Implantologie 21.09.2016
Sofortversorgung mit Implantaten im prämolaren Bereich des Oberkiefers
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Die Implantologie ist heute fester Bestandteil der zahnärztlichen Versorgung. Durch Weiterentwicklung der Techniken und modifizierte Implantatdesigns werden in der Regel zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Anspruchsvoll ist die Sofortversorgung im Frontzahnbereich. Bei den hier vorgestellten Untersuchungen handelt es sich um eine prospektive, nicht randomisierte praxisbezogene Studie, die elf Monate lang durchgeführt wurde. Für die Studie wurden 38 Patienten für eine Sofortversorgung im Frontzahnbereich ausgewählt.
Die Versorgung im Oberkieferbereich stellt heute technisch gesehen eine etablierte Methode dar. Aufgrund der anatomischen Verhältnisse bestehen im Oberkiefer hohe technische Anforderungen. Daher liegen nur relativ wenige Fallbeschreibungen zur Sofortversorgung im lateralen Bereich der Maxilla vor.3,5,7,15–17 Die Sofortimplantation gewährleistet in der Regel den Erhalt der rot-weißen Ästhetik, da es zu keinen Verlusten in der Gingivahöhe und dem Gingivaverlauf kommt. Nach Extraktion schreitet die Knochenresorption rasch voran, deshalb sollte ein nach Extraktion entfernter Zahn im seitlichen Frontzahnbereich möglichst schnell ersetzt werden. Für ein optimales ästhetisches Resultat ist jegliches Knochen- oder Weichgewebedefizit inakzeptabel.6 Gegebenenfalls müssen Knochenstrukturen aufgebaut werden.3 Erschwerend sind die anatomischen Verhältnisse, da maxillare Frontzähne und laterale Zähne über markante Wurzeln verfügen und oft nur dünne bukkale Wände vorliegen. Das Weichgewebedefizit über der Alveole erschwert zudem den primären Wundverschluss. Nach vorsichtiger Zahnentfernung ist die bukkale Lamelle auf Unversehrtheit zu überprüfen, um einen optimalen Inkorporationserfolg des Implantates zu bekommen.
Material und Methode
Eine gute prächirurgisch-prothetische patientenindividuelle Planung und eine genaue Diagnostik sind neben dem chirurgischen Vorgehen essenzielle Voraussetzungen für den Langzeiterfolg eines Implantates und für eine hohe Patientenzufriedenheit. Die Positionierung des Implantates im Frontzahnbereich sollte vor allem ästhetische Aspekte berücksichtigen, es ist auf eine ausreichende bukkale Knochendichte zu achten.
Zwischen Juni 2015 und November 2015 wurden konsekutiv 38 Patienten (23 Frauen und 15 Männer, Altersdurchschnitt: 38 Jahre, keine Raucher) für eine Sofortversorgung im Frontzahnbereich ausgewählt. Es wurden ein oder zwei Prämolaren extrahiert und durch ein Implantat ersetzt (Dental Ratio Implant System, Diameter 3,75). 30 Patienten erhielten ein Implantat, acht Patienten zwei Implantate. 25 Implantate wurden in den Regionen 14 sowie 24 und 21 Implantate in den Regionen 15 und 25 gesetzt. 18-mal lag die Defektklasse 1, 12-mal die Defektklasse 2 und sechsmal die Defektklasse 3 vor. Bei sechs Patienten mit Defektklasse 1 wurde nicht augmentiert (Tab. 1). Ausschlusskriterien für eine Sofortversorgung waren allgemeine Faktoren wie schwere Herzinsuffizienz, Leber- und Nierenerkrankungen, metabolische Erkrankungen, neurologische Erkrankungen, Karzinome sowie Nikotinabusus, schlechte Mundhygiene, aggressive Parodontitis, multiple kariöse Läsionen mit gleichzeitigem Vorliegen von schweren endodontischen Komplikationen.
Antibiotikagabe
Vor der Extraktion fanden eine mikrobiologische Untersuchung und eine Vorabgabe von Antibiotika statt, diese wurde nach der Operation fortgesetzt. Eine mikrobiologische Kontrolle des Therapieerfolges sollte sechs Wochen nach Ende der Antibiotikagabe erfolgen. Zusätzlich wurde eine Spülung mit Chlorhexidin (0,2 %, zweimal täglich) verordnet. Folgende Therapien sollten je nach Vorliegen der Keime durchgeführt werden:
- Amoxicillin: dreimal täglich 500 mg über zehn Tage
- Ampicillin/Sulbactam: zweimal täglich 375 mg (bis 750 mg) Sultamicillin über zehn Tage
- Amoxicilloin/Clavulansäure: dreimal täglich 500/125 mg über zehn Tage
- 2. Wahl: Clindamycin: viermal täglich 300 mg über sieben bis zehn Tage
Alternativ zur systemischen Antibiose ist folgende lokale Behandlung empfehlenswert:
- doxycyclinhaltiges Gel
- metronidazolhaltiges Gel
Die HELBO-Therapie wurde zur gezielten Entfernung von Bakterien eingesetzt.
