Digitale Zahnmedizin 18.01.2022
Revision trägerbasierter Wurzelfüllung
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Originaltitel „Revision trägerbasierter Wurzelfüllung mit Umgehung zweier Stufen“
Bei einer symptomatischen apikalen Parodontitis führt meist nur eine hinreichende Aufbereitung und Desinfektion des Wurzelkanals zur Schmerzausschaltung. Insbesondere bei schwieriger Ausgangssituation braucht es daher ein zuverlässiges und effizientes Feilensystem, um eine entsprechend suffiziente Versorgung zu schaffen. Anhand eines aktuellen Patientenfalls wird demonstriert, wie eine Revision trotz vorliegender Stufen und trägerbasierter Wurzelfüllung schnell und souverän gelingt.
Die endodontische Revision an sich bringt im Vergleich zur Erstbehandlung in der Regel bereits zusätzliche Schwierigkeiten für die Aufbereitung mit. Präparationsbedingte Stufen oder Perforationen können genauso vorliegen wie unbehandelte Kanalabschnitte und übersehene Kanäle. Bei älteren Patienten kommen mitunter weitere Herausforderungen dazu: Eine geringere Mundöffnung kann das Arbeits- und Sichtfeld einschränken. Verengte Wurzelkanäle entstehen ebenfalls vermehrt durch Bildung von Sekundär- und auch Tertiärdentin. In diesen Fällen braucht es umso mehr ein verlässliches Feilensystem, das eine effiziente Entfernung der zu revidierenden Obturationsmaterialien zur anschließenden Desinfektion und Obturation des Wurzelkanalsystems ermöglicht. Im folgenden Fall kamen neuartige NiTi-Feilen unter Einsatz eines vollautomatischen Endo-Motors zum Einsatz.
Komplexe Ausgangssituation bei Revisionsbehandlung
Im Herbst vergangenen Jahres wurde eine 87-jährige Patientin mit Schmerzen im dritten Quadranten an unsere Klinik überwiesen. Die klinische und röntgenologische Untersuchung (mittels Einzelbild und digitaler Volumentomografie) bestätigte den Verdacht auf eine symptomatische apikale Parodontitis an Zahn 36 (Abb. 1). Auf dem präoperativen Einzelbild ließ sich bereits erahnen, dass ein trägerbasiertes Wurzelfüllmaterial verwendet worden ist, des Weiteren waren im mesialen Kanalsystem zwei Stufen erkennbar. Zusätzlich musste von einem zweiten distalen Kanal ausgegangen werden. Bei der eigentlichen Aufbereitung kam der CanalPro™ Jeni Endo-Motor (COLTENE) zum Einsatz. Der Jeni ist ein digitales Endo-Assistenzsystem, das den Behandler bei der Navigation durch den Wurzelkanal unterstützt (Abb. 2). Komplexe Algorithmen steuern im Millisekundentakt die variablen Bewegungen der jeweils verwendeten NiTi-Feilen. Dabei passt der Endo-Motor Rotationsbewegung, Drehzahl und -moment kontinuierlich an die vorherrschenden Gegebenheiten im Kanal an. Wählt man auf dem Touchscreen des Geräts eines der Feilensysteme (COLTENE), kann man im vollautomatischen Jeni-Modus arbeiten. Rotationsbewegungen werden hierbei feinjustiert, ferner warnt ein akustisches Signal den Zahnarzt, wenn sich ein Feilenwechsel aufgrund des Widerstands im Kanal empfiehlt. So „kennt“ Jeni aktuell die Parameter und Instrumenteneigenschaften der HyFlex™ CM- und EDM-Serie sowie der MicroMega One Curve, 2Shape (beide COLTENE) und, ganz wichtig in unserem Fall, den Removerfeilen der Unternehmensgruppe.
