Implantologie 30.11.2021
Biologische Strategien zum periimplantären Gewebserhalt
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Heutzutage ist eine zunehmende Anzahl an dentalen Implantatsystemen in der weltweiten Anwendung. Sie bieten mannigfaltige Variationen an unterschiedlichen Implantat- und AbutmentMakrodesigns sowie an Implantat-Abutment-Interface-Geometrien. Parallel zum zahlenmäßigen Anstieg an eingesetzten Implantaten besteht ebenfalls ein evidenter Anstieg in der Inzidenz der Periimplantitis.1, 2 Jedoch auch in der Gruppe der Implantate ohne Periimplantitis kann es zu unerwünschten Nebeneffekten (z. B. in der Ästhetik) kommen, die ebenfalls eine Konsequenz von Faktoren darstellen, die mit dem Implantat- und/oder Abutment-Design verbunden sein können.
Es sollte daher kritisch hinterfragt werden, wie sowohl das optimale Implantat-Abutment-Design als auch die ideale Implantat-Abutment-Interface-Charakteristik definiert sein muss, um das Auftreten einer Periimplantitis bestmöglich zu vermeiden und das Volumen des periimplantären Hart- und Weichgewebes in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu erhalten.2, 3 Von einem theoretischen Standpunkt aus betrachtet darf davon ausgegangen werden, dass ein geeignetes Makrodesign in Verbindung mit einer hermetisch abschließenden Implantat-Abutment-Verbindung die biologischen Stoffwechselprozesse unterstützen und somit einem bakteriellen Angriff, wie auch einer bakteriellen Akkumulation, widerstehen kann.3, 4 Deshalb könnte die Verwendung eines speziellen Implantat-Abutment-Designs, welches nur ein begrenztes Raumvolumen einnimmt und dadurch genug Platz für das umgebende vitale Gewebe belässt, die periimplantäre Blutversorgung und somit den periimplantären Sauerstoffgehalt im Gewebe steigern.2, 5 Da beide Faktoren sowohl für die biologische Antwort als auch für die Zellaktivität selbst verantwortlich sind, kann weiterhin erwartet werden, dass ein derartiges Implantat-Abutment-Design möglicherweise dazu in der Lage sein könnte, auch das Volumen des periimplantären Gewebes zu erhalten und damit die periimplantäre Gesundheit insgesamt zu unterstützen.3, 5
Das Ziel der vorliegenden Fallstudie ist es, die Gewebeantwort auf einen neuen, biologisch basierten Behandlungsansatz in einem Follow-up-Zeitraum von bis zu 25 Monaten nach Freilegung und anschließender Belastung aufzuzeigen. Diese neuartige, biologisch basierte Implantatstrategie soll durch die Einführung eines zusätzlichen implantologischen Bauteils (i-LiNQ®) erreicht werden, welches zwischen Implantat und Abutment eingesetzt wird.
Material und Methode
Präoperativer Ablauf
Die Patienten der vorliegenden Fallstudie wurden an die „Oralchirurgie Bochum“ überwiesen und dort zunächst untersucht, um ihren dentalen und parodontalen Status zu beurteilen. Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Behandlungsalternativen wurden mit jedem Patienten im Detail erörtert. Die Behandlungsplanung selbst erfolgte auf Basis von DVT-Daten mit sekundärer Datenrekonstruktion unter Anwendung einer 3D-Planungssoftware und wurde allen Patienten ausführlich erläutert. Eine schriftliche Einwilligungserklärung wurde von jedem Patienten im Vorfeld des chirurgischen Eingriffs unterzeichnet.
Chirurgischer Ablauf
Die Implantate wurden gemäß der bereits früher beschriebenen Behandlungsprotokolle eingesetzt.6, 7 Zur Implantatfreilegung wurde ein neuartiges und im Vergleich zu den bisherigen Verfahrensweisen zusätzliches implantologisches Aufbauteil (Abb. 1) entwickelt und hergestellt. Diese zusätzliche Komponente hatte die Aufgabe, das Implantat mit dem Abutment zu verbinden. Es handelte sich bei dieser Zusatzkomponente (i-LiNQ®) im Wesentlichen um einen Doppelkonus, der aus drei Abschnitten besteht: einem unteren Anteil, der in den konischen Schacht des Implantats eingreift, einem mittleren Anteil, der die Insertionstiefe des Implantats durch unterschiedliche Verlängerungshöhen ausgleicht, und einem oberen Anteil, der die Verbindungsgeometrie mit den unterschiedlichen prothetischen Suprastrukturen herstellt. Aufgrund der steilen Konusgeometrie waren alle genannten Verbindungsabschnitte schrauben- und zementfrei fügbar und wurden ausschließlich durch das physikalische Phänomen der Kaltverschweißung retiniert. Die sieben unterschiedlichen Verlängerungshöhen von 0,35 bis 4,50 mm gewährten die Option einer tief subkrestalen Implantatinsertion, ohne das periimplantäre Hartgewebe zur Freilegung und Eingliederung der Aufbaukomponente mittels abtragender Maßnahmen anpassen zu müssen.