Chirurgisches Vorgehen und Implantation
Alle Patienten erhielten ein individuelles Mundhygieneprogramm und anschließend eine professionelle Zahnreinigung (PZR), kombiniert mit dem Scaling. Alle Eingriffe wurden von demselben erfahrenen Chirurgen durchgeführt. Der Operationsbereich wurde mit Ultracain DS Forte 1,7 ml anästhesiert und dann wurde der Zahn vorsichtig mit einem Mikrohebel ohne Lappenbildung atraumatisch extrahiert. Das Granulationsgewebe wurde kürettiert und das Epithel am Alveolenrand mit dem 15er-Skalpell (Martin Solingen) entfernt. Die zirkulären Bereiche um die Wunde wurden mit einem extraweichen Diamanten aufgearbeitet. Unter Erhalt der Papille wurde zirkulär mit einem Miniskalpell präpariert und das Bindegewebe mit einem feinen Diamanten entfernt und gegebenenfalls das Augmentationsmaterial appliziert. Die bukkalen und krestalen Konturen des Weichgewebes sollten nach der Extraktion möglichst gut erhalten bleiben. Eine Verletzung der bukkalen Lamelle muss während des Fräsvorganges weitgehend vermieden werden.9,10,15–17
Augmentation
Zum Knochenaufbau wurden entweder NanoBone® und im apikalen Bereich zur Optimierung des weichen Gewebes Hyaloss verwendet. Hyaloss ist eine resorbierbare Hyaluronmatrix, die aus Fasern der Hyaluronsäure zusammengesetzt ist. Hyaluronsäure hat einen positiven Einfluss auf Fibroblasten, Knochenregeneration und die Wundheilung und ist ein physiologischer, extrazellulärer, ubiquitärer Bestandteil des Bindegewebes der Mundschleimhaut.
Implantation
Alle Implantate wurden maschinell inseriert. Danach wurden Einheilkappen aufgesetzt und die Lappen geschlossen, ohne das Implantat abzudecken (Bohrer und Osteotom 31, Innovation Palm). Insbesondere beim Vorliegen der Knochenqualität 4 war die Verwendung des Osteotoms hilfreich. Um den Knochen apikoronal zu komprimieren, wurde mit dem Hammer geklopft. Gewindeschneider wurden nicht verwendet. Die Implantate wurden mit einer provisorischen Krone versehen. Nach sieben bis zehn Tagen sollte die Wunde keine Auffälligkeiten aufweisen.
Postoperative Nachsorge
Die Patienten nahmen eine Stunde vor Operation und sechs Tage nach der Operation zweimal täglich Augmentan 875/125 mg (GlaxoSmithKline GmbH). Nach der Operation blieben die Patienten für mindestens vier Stunden zur Kontrolle in der Praxis. Um Verletzungen zu vermeiden, sollten die Zähne für drei Wochen nicht geputzt werden. Stattdessen erfolgte dreimal täglich eine Mundspülung für circa eine Minute mit 0,2 % Meridol (CHX, GABA).
Das Behandlungsergebnis wurde nach folgenden Parametern beurteilt:
Die Sondierungstiefe PD wurde nach vier bis sechs Monaten an jedem Implantat
mesial, distal, bukkal und palatinal (Parodontalsonde XP23/UNC 15, Hu-Friedy) bestimmt, der Plaquetest nach Mühlemann durchgeführt, die Blutung sondiert und ein möglicher Knochenverlust dokumentiert.14 Es erfolgte eine endgültige Versorgung mit Metallkeramiken oder Zirkonkronen. Für alle Fälle lagen bis zum jetzigen Beobachtungszeitraum gute Ergebnisse vor.
Alle 46 Implantate waren optimal osseointegriert. Bei allen Patienten wurde das weiche Gewebevolumen erfolgreich mit minimalen horizontalen und vertikalen Veränderungen erhalten. Das periimplantäre Weichgewebe um alle Implantate war unauffällig. Lediglich in einem Fall war später eine minimale Augmentation indiziert, um eine optimale bukkale Knochenkontur zu optimieren. Das periapikale Röntgenbild zeigte in einem Fall einen minimalen krestalen Knochenverlust, in sechs Fällen Mukosarezession an der Bukkalseite.
Anforderungen an eine erfolgreiche Sofortimplantation
Die sorgfältige Beurteilung des periimplantären Weichgewebes und des knöchernen Lagergewebes muss durch festgelegte standardisierte Verfahren erfolgen:
Wichtig sind hier der Sulkusblutungsindex, der Plaque-Index (Silness und Löe, 1964), der Papillenindex, die ergänzende Bestimmung der Sondierungstiefen sowie die Qualität der Gingiva. Knochenqualität und Knochenquantität wurden nach dem von Lekholm und Zarb (1985) vorgeschlagenen Schema beurteilt.11,13
Die Erhaltung intakter Alveolarwände wurde gemäß der Tarnow-Klassifikation angestrebt. Hier erfolgt die Unterscheidung in drei Taschentypen:
Typ 1: Weichgewebe und bukkale Knochenplatte befinden sich auf gleichem Niveau. Beim Vorliegen des Typ 1 ist die Sofortimplantation unproblematisch.
