Implantologie 25.09.2025

Versorgung von komplexen implantologischen Fällen im Kindes- und Jugendalter



Obwohl Implantate bei jungen Patienten aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Wachstums nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen, spielen digitale Technologien eine entscheidende Rolle bei der Planung und Simulation solcher Behandlungen. Durch präzise virtuelle Modellierung können Implantatpositionen und mögliche Komplikationen individuell berücksichtigt werden, was die Erfolgsaussichten deutlich verbessert.

Versorgung von komplexen implantologischen Fällen im Kindes- und Jugendalter

Foto: Dr. Maria Grazia Di Gregorio-Schininà

Die zahnmedizinische Behandlung und prothetische Versorgung von jungen Patienten im Kindes- und Jugendalter mit kieferorthopädischen Anomalien, Zahnaplasien, Kieferhypoplasien, Zahnstrukturstörungen sowie syndromalen Erkrankungen stellt eine große Herausforderung für die Behandler im Praxisalltag dar.

Malokklusionen, Dysgnathien und orofaziale Dyskinesien sind weltweit und in Deutschland weit verbreitet und betreffen ca. eine von zwei Personen.1 Es ist besonders wichtig, diese Befunde rechtzeitig zu diagnostizieren und die entsprechenden Therapiemaßnahmen einzuleiten, da besonders neuromuskuläre Fehlfunktionen und dysfunktionale Angewohnheiten die physiologischen Wachstumsprozesse stören können. Ein besonderes Augenmerk ist auf das Auftreten von Zahnaplasie zu richten. Bei der Aplasie wird zwischen der Einzelzahnaplasie, der Hypodontie, Oligodontie und Anodontie unterschieden. Insgesamt werden 120 Syndrome mit Zahnaplasie in Verbindung gebracht. Auch exogene Faktoren wie Infektionen, Bestrahlung und Trauma können die Zahnentwicklung negativ beeinflussen.2, 3

Der Leidensdruck der betroffenen jungen Patienten hängt stark von der Ausprägung und der Vielzahl der Symptome und Befunde ab. Kinder gewöhnen sich schon früh an das Fehlen von Zähnen und adaptieren. Dennoch dürfen wichtige physiologische Aspekte nicht außer Acht gelassen werden da die fehlende Behandlung von Malokklusionen und Dysgnathien die Progredienz der Malokklusion beschleunigen kann und negative Auswirkungen auf Sprachentwicklung sowie Kau- und Schluckvorgänge haben. Zudem weisen Studien darauf hin, dass die fehlende Behandlung von Malokklusionen und Dysgnathien negative Auswirkungen auf die Entwicklung sozialer Kompetenzen und die Lebensqualität haben könnte.4, 5

Den aktuellen Leitlinien sind Empfehlungen zur kaufunktionellen Rehabilitation von Patienten zu entnehmen.6 Aufgrund der Komplexität und Vielschichtigkeit der Ausgangsbefunde ist bei jungen Patienten eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und enge Kooperation zwischen verschiedenen Disziplinen notwendig.

Die Indikationen für prothetische Versorgungen im Kindes- und Jugendalter beziehen sich auf die Herstellung der Funktion und Ästhetik im stomatognathen System. Dabei steht die Förderung der physiologischen perioralen Muskulatur und die Förderung der Entwicklung des somatischen Schluckmusters im Vordergrund. Bei der prothetischen Versorgung mit festsitzenden Restaurationen sollten non- und minimalinvasive Verfahren bevorzugt werden. Dysmorphe Zähne sollten nicht extrahiert werden. Die Rekonstruktion bzw. Modifikation der Zahnform mit Komposit eventuell in Kombination mit Teilprothesen zum Lückenschluss sollte angewandt werden. Der Einsatz von Adhäsivbrücken, die sich im Jugendalter für die Versorgung im Frontzahnbereich bewährt haben, sollte bevorzugt werden.7 Da seltene Erkrankungen der Zähne zumeist mit Befunden einhergehen, welche alle Milch- und bleibenden Zähne gleichermaßen betreffen, ist das Konzept der „Full-Mouth-Rehabilitation“ in vielen Fällen integraler Bestandteil der zahnärztlichen Behandlungsstrategie.12

Bild von einem Quotenzeichen
„Die jährliche Implantatmisserfolgsrate betrug bei Kindern 50,18 Prozent, bei Jugendlichen 4,61 Prozent und bei Erwachsenen
0,67 Prozent.“

Die prothetische Versorgung mit abnehmbaren Prothesen in Form von Teil-, Totalprothesen oder Coverdentures stellen bei multiplen Nichtanlagen eine gute Versorgungsmöglichkeit dar. Je früher mit der Behandlung begonnen wird, umso eher wird der Zahnersatz von den Kindern akzeptiert. Eine regelmäßige und engmaschige Kontrolle des Zahnersatzes ist unabdingbar, um rechtzeitige Anpassungen in Abhängigkeit vom Kieferwachstum und in Abhängigkeit vom Durchbruch von Zähnen vornehmen zu können.8, 9

Die implantologische Versorgung im Kindes- und Jugendalter ist nur in Ausnahmefällen indiziert. Die Empfehlung ist, mit der Implantation und der definitiven Zahnersatzplanung bis zum Wachstumsabschluss zu warten. Die Implantate nehmen nicht am normalen kraniofazialen Wachstum teil und verbleiben in Infraposition oder neigen zu unkontrollierten räumlichen Dislokationen, woraus eine Beeinträchtigung der prothetischen Ergebnisse resultieren kann.10 Eine Metaanalyse die u. a. die Implantatprognosen evaluiert hat, ergab, dass die Implantatüberlebensrate bei Kindern unter 13 Jahren deutlich niedriger ist und Implantatverluste bereits in der Einheilphase auftraten. Die jährliche Implantatmisserfolgsrate betrug bei Kindern 50,18 Prozent, bei Jugendlichen 4,61 Prozent und bei Erwachsenen 0,67 Prozent.11

Der Einsatz von digitalen Behandlungsstrategien zur Planung und Visualisierung von Behandlungsfällen erweist sich als deutlich vorteilhaft. Die virtuelle Planung kann im Vorfeld zur Aufklärung der Patienten und Eltern eingesetzt werden, um das Design des Zahnersatzes, das mögliche Behandlungsergebnis und die Grenzen nebst möglichen Komplikationen der Behandlung aufzuzeigen. Im Rahmen der Wachstumsverlaufskontrolle kann der Intraorascanner zudem eingesetzt werden, um das Wachstum sowie Zahnbewegungen im Vergleich zum Ausgangsbefund zu evaluieren.

Für die zahnärztlich prothetische Behandlung von Patienten im Kindes- und Jugendalter ist eine frühzeitige individuelle Behandlungsplanung unter Berücksichtigung interdisziplinärer Absprachen unbedingt einzuhalten. Eine langfriste und intensive prophylaktische und risikoorientierte Betreuung der Patienten ist zu empfehlen, um die Mundgesundheit sicherzustellen.

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Implantologie Journal 10/25

Implantologie Journal


Dieser Fachbeitrag ist im IJ Implantologie erschienen.

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