Cosmetic Dentistry 15.05.2013
Full Mouth Rehab auf Lithiumdisilikat-Glaskeramikbasis
share
Einleitung
Die Beeinträchtigung der Funktion und der Ästhetik durch verloren gegangene Vertikaldimension des Mittelgesichtes und die zahnärztliche Therapie stellen hohe Ansprüche an das gesamte Team. Sowohl funktionelle Dysfunktionen und Pathologien wie Erkrankungen des CMD-Komplexes können neben der häufig psychischen Komponente bedingt durch ästhetische Einbußen eine Kompromittierung im Alltag darstellen. Im vorliegenden Fall wurde ein massives Abrasionsgebiss, bedingt durch ein Unterkiefer-Protrusionshabit, über ein Langzeit-Provisorium auf Lithiumdisilikatbasis initial therapiert. Sowohl die funktionelle als auch eine ästhetische Verbesserung standen bei der Therapiewahl im Vordergrund und verdeutlichen einmal mehr, dass Ästhetik immer der Funktion folgen muss und das Weichgewebsprofil des Mittelgesichts von dentalen und skelettalen Faktoren konditioniert wird.
Material und Methode
Ein 54-jähriger Patient stellte sich in unserer Praxis vor mit dem Wunsch nach einer Behandlung seiner massiv abradierten Zähne im Oberkiefer und Unterkiefer. Sowohl funktionell als auch ästhetisch war der Patient, der viel in der Öffentlichkeit steht, stark beeinträchtigt. Nach eingehender Untersuchung, Modellanalyse, Beratung und Kiefergelenkvermessung wurde ein Imaging (Abb. 1) mithilfe des Programms Envision a Smile (Indianapolis), das von unserem Freund und Kollegen Dr. George Kirtley entwickelt wurde, angefertigt und zur Patientenkommunikation eingesetzt. Eine Schienentherapie zur Bisshebung lehnte der Patient ab. Aufgrund des Einbruches der Stützzonen und Reduzierung in der Vertikaldimension war das Mittelgesicht deutlich komprimiert, und eine Anhebung der Bisshöhe um 3,8 mm war erforderlich, um eine Verbesserung der Mittelgesichtsrelationen wiederherzustellen (Abb. 4). Das Lippenschlussbild in entspannter Lage zeigte nach kaudal zeigende Mundwinkel (Abb. 2) mit invertiertem Lippenrot der Ober- und Unterlippe, und im leicht geöffneten Zustand war von den oberen Schneidekanten nichts zu sehen. Intraoral zeigen sich massiv abradierte Zähne insbesondere im Frontzahnbereich mit Sichtbarwerden der Pulpenkavitäten, Zahn 21 wurde aufgrund des massiven Substanzverlustes alio loco endodontisch versorgt (Abb. 5). Unabdingbar für eine erfolgreiche Behandlung solcher komplexen Fälle ist die Herstellung eines diagnostischen Wax-up, um nicht nur eine Kommunikationsbasis mit dem Patienten zu finden, sondern auch, um realistische Behandlungsziele respektive einer ästhetischen und funktionellen Versorgung umzusetzen (Abb. 6). Anhand dieser Basis kann dann entsprechend ein Mock-up hergestellt werden zur Kommunikation und eine Tiefziehschiene zur provisorischen Versorgung. Die intraorale Situation vor der Behandlung (Abb. 7) zeigt einen massiven Deckbiss mit den ent- sprechend abradierten Zähnen. Die Parodontalsituation wies eine gesunde und stabile gingivale Manschette auf. Nach Eingliederung der auf Basis des Wax-up erstellten Tiefziehschiene war der dramatische Substanzverlust sehr deutlich, etwa 50–60 Prozent der Zahnhartsubstanz war durch das protrusive Habit fehlend. Nach Präparation und Abformung mit einem Polyethermaterial wurden Meistermodelle hergestellt (Labor van Iperen, Wachtberg). Um eine funktionelle Bisssituation zu schaffen, war eine Bisshebung von ca. 3,6 mm notwendig. Diese wurde bei der Gestaltung der temporären Versorgung nach Präparation durch ein Kunststoff-Provisorium auf Bis-Methyl-Metacrylatbasis schon umgesetzt, damit der Patient adaptiv mit diesem Provisorium schon eine neuromuskuläre Programmierung des Kausystems, insbesondere des Bandapparates und Kiefergelenkes, durchführen konnte. