Endodontologie 27.06.2017
Intraligamentäre Anästhesie mit adrenalinfreiem Articain
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Die intraligamentäre Anästhesie gehört neben der Leitungs- und Infiltrationsanästhesie längst zu den drei primären Injektionstechniken der dentalen Lokalanästhesie.1 Mit ihren wenigen Nachteilen und Kontraindikationen kommt ihr in der Praxis eine große Bedeutung zu. In Kombination mit einem adrenalinfreien Lokalanästhetikum gelingen schmerzfreie präparatorische, endodontische und einfache oralchirurgische Eingriffe.1 Der folgende Fall demonstriert dies an zwei Einzelzähnen im posterioren Unterkiefer bei einem konservierenden Eingriff mit Ultracain® D ohne Adrenalin (Sanofi-Aventis Deutschland GmbH).
Sowohl für den Patienten als auch für den Behandler überwiegen die Vorteile der intraligamentären Anästhesie. So ist der Einstichschmerz – insbesondere unter Verwendung einer Oberflächenanästhesie – gering und nur wenig Lokalanästhetikum wird benötigt. Zudem entfallen postoperative Einschränkungen durch eine lang anhaltende und von vielen Patienten als störend empfundene Weichgewebsanästhesie. Nachinjektionen sind bei Bedarf einfach und auch unter Belassen des Kofferdams möglich. Jedoch ist die intraligamentäre Anästhesie bei Endokarditis, Herzklappenfehlern und Herzklappenprothesen sowie Immunsuppression bei hundertprozentigem Risiko einer Bakteriämie kontraindiziert. Die geringen Risiken von temporären Elongationen und Aufbissschmerzen lassen sich durch eine langsame und druckbegrenzte Injektion vermeiden. Als Lokalanästhetika sind Articain mit geringen Adrenalinkonzentrationen und Articain ohne Adrenalin Mittel der Wahl.1
Intraligamentäre Anästhesie im posterioren Unterkiefer
Im Rahmen einer Versorgung mit einem Implantat Regio 47 zeigte sich bei einer 40-jährigen Patientin eine insuffiziente Füllung mit ausgedehnten Zahnhartsubstanzdefekten an Zahn 46 und eine insuffiziente Aufbaufüllung nach suffizienter Wurzelkanalbehandlung an Zahn 44. Mit der Patientin wurde eine keramische Restauration von Zahn 46 und 44 besprochen. Die Patientin wies einen sehr guten Allgemein- und Gesundheitszustand auf. Die Anamnese zeigte keine Risikofaktoren oder Kontraindikation für Adrenalin. Dennoch entschieden wir uns nach Aufklärung und in Abstimmung mit der Patientin aufgrund der Kürze des Eingriffs und der geringeren Risiken gegenüber der ebenfalls zur Wahl stehenden Leitungsanästhesie für die intraligamentäre Anästhesie mit adrenalinfreiem Articain.
In unseren bisherigen klinischen Fällen zeigte sich, dass auch das adrenalinfreie Articain in der intraligamentären Anästhesie über die Dauer von etwa 30 bis 40 Minuten für eine ausreichend tiefe Pulpenanästhesie sorgt. So wäre diese Kombination von Injektionstechnik und Lokalanästhetikum auch bei absoluter Adrenalinkontraindikation geeignet.
Restauration unter intraligamentärer Anästhesie
Für die intraligamentäre Anästhesie brachten wir an Zahn 46 eine kurze 30 Gauge-Nadel durch den gingivalen Sulkus in das parodontale Ligament zwischen Zahn und Alveolarknochen ein.
Wir injizierten langsam ca. 0,2 ml adrenalinfreies Articain (Ultracain® D ohne Adrenalin, Sanofi-Aventis Deutschland; Abb. 1) pro Zahnwurzel unter Druckbegrenzung. Nach einer Latenzzeit von knapp einer Minute wurde an Zahn 46 die insuffiziente Füllung entfernt und für die Aufnahme einer keramischen Inlay-Versorgung präpariert. Zahn 44 wurde auf die gleiche Art und Weise anästhesiert, um eine schmerzfreie Präparation für eine keramische Vollkrone und die Fadenlegung zu gewährleisten. Nach schmerzfreier Präparation (VAS-Wert: 0) und Fadenlegung in Doppelfadentechnik (VASWert: 0; Abb. 2) erfolgte die Abformung mittels Doppelmischabformung mit A-Silikon (Aquasil Ultra, Dentsply Sirona) und die Herstellung einer temporären Versorgung mittels chairside gefertigten Provisorien aus LuxatempPlus (DMG; Abb. 3). Die Freilegung des Implantates 47 erfolgte in einer separaten Sitzung unter Infiltrationsanästhesie.
Schmerzfreier Eingriff
Zur Befestigung der definitiven Restaurationen wurde wieder eine intraligamentäre Anästhesie mit demselben Anästhetikum nach dem oben genannten Schema durchgeführt. Die laborgefertigten monolitihischen IPS e.max-Versorgungen (Ivoclar Vivadent) wurden mittels Variolink (Ivoclar Vivadent; Abb. 4 und 5) befestigt. Die suffiziente Amalgamfüllung des Zahnes 45 wurde nach Rücksprache mit der Patientin nicht mitversorgt.
Die Anästhesietiefe der adrenalinfreien intraligamentären Anästhesie war zu allen Zeitpunkten ausreichend. Laut Patientin wurden keine Schmerzsensationen oder andere unangenehme Empfindungen während der Präparation wahrgenommen (VAS-Werte: 0–1). Erst gegen Ende der Herstellung der provisorischen Versorgung im ersten Behandlungsabschnitt (nach circa 35 Minuten) stellte sich ein leichtes Empfinden wieder ein. Dies war laut Patientin noch nicht schmerzhaft und es wurde daher auf ein erneutes Anästhesieren verzichtet.
Fazit
Dieser Praxisfall zeigt, dass die intraligamentäre Anästhesie mit Articain ohne Adrenalin eine ausreichende Anästhesietiefe zur Präparation der beiden Einzelzahnversorgungen erreichte. Die Pulpenanästhesiedauer ist auf etwa 30 bis 40 Minuten zu schätzen. Bei längeren Behandlungen ist ein erneutes Anästhesieren möglich, um die Anästhesiedauer zu verlängern.
Literatur
1 Daubländer M., Kämmerer P., Liebaug F.: Differenzierte Lokalanästhesie. Dental Magazin 34 (8), 42–47 (2016).
Weiterer Autor: Malte Scholz
Der Artikel ist in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 6/17 erschienen.