Mechanische Entfernung der Kunststoffträger
Nach Anlage von Kofferdam und Präparation der Zugangskavität musste im nächsten Schritt das vorhandene Obturationsmaterial entfernt werden (Abb. 3 und 4). Dafür wurde ein hochtourig drehender HyFlex™ Remover eingesetzt (Abb. 5). Die Revisionsfeile entfernte die Materialien effizient aus dem Wurzelkanal, sodass bei der Behandlung auf ein zusätzliches Lösungsmittel verzichtet werden konnte. Anders als bei anderen Fällen wurden die Kunststoffträger im vorliegenden Fall nicht mit einem Hilfsmittel herausgezogen, sondern mechanisch zerspant. Das Video zeigt die Vorgehensweise. Die nicht schneidende Spitze der Revisionsfeile schützt bei diesem Vorgehen die umliegende Zahnhartsubstanz, wodurch die Handhabung zusätzlich erleichtert wird. Die verbliebene apikale Guttapercha wurde distal mithilfe einer reziprok arbeitenden MicroMega One RECI (COLTENE) der Größe 25/.06 entfernt (Abb. 6). Aufgrund ihres Querschnittsdesign zeichnet sich dieses Instrument durch eine hohe Schneidleistung aus, weshalb sie sich hervorragend für Revisionsbehandlungen eignet.
Konsequentes Vorarbeiten nach apikal
Für die erneute Aufbereitung der Wurzelkanäle kamen im Anschluss jeweils die entsprechenden NiTi-Feilen zum Einsatz. Normalerweise präpariere ich bei vorliegenden Stufen standardmäßig einen Gleitpfad mit Handinstrumenten. In diesem Fall konnte durch die Verwendung vorgebogener rotierender Instrumente auf die Schaffung eines manuellen Gleitpfads verzichtet werden. Die mesialen Stufen wurden hierbei umgangen, indem abwechselnd mit einer HyFlex™ EDM 15/.03 und HyFlex™ EDM 10/.05 gearbeitet wurde. Zeitgleich wurden die uninstrumentierten Kanalabschnitte erschlossen. Den zweiten distalen Kanal, der bei der ersten Therapie nicht behandelt wurde, instrumentierten wir mit den beiden oben genannten Feilen analog zur Aufbereitung der mesialen Kanäle. Auch hierbei konnte auf die Schaffung eines manuellen Gleitpfads vorab verzichtet werden.
Die komplexe Feilenansteuerung des vollautomatischen Endo-Motors gab bei jedem Behandlungsschritt ein sicheres Gefühl, selbst in dem nicht zuvor gescouteten Kanal. Der Motor passt selbstständig die Drehbewegung der Feilen im Kanal an. Dadurch arbeitet man sich beständig mit leichtem Druck von koronal nach apikal voran. Zuerst benötigt man für diese sonst ungewohnte Arbeitsbewegung etwas Überwindung, lernt man doch traditionell bei rotierenden Instrumenten, mit tupfenden Handbewegungen dem eigenen taktilen Feedback zu vertrauen. Die automatische Anpassung der Feilenbewegung durch den Motor macht die Aufbereitung jedoch noch schneller und sicherer, als sie ohnehin schon mit modernen NiTi-Feilensystemen zu bewerkstelligen ist.
Nach erfolgter Gleitpfadpräparation wurde folgende HyFlex™ EDM-Sequenz verwendet: Zuerst das 20/.05 Instrument, anschließend die 25/~ HyFlex™ EDM OneFile sowie final in allen Kanälen die 40/.04 (Abb. 7–10). Ein akustischer Signalton des Endo-Motors markierte jeweils, wann idealerweise gespült werden sollte, um den abgetragenen Debris aus dem Kanal zu spülen. Obturiert wurde mit einem biokeramischen Sealer (BioRoot RCS, Septodont) in Single-Cone-Technik (Abb. 11–13). Die Kontrastaufnahme mit den Masterpoints und die abschließende Röntgenkontrolle nach der Obturation zeigten die Schonung der Kanalanatomie unter Beibehaltung des ursprünglichen Verlaufs (Abb. 14–16).
Fazit
Iatrogene Schäden und verengte Kanäle machen Revisionen oftmals zu einer Fahrt durch unwegsames Gelände. Der Einsatz passender NiTi-Spezialfeilen erlaubt die zügige mechanische Entfernung von Obturationsmaterial sowie die Schaffung eines natürlichen Kanalverlaufs. Der vollautomatische Endo-Motor wacht dabei über die Feilenbewegung und sorgt für eine effiziente Aufbereitung – dadurch kann insbesondere bei symptomatischer apikaler Parodontitis eine schnelle Schmerzreduktion erzielt werden.
Dieser Beitrag ist im Endodontie Jahrbuch 2022 erschienen.