Endodontologie 11.11.2014
Setzt sich die one file endo durch?
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Aufbereitungssystem Mtwo® versus RECIPROC®
Der Bereich der Endodontie ist ein wichtiger und fester Bestandteil des Behandlungsspektrums geworden. Die immer höher werdenden Hygieneanforderungen und die Affinität vieler Behandler zur einfachen maschinellen Aufbereitung machen die reziprok arbeitenden Instrumente so beliebt. Aber kann eine one file endo-Methode mit den Systemen der multiple file endo-Methoden konkurrieren? Ist das Ergebnis genauso erfolgreich und können damit selbst schwierige Fälle mit vorhersagbarem Ergebnis behandelt werden? Ist es wichtig, welches System der maschinellen Aufbereitung man benutzt? Eine Gegenüberstellung der Systeme RECIPROC® und Mtwo® der Fa. VDW soll darauf Antwort geben.
Der Sprung von der Aufbereitung mit Handinstrumenten zu den maschinellen Systemen haben bereits gezeigt, dass endodontische Maßnahmen in der Praxis wesentlich erfolgsgekrönter sind und somit auch die Zahnerhaltung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Denn vorhersagbarer und erfolgreicher endodontischer Zahnerhalt wird für viele Patienten immer wichtiger. Das Ziel der endodontischen Therapie lässt sich im Wesentlichen damit zusammenfassen, pulpale und periapikale Infektionen zur Heilung zu bringen sowie der Reinfektion oder der Ausbreitung dieser Infektionen im periradikulären Raum vorzubeugen.
Nur der Weg dorthin kann mühsam werden und birgt die ein oder andere Schwierigkeit, da die Morphologie von Wurzelkanälen es schwierig macht, eine gleichmäßige Bearbeitung und Glättung ohne Verlagerung der Kanalanatomie zu erreichen. Kann dies alles wirklich nur mit einer Feile erreicht werden? Dies verspricht das reziproke System; jedoch selten ohne einen ausreichenden Gleitpfad und der führt an einer Abfolge von Handinstrumenten meist nicht vorbei.
Dem/der endodontisch agierenden Kollegen/-in stehen eine Reihe vonWurzelkanalinstrumenten zur Verfügung;von Stahlinstrumenten bis zu hochflexiblen NiTi-Instrumenten. Die klassische Anwendung von NiTi-Instrumenten erfolgt in einer rotierenden Arbeitsweise, im Idealfall mit einem drehmomentbegrenzten Endodontiemotor. Unter der Vielzahl der auf dem Markt erhältlichen NiTi-Instrumentensets spielen bei der Auswahl meiner Ansicht nach nur zwei Parameter eine entscheidende Rolle: die Anwendersicherheit (Flexibilität und Frakturrisiko) und die Übersichtlichkeit des Systems. Die Instrumentenaufbereitung und Sterilisierbarkeit der Instrumente ist insofern irrelevant,als dass auch die Mehrfeilensysteme als Einmalinstrumente verwendet werden sollten. Denn egal ob aus Nickel-Titan oder Stahl, die Instrumente gemäß RKI-Anforderungen (kritisch B) entsprechend zu reinigen und noch viel weniger sterilisieren zu können, lässt zwingend folgern, dass Wurzelkanalinstrumente Einmalinstrumente sind.
Prinzip der reziproken Aufbereitung und des Simultaneous shapings
Die Reziprok-Instrumente tragen erst Wurzelkanaldentin im Gegenuhrzeigersinn ab, gefolgt durch eine Entlastung der Instrumente im Uhrzeigersinn. Die Gegenuhrzeigersinn-Bewegung ist länger als die Bewegung im Uhrzeigersinn, sodass circa in vier dieser reziproken Bewegungsabfolgen die Instrumente einen vollständigen Zyklus beenden. Die Winkel der reziproken Bewegung sind so abgestimmt, dass die Instrumente im Zusammenspiel mit Endomotoren ihre Elastizitätsgrenze nicht überschreiten können. Dadurch wird das Risiko von Instrumentenfrakturen minimiert.
Mit dem RECIPROC®-System der Firma VDW stehen dem Behandler drei Instrumente zur Verfügung, alle nach ISO-Farben gekennzeichnet (Abb.1). R25 bereitet den Wurzelkanal auf einen Durchmesser von 0,25 mm, mit einem Taper von .08 innerhalb der ersten apikalen Millimeter, auf. R40 auf einen Durchmesser von 0,40 mm, mit einem Taper von .06 und R50 auf einen Durchmesser von 0,50 mm, mit einem Taper von .05. Die Instrumente werden laut Hersteller aus einem sogenannten M-Wire® Nickel-Titan hergestellt. Durch einen thermischen Behandlungsprozess erreicht M-Wire® nach Herstellerangaben gegenüber traditionellem Nickel-Titan nicht nur eine höhere Resistenz gegen zyklische Ermüdung, sondern auch eine höhere Flexibilität. Die Instrumentenspitze ist nicht schneidend und hat einen s-förmigen Querschnitt (Abb. 2).
Die Instrumente des Systems Mtwo® der Firma VDW haben auch einen s-förmigen Querschnitt, jedoch zwei aktive Schneidekanten, die vertikale Spiralen bilden. Bei Mtwo®-Instrumenten mit höheren ISO-Größen und Tapern ist der Querschnitt reduziert. Dies soll die Flexibilität der Instrumente bewahren. Für alle Wurzelkanalanatomien gibt es eine einzige Sequenz. Sie entspricht der Single-length-Technik. Dabei werden alle Instrumente auf volle Arbeitslänge angewandt.
