen motiviert zu halten.
Vorgeschichte des Patienten
Die Patientin stellte sich im Rahmen einer Erstvorstellung mit einer Zahnfehlstellung im Frontzahnbereich Regio 15-24 sowie 34-44 und dem Wunsch, diese vor allem im Oberkiefer zu verbessern, vor. Sie möchte einfach „schöne Zähne haben“ und wünscht sich eine entsprechende Behandlung, wenn möglich „nur“ für die Zähne 12, 11 und 21. Die Brücke 25-27 wäre alio loco ca. vor sechs Monaten eingegliedert. Das würde sie zunächst nicht erneuern wollen (Abb. 1–3).
Allgemeine Anamnese
Die allgemeine Anamnese war unauffällig. Die Patientin rauchte nicht und hatte keine Vorerkrankungen oder Allergien.
Spezielle Anamnese (Abb. 4–6)
- Vorhandene, insuffiziente Brücke 25-27 aus NEM
- Insuffiziente Wurzelfüllung Zahn 27
- Insuffiziente Füllungen Zähne 15, 13, 11, 21, 23, 24
- Engstand im Ober- und Unterkiefer
- Deckbiss
- Mundwinkelrhagaden durch den abgesenkten Biss
- Ungleichmäßiger Buccal-Korridor, verursacht durch den Engstand
- Zahn 15 nach palatinal verlagert (Kreuzbiss)
Digitale Planungsphase
Nach einer ausführlichen, mündlichen Beratung in der ersten Sitzung verstand die Patientin die Vorteile der digitalen Planung und entschied sich dafür. Auch die Umsetzung der Behandlung sollte soweit möglich mithilfe von digitalen Tools durchgeführt werden. Hierzu wurden intra- und extraorale Bilder nach gängigem ästhetischem Protokoll angefertigt und Ober- und Unterkiefer gescannt. In einem zweiten Termin wurden die analysierten Daten vorgestellt und mit ihr besprochen. Um der Patientin eine Vorstellung vom Endergebnis zu bieten, wurde mithilfe eines Digital Smile Design ein Vorher-Nachher-Effekt erzeugt.
Folgende Erkenntnisse wurden durch die digitale Planung klar (Abb. 7–11):
- Durch die digitale Simulation erkannte die Patientin, dass eine alleinige Behandlung der Zähne 12, 11, 21 – wie anfangs von ihr gewünscht – nicht zum gewünschten Endergebnis führen wird.
- Es wurde deutlich, dass die Brücke 25-27 nicht zwangsläufig erneuert werden muss, um ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis zu bekommen.
- Eine „Full Arch Behandlung“ zur ästhetischen Korrektur des Lächelns war nicht unbedingt nötig.
- Um den Zahn 12 bei der Präparation zu schonen und insgesamt eine minimalinvasive Behandlung durchzuführen, muss der Engstand im Oberkiefer aufgelöst werden.
Therapie
Aus den bei der Planung entstandenen Erkenntnissen folgte die Therapieplanung, die sich in vier Abschnitte gliederte:
1. Abschnitt: Optimierung der häuslichen Mundhygiene
Auf Grundlage der digitalen Planungsphase zeigte sich, dass es in diesem Fall nicht notwendig war, den Unterkiefer kieferorthopädisch mitzubehandeln. In einigen Fällen kann dies jedoch aus unterschiedlichen zahnmedizinischen Gründen unumgänglich sein. Zudem würde man durch die Doppelkronen 44, 45 mit Anhänger 46 auch hier einen Kompromiss in der Korrektur eingehen müssen. Geldwerter und zeitlicher Einsatz würden keinen Benefit für die Patientin erzeugen.