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, dass der Patient einer zeitintensiven Schienentherapie nicht zugänglich war. Trotz der massiven Bisshebung hatte der Patient mit der temporären provisorischen Versorgung überhaupt keine Probleme und kam mit der neuen Bisshöhe hervorragend zurecht, was eine Voraussetzung für das Umsetzen in Keramik war. Die Eingliederung der Lithiumdisilikat-Glaskeramikeinzelkronen (e.max, Fa. Ivoclar Vivadent) erfolgte adhäsiv mittels Variolink II (Fa. Ivoclar Vivadent). Die Seitenzahnrestaurationen (Onlays, Teilkronen) wurden mit RelyX Unicem eingegliedert (3M Deutschland). Wegen des Habits war der Patient angehalten, tagsüber in Stresssituationen und nächtlich eine Aufbissschiene mit adjustierter Oberfläche und Front-Eckzahnführung zu tragen. Trotzdem kam es mehrfach zu einem Verlust und Wiedereingliederung von Frontzahnkronen, da der sehr lange Hebelarm natürlich auch adhäsiv befestigte Restaurationen stark fordert. Eine Verblockung der Frontzähne ist im Einzelfall wie diesem entsprechend sinnvoll. Das Weichteilprofil des Patienten in der Seitenansicht vor der Behandlung verdeutlicht den massiven Stützzonenverlust und die Kompression des Mittelgesichtes. Die ästhetische Linie nach Steiner (Abb. 11a) wird zwar nicht nach Abschluss der LZP-Behandlung erreicht, jedoch wird der Abstand der Lippenmitte zu der Tangente deutlich verkürzt, was in einem ästhetisch ansprechenderem Ergebnis endet (Abb. 11b). Das Lippenprofil hat sich deutlich verbessert und durch die Bisshebung zu einem ansprechenderem Lippenprofil geführt. Durch die Bisshebung wurde die Inversion der Lippen, welche zu einem „Greisenmund“ führten, korrigiert, ebenso ist der Subnasal-Lippenwinkel positiv verändert. Bei leichter Mundöffnung sind nach Eingliederung die Schneidekanten sichtbar und lassen den Mund jetzt jünger erscheinen, und die Lithiumdisilikat Glaskeramik ermöglicht ein ästhetisches und natürlich wirkendes Erscheinungsbild (Abb. 12 und 13). Bei stärkerem Lachen in der En-face-Aufnahme wirkt der Patient jetzt harmonisch im Mundbereich, und die orofaziale Funktion als auch Ästhetik ist wiederhergestellt (Abb. 14).
Zusammenfassung
Bei einem 54-jährigen männlichen Patienten mit einer massiven Abrasion der OK- und UK-Frontzähne infolge eines Protrusionshabits wurde nach diagnostischem Wax-up und Mock-up eine langzeittherapeutische Versorgung mittels Lithiumdisilikat-Glaskeramikkronen (e.max, Fa. Ivoclar Vivadent) über eine Bisshebung von 3,6 mm ein stabiles ästhetisches und funktionell korrektives Ergebnis erzielt. Die Tragedauer des LZP sollte mindestens sechs Monate bis zur Umsetzung in die definitive Versorgung betragen. Wegen des massiven Habits war der Patient angehalten, eine Aufbissschiene nachts immer und tagsüber so oft es geht zu tragen, vorzugsweise in Stresssituationen (OPs). Die dentoskelettale Optimierung des Mittelgesichtes ist über eine dentale Behandlung und Wiederherstellung der Stützzone sehr gut realisierbar.