Typ 2: Das Weichgewebe ist vorhanden, aber die bukkale Platte fehlt nach der Zahnextraktion. Dieser Typ stellt die größte Gruppe dar, ist aber nicht immer einfach zu diagnostizieren.
Typ 3: Weichgewebe und Knochen sind erheblich reduziert.
Allgemeines operatives Vorgehen
- Wenn möglich erfolgte eine atraumatische Extraktion.
- Das Lappendesign richtete sich nach den periimplantären Verhältnissen, so kann eine Implantation ohne Lappenbildung durchgeführt werden. In der Regel wurde eine Lappenbildung vorgenommen.
- Danach schloss sich die GBR (Guided Bone Regeneration) an. Zum Schutz der Augmentation wurden resorbierbare Membranen eingesetzt.
- Die palatinale Positionierung des Implantates erfolgt mit 30–40 Ncm unter Erreichung einer hohen primären Stabilität. Ein Drehmoment von 45 Ncm sollte nicht überschritten werden.
- Schließlich wurde der bukkale Spalt aufgefüllt. Es fand eine sofortige provisorische Versorgung statt.
- Nach ausreichender Osseointegration und Ausformung der Schleimhaut erfolgte die definitive Versorgung, zumeist nach sechs Monaten.
Fallvorstellungen
Exemplarisch werden Fälle zweier Patienten vorgestellt. Anhand der Bilddokumentation ergibt sich die Beschreibung der Implantationstechnik und des Verlaufes.
Fall 1: 28-jährige Patientin, ohne klinische oder lokale Befunde.
Fall 2: 72-jährige Patientin, ohne klinische und lokale Befunde.
Diskussion
Die Implantologie ist heute fester Bestandteil der zahnärztlichen Versorgung. Durch Weiterentwicklung der Techniken und modifizierte Implantatdesigns werden in der Regel zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Anspruchsvoll ist die Sofortversorgung im Frontzahnbereich. Bei Zahnlücken im Frontzahnbereich geht es nicht nur darum, die Funktionalität der Zähne wiederherzustellen, sondern auch der Ästhetik (Lachlinie) Rechnung zu tragen. Für den Erfolg ist der Zustand des Kieferknochens ein zentraler Faktor sowie der Anteil und die Qualität der Mukosa. Letztendlich muss der erfahrene Implantologe entscheiden, ob im individuellen Fall eine Sofortimplantation angezeigt ist.
Bei diesen Untersuchungen handelt es sich um eine prospektive, nicht randomisierte praxisbezogene Studie, die elf Monate lang an 38 Patienten durchgeführt wurde. Die Daten zeigen, dass für Einzelzahnimplantation im seitlichen Frontzahnbereich direkt nach Extraktion und GBR ein geringes Komplikationsrisiko besteht und erfolgreiche Resultate erreicht werden können. Dieses stimmt mit Ergebnissen mehrerer Kurzstudien verschiedener Implantatsysteme überein.2
Viele Autoren verwenden den Begriff der Socket Preservation für die Behandlung von Alveolen mit intaktem bukkalem Knochen, obwohl die Alveole aus klinischer Sicht immer gefüllt und nicht erhalten wird.1 In einem aktuellen Review wurde berichtet, dass es zurzeit nicht genug Hinweise für den Vorteil von Sofortimplantationen im Frontzahnbereich im Vergleich zu später eingesetzten Implantaten gibt.14 Es liegt natürlich nahe, dass sofort und verzögert gesetzte Implantate mit einem höheren Risiko für einen Implantatmisserfolg und Komplikationen einhergehen als später gesetzte Implantate. Das ästhetische Ergebnis hingegen ist in der Regel besser, wenn die Implantate sofort nach der Zahnextraktion gesetzt werden. Es gibt keine sichere und zuverlässige Evidenz, die für oder gegen eine Augmentation bei Sofortimplantation in Extraktionsalveolen spricht oder die eine Überlegenheit der Augmentationstechnik belegt. Bei diesem Operationsverfahren besteht der Vorteil der vorhersehbaren Konturaugmentation mit einem langsam resorbierten Knochenfüller darin, dass sich das Risiko für eine Mukosarezession gegenüber einer Sofortimplantation deutlich reduziert.14 Zu den möglichen Ursachen ästhetischer Komplikationen gehören eine Fehlpositionierung des Implantats in die Extraktionsalveole, das Vorliegen eines dünnen Gingivabiotyps, eine u-förmige Defektmorphologie und eine fehlende keratinisierte Gingiva.4,6
Zusammenfassung
Die Bridge Preservation mit Sofortimplantation im seitlichen Frontzahnbereich mit NanoBone und Hyaloss und offenen einheilenden Einzelzahnimplantaten führt zu guten Ergebnissen. Bei gesunden Patienten mit optimaler Mundhygiene kommt es selten zu Komplikationen. Bei einem regelmäßigen Recall kombiniert mit PZR ist das Risiko für Mukosarezession sehr gering.
Die vollständige Literaturliste gibt es hier.