Um eine kieferorthopädische Behandlung durchzuführen, sollte besonders Wert auf die häusliche Mundhygiene gelegt werden. Da bereits insuffiziente Restaurationen im Mund vorhanden waren, war es das Ziel, diese ohne nennenswerten weiteren Schaden über die Zeit der kieferorthopädischen Behandlung zu „retten“, bis man mit den prothetischen Maßnahmen beginnt. Aus diesem Grund wurde in einem Zeitraum von sechs Wochen die Patientin „Fit für Zuhause“ gemacht. Hierzu wurden im Rahmen einer professionellen Zahnreinigung intensiv Mundhygiene-Tipps vermittelt und diese Anhand der Erstellung des Approximalraum-Plaque-Index (API) und BnS veranschaulicht. Es erfolgte eine wöchentliche Kontrolle, sodass sich nach ca. sechs Wochen die häusliche Mundhygiene der Patientin deutlich verbesserte und die ersten Aligner eingegliedert werden konnten. Während der kieferorthopädischen Behandlung erfolgte eine regelmäßige Kontrolle der Mundhygiene im Rahmen professioneller Zahnreinigungen, um Schaden von den Zähnen und vom Zahnhalteapparat fernzuhalten bzw. vorzubeugen.
2. Abschnitt: Kieferorthopädische Behandlung
Die kieferorthopädische Behandlung erfolgte auf Wunsch der Patientin mit Aligner. Die Ziele der Behandlung waren wie folgt (Abb. 12–16):
- Generell den Engstand im Oberkiefer auflösen
- Zahn 12 wieder palatinal eingliedern
- Zahn 15 nach buccal bewegen – Kreuzbiss auflösen
- Zahn 14 derotieren
Die Vorteile der kieferorthopädischen Behandlung wurden der Patientin durch die digitale Planung deutlich:
- Durch die generelle Auflösung des Engstandes hat sie nach abgeschlossener kieferorthopädischer Behandlung die Wahl: Sie kann die Behandlung auch da abschließen, falls ihr das ästhetische Ergebnis ausreicht.
- Wenn nach der kieferorthopädischen Behandlung eine prothetische Versorgung gewünscht sein sollte, kann man insgesamt minimalinvasiver vorgehen.
- Auch die häusliche Mundhygiene ist stark vereinfacht, wenn die Zähne gerade stehen – ganz egal, ob diese später prothetisch versorgt werden sollen oder nicht.
- Durch die Änderung des Bisses wird das spätere Risiko verringert, dass die vorhandenen Zähne einen Schaden durch Malokklusion nehmen. Zudem wird das Risiko einer möglichen Schädigung im Bereich des Kiefergelenkes minimiert.
3. Abschnitt: Prothetische Behandlung
Nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung erfolgte eine sechsmonatige Pause, um die Stabilität des Ergebnisses zu kontrollieren. Die Patientin war mit dem Ergebnis der kieferorthopädischen Behandlung zufrieden. Die Bilder und Simulationen aus der digitalen Planung verhalfen ihr zusätzlich zu der Entscheidung, eine prothetische Versorgung der Zähne vorzunehmen.
Nach einer Evaluation des Ergebnisses der kieferorthopädischen Behandlung erfolgte gemeinsam mit ihr die Planung der Prothetik. Hierzu wurde anhand der digital bereits gesammelten Daten ein digitales Mock-up erstellt und mithilfe einer Übertragungsschablone im Mund anprobiert. Das Mock-up ist ein sehr gutes Werkzeug, um letzte Unsicherheiten sowohl seitens der Patienten als auch seitens der Behandler zu beseitigen. Trotz vorheriger digitaler Visualisierung sollte dieser Schritt bei der ästhetischen Planung und Umsetzung nie ausgelassen werden. In diesem Fall wurde bei der Anprobe des Mock-up deutlich, dass der Patientin die Zähne 12, 11, 21 und 22 optisch viel zu lang gewesen wären, hätte man diese direkt ohne Mock-up hergestellt (Abb. 17–18).
Das Mock-up verhalf aber auch zu folgenden weiteren Erkenntnissen:
- Zahn 24 muss mit einer Vollkrone versorgt werden.
- Zähne 14 und 15 können mit einer Teilkrone versorgt werden.
- Die Zähne 12 und 22 können mit Veneers versorgt werden.