Diskussion
„Esthetic follows function“ ist ein immer wiederkehrender Begriff auf zahlreichen Kongressen, die sich mit dentalen, dentofazialen oder plastisch-chirurgischen Themen auseinandersetzen. Immer mehr rückt dabei ein interdisziplinäres Denken und Handeln in den Vordergrund. Wie dieser Fall zeigt, braucht das Mittelgesicht eine dentoskelettale Stütze zur Ausbildung harmonischer Proportionen. In vielen Fällen werden Filler zur dermalen Voluminisierung gewählt, ohne dass der Behandler sich für ganze drei Sekunden einen intraoralen Überblick verschafft. Die Grundlage für das Weichgewebe wird durch die skelettale und dentale Grundsubstanz erst ermöglicht und sollte nicht nur beim Zahnarzt in Betracht gezogen werden. In dem beschriebenen Fall erfolgte eine Korrektur der Bisshöhe und eine Restitutio ad integrum der Zahnhartsubstanz über ein LZP aus einer Lithiumdisikat-Glaskeramik, die optisch dem Patienten eine deutliche Verbesserung ermöglichte. Dies ist mit Sicherheit keine Standardtherapie, jedoch war es wegen des starken Bruxismus und der habituellen Protrusionsbewegung des Patienten sinnvoll, da eine LZP-Versorgung aus Kunststoff oder einem kunststoffbasierten Verblendmaterial zu stark abradiert und die Bisshöhe für den Zeitraum der Tragezeit nicht beibehalten kann. Auch wenn die funktionelle Rehabilitation in der Wertigkeit immer der kosmetischen vorzuziehen ist, wird durch diesen Fall verdeutlicht, dass Zähne für ein ästhetisches Gesamtergebnis sorgen und das (optische) Fehlen derselben ein Gesicht um Jahre altern lassen kann.
Literatur
[1]A segmented approach to full-mouth rehabilitation. Stevens CJ.Dent Today. 2012 Nov;31(11):106, 108–12.
[2] Use of zirconia to restore severely worn dentition: a case report. Agrawal M, Sankeshwari B, Pattanshetti CV. Case Rep Dent. 2012;2012:324597. doi: 10.1155/2012/324597. Epub 2012 Sep 5.
[3] Full-mouth reconstruction: The importance of treatment planning in restoring aesthetics and function.Cooper CC, Sosa AE. Dent Today. 2012 Aug;31(8):92–5.
[4] Prosthodontic rehabilitation of the patient with severely worn dentition: a case report. Hatami M, Sabouhi M, Samanipoor S, Badrian H. Case Rep Dent. 2012;2012:961826. doi: 10.1155/2012/961826. Epub 2012 Jul 9.
[5] Full-mouth rehabilitation of a patient with severely worn dentition and uneven occlusal plane: a clinical report. Moslehifard E, Nikzad S, Geraminpanah F, Mahboub F. J Prosthodont. 2012 Jan;21(1):56–64. doi: 10.1111/j.1532-849X.2011.00765.x. Epub 2011 Oct 7.
[6] Full mouth rehabilitation of severely attrited dentition. A case report. Kumar SN, Patil NP, Guttal SS, Nadiger RK. N Y State Dent J. 2010 Mar;76(2):47–50.
[7] Full-mouth adhesive rehabilitation of a severely eroded dentition: the three-step technique. Part 3.Vailati F, Belser UC. Eur J Esthet Dent. 2008 Autumn;3(3):236–57.
[8] Prosthodontic rehabilitation of a bruxer patient with severely worn dentition: a clinical case report. Mahboub F, Fard EM, Geramipanah F, Hajimiragha H. J Dent Res Dent Clin Dent Prospects. 2009 Winter;3(1):28–31. doi: 10.5681/joddd.2009.008. Epub 2009 Mar 16.
[9] Complete esthetic and functional rehabilitation with adheseveliy luted all-ceramic restorations - a case report over 4.5 years. Groten M. Quintessence Int. 2007 Oct;38(9):723–31.
[10] Rehabilitating a patient with bruxism-associated tooth loss: a literature review and case report. Yip KH, Chow TW, Chu FC. Gen Dent. 2003 Jan-Feb;51(1):70–4; quiz 75–6. Review. Erratum in: Gen Dent. 2003 Mar-Apr;51–2.
[11] Functional aesthetics and material considerations for full mouth rehabilitations. Martel VA.Dent Today. 2005 Jan;24(1):62, 64, 66–7. No abstract available.
[12] Perspective of facial esthetics in dental treatment planning. Mack MR. J Prosthet Dent. 1996 Feb;75(2):169–76. Review.