Zur apikalen Erweiterung stehen nach Anwendung der Basissequenz weitere Instrumente zur Verfügung. Nach Bedarf kann mit dem Mtwo®-System bis zu einer apikalen Aufbereitungsgröße von ISO 60 aufbereitet werden. Je nach Konizität des aufzubereitenden Kanals bietet das System, über die Basissequenz hinaus, auch Mtwo®-Instrumente mit höheren Tapern in den Größen 25/.07, 30/.06, 35/.06 und 40/.06 an (Abb. 3).
Flexibilität und Sicherheit
Die Voraussetzung für das sichere Arbeiten mit einem maschinellen Aufbereitungssystem ist eine korrekte Präparation der endodontischen Zugangskavität. Hierfür sollte man sich genügend Zeit lassen; entscheidend ist der geradlinige Zugang und eine Einstufung des Wurzelkanalsystems. Je gekrümmter die Wurzelkanäle, desto höher die Anforderung an eine gute Zugangskavität. Bei der reziproken Arbeitsweise ist eine Erweiterung der Kanaleingänge nicht zwingend zu präparieren, wogegen sie meiner Ansicht nach bei der Anwendung der Mtwo®-Instrumentenabfolge unerlässlich ist. Das Frakturrisiko wäre sonst zu hoch. Die RECIPROC®-Instrumente sind steril verpackt und können nicht sterilisiert oder autoklaviert werden, und demnach sind sie ausschließlich für den Einmalgebrauch vorgesehen. Dies erhöht die Sicherheit und minimiert das Frakturriskio im Vergleich zu Mtwo®-Instrumenten, welche für den mehrfachen Gebrauch vorgesehen sind. Aber auch hier empfiehlt der Hersteller den Einmalgebrauch oder ein penibles Sicherheitsprotokoll, um Risiken des sogenannten Torsionsbruches (torsionload) und des Ermüdungsbruches (cyclic fatigue) zu minimieren.1 Sowohl RECIPROC®- als auch Mtwo®-Instrumente sind nach jedem Arbeitsschritt visuell nach Abnutzungserscheinungen zu kontrollieren, um auch hier das Risiko einer Instrumentenfraktur zu minimieren. Während der Torsionsbruch durch Überschreitung eines legierungsspezifischen Drehmomentes im Wurzelkanal entsteht, kann der Ermüdungsbruch in gekrümmten Kanälen durch eine verzögerte Anwendung dieser Instrumente in diesen anspruchsvollen Kanalanteilen entstehen. Die Anwendung eines drehmomentgesteuerten Motors kann die Gefahr des „torsion load“ nahezu eliminieren.2
Übersichtlichkeit des Systems
„Das Gleitpfadmanagement kann ein anspruchsvoller undkomplizierter Vorgang sein, für den unter Umständen der kombinierte Einsatz von unterschiedlichen Stahl- und maschinell angetriebenen Nickel-Titan-Instrumenten erforderlich wird, um es sicher ausführen zu können.“3
Es ist richtig, dass die Arbeit mit dem RECIPROC®-System nur eine Feile erfordert. Es ist auch richtig, dass die Ergonomie der Praxis wesentlich erleichtert wird im Vergleich zu dem Mtwo®-System und dass ein „preflaring“ (koronale Kanaleingangserweiterung) nicht zwingend erforderlich ist. Und trotzdem sollte man das Gleitpfadmanagement in seine Behandlung integrieren; sich auf nur eine Feile zu beschränken wird nicht für alle Anforderungen ausreichen. Was die Wurzelkanalbehandlung jedoch erfolgreich macht, ist ein konsequentes und konzeptionelles Spülprotokoll. Studien4 belegen, dass für eine effektive Bakterienelimination eine intensive Spülung des Kanalsystems entscheidend ist, da nur etwa 65 Prozent der Kanalwände durch eine rein mechanische Aufbereitung erreicht werden kann. Hierbei ist die Kombination von verschiedenen Spüllösungen in ausreichender Konzentration mit ultraschallunterstützten Systemen der entscheidende Faktor. Auch das SAF-System („Self Adjusting File“) soll in dem Zusammenhang erwähnt werden.
Fazit
Meiner Erfahrung nach können ähnlich gute und vergleichbare Ergebnisse mit dem RECIPROC® als auch mit dem Mtwo®-System erzielt werden. Dies belegen u.a. zahlreiche Berichte in der Literatur.5 – 8 Der Behandler/die Behandlerin muss über fundierte Kenntnisse der Morphologie des Wurzelkanalsystems, Material- und Instrumenteneigenschaften sowie über die nötige optische Vergrößerung verfügen, um iatrogene Fehler zu vermeiden und die Schwierigkeiten während einer Wurzelkanalbehandlung managen zu können.
Der einzige Vorteil des Mtwo®-Systems gegenüber dem RECIPROC®-System ist, dass der Behandler/die Behandlerin gezwungen ist, mehrere Spülintervalle zu vollziehen aufgrund des häufigen Instrumentenwechsels. Folgt man jedoch bei der Anwendung der reziproken Aufbereitung einem strikten Spülprotokoll, gibt es meiner Ansicht nach diesen Vorteil nicht mehr.
Die Gefahr der Instrumentenfraktur ist meiner persönlichen Erfahrung nach wesentlich geringer mit dem RECIPROC®-System, auch traten weniger häufig Komplikationen auf, wie Stufenbildung und Verlagerung des Wurzelkanals. Subjektiv erscheint auch der Dentinabtrag wesentlich effizienter mit dem RECIPROC®-System. Klinisch sind selbst schwierige Kanalanatomien zu bewältigen und gute Erfolge zu erzielen.
Für mich würden bei einer Neuanschaffung oder Umstellung der maschinellen Aufbereitung die Vorteile der reziproken Arbeitsweise überwiegen.
Hier gibt's die vollständige Literaturliste