- Die Zähne 11 und 21 können mit Teilkronen bzw. Veneers versorgt werden.
- Die Zähne 13 und 23 sollten mit Kronen versorgt werden.
- Die Zähne 16, 17, 25-27 sind bei vollem Lachen und Sprechen nicht sichtbar und müssen deshalb aus rein ästhetischen Gründen nicht in die Planung miteinbezogen werden.
Aus diesen Erkenntnissen erfolgte als nächster Schritt die Präparation der Zähne und die digitale Umsetzung der prothetischen Versorgung. Die Daten der präparierten Stümpfe wurden mit der Cerec Omnicam gesammelt. Die Restaurationen wurden aus e.max CAD (Ivoclar) Blöcken erstellt und unter zahnmedizinisch gängiger Vorgehensweise adhäsiv befestigt (wird hier nicht näher erläutert, da es vom Thema abweicht; Abb. 19–22).
Bisheriges Fazit
Die gesamte Behandlung wurde von Anfang an digital geplant und sicher umgesetzt. Die Patientin blieb während der gesamten Behandlung motiviert, da sie wusste, wie das Endergebnis aussehen soll und was sie erwartet. Die Hintergründe für die Vorgehensweise und die vorgeschlagene Therapie waren für die Patientin während der gesamten Behandlung einleuchtend und motivierend.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine minimalinvasive Behandlung sich nicht nur darin versteht, dass man die augenscheinlich zu behandelnden Zähne wenig oder gar nicht präpariert, sondern, dass man bestimmte Zähne komplett aus der Behandlungsplanung rausnehmen kann (in diesem Fall 17, 16,25, 27 und der gesamte Unterkiefer!).
Ob der Behandler die Therapie bestimmter Zähne priorisiert oder zeitlich nach hinten verschiebt, ergibt sich aus einer funktionellen und ästhetischen Analyse. Digitale Tools vereinfachen hierbei die Entscheidungsfindung.
4. Abschnitt: Endodontische Revision des Zahnes 27 und Erneuerung der Brücke 25-27
Durch die digitale Planung und Veranschaulichung der Behandlung konnte der Patientin die Notwendigkeit der endodontischen Revision des Zahnes 27 nähergebracht werden. Mithilfe der digitalen Scans und der intraoralen Bilder konnte außerdem ein Loch in der Brücke festgestellt werden. Natürlich hätte der Behandler auch die Brücke 25-27 bei der Behandlung der Zähne 16-24 ersetzen können. Aber: das war nicht das Hauptziel und nicht der Grund, weshalb die Patientin am Anfang vorstellig wurde. Eine Aufklärung über die Behandlung sollte nicht nur die Maßnahmen verdeutlichen, sondern auch die Dringlichkeit dieser zeigen. Natürlich sollten hierbei zahnmedizinische Diagnosen und Prognosen nicht außer Acht gelassen werden. Gleichzeitig sollten die Wünsche der Patienten besprochen und in Betracht gezogen werden. Aus diesen Gesprächen ergab sich in dem vorliegenden Fallbeispiel, dass die Erneuerung der Brücke 25-27 erst als Letztes erfolgen soll und – solange stabil und beschwerdefrei – auch erfolgen kann. Da die Erneuerung dieser aber nicht mehr zum Thema dieses Artikels passt und den Rahmen sprengen würde, wird dieser Teil nicht behandelt.
So viel soll dazu gesagt werden: Durch die vollständige digitale Bearbeitung des Falles konnte dieser in vier Therapieabschnitte geteilt werden. Jeder Therapieabschnitt konnte sicher umgesetzt werden. Das letztendliche Ziel, welches die meisten Behandler bei einer so lang andauernden Therapie anstreben, konnte erreicht werden: Die Motivation der Patientin, die gesamte Behandlung durchführen zu lassen, war immer gegeben – der Digitalisierung sei Dank.
Dieser Artikel ist in der Cosmetic Dentistry 04/2023 erschienen.