Fall 1
Ein 59-jähriger Patient suchte zahnärztliche Behandlung bei gegebener ungenügender Kaufunktion aufgrund eines Zahnverlustes im rechten Oberkiefer. Die klinische und röntgenologische Befunderhebung zeigte am Zahn 15 eine tiefgehende Sekundärkaries sowie ein insuffizientes vertikales Restknochenangebot (Abb. 2). Der Zahn 15 wurde als nicht mehr erhaltungswürdig eingestuft und sollte durch ein Implantat ersetzt werden. Ein weiteres Implantat wurde in Regio 17 geplant, um die Behandlung mit einer festsitzenden Seitenzahnbrücke abschließen zu können.
Der Zahn 15 wurde entfernt und nach vier Wochen Abheilzeit mit dem ersten Schritt der Implantatbehandlung, der chirurgischen Implantateinbringung, begonnen. Weil das Knochenvolumen auf der präoperativen dreidimensionalen Darstellung (DVT, FOV 80 x 80) sowohl in Regio 15 als auch in Regio 17 in Bezug auf die geplanten Implantatlängen in vertikaler Dimension nicht ausreichend war, wurde eine simultane interne Sinusbodenelevation vorgesehen. Die Implantatsetzung wurde als zweizeitiges Verfahren geplant und durchgesetzt.6, 7 Die Darstellung des knöchernen Alveolarfortsatzes erfolgte durch einen Full-Thickness-Flap, und es wurden zwei Implantatbohrungen mit einer maximalen Umdrehungszahl von 30 /min ohne Kochsalzspülung präpariert, wie vom Hersteller vorgegeben (Abb. 3). Die während des Bohrvorgangs angefallenen autologen Knochenspäne wurden gesammelt und in einem nach der PRGF-Technologie nach Anitua hergestellten Thrombozytenkonzentrat gelagert.8, 9 Die Osteotomien wurden bis 1 mm vor dem Kieferhöhlenboden aufbereitet und der Kieferhöhlenboden unter Einsatz von speziellen Osteotomen um ungefähr 2 bis 3 mm angehoben.6 Der Raum zwischen der Schneider’schen Membran, dem ehemaligen Kieferhöhlenboden und dem Implantat wurde ausschließlich mit dem gewonnenen autologen Thrombozytenkonzentrat gefüllt.8, 9 Zwei Bone Level-Implantate mit Plateau-Anker-Geometrie (i-system, Novodent) wurden ca. 2 mm subkrestal eingesetzt (Abb. 4). Die Implantatgröße in Regio 15 betrug (D x L) 4,5 x 6 mm und in Regio 17 (D x L) 6 x 4 mm. Die freie Knochenkammer oberhalb der Implantatschulter sowie zwischen dem auf krestalem Niveau gekürzten Healing Plug und der Osteotomiewand wurden mittels der zuvor gesammelten Knochenspäne, angereichert mit einem autologen Thrombozytenkonzentrat („sticky bone“) unter subtiler Verdichtung aufgefüllt (Abb. 5).
Zur Unterstützung einer primären Wundheilung wurde der Operationsbereich mit einer ebenfalls gemäß der von Anitua beschriebenen PRGF-Technologie8 hergestellten autologen Fibrinmembran, angereichert mit der thrombozytenreichen PRGF-Fraktion, abgedeckt (Abb. 6) und abschließend mit einer atraumatischen Nadel-Faden-Kombination (PGC25 5/0) speicheldicht verschlossen (Abb. 7). Unmitttelbar im Anschluss an den chirurgischen Eingriff erfolgte die röntgenologische Kontrolle der Implantatpositionen und der anatomischen Strukturen mittels eines DVT, FOV 40 x 40 (Abb. 8). Hierauf zeigte sich eine regelrechte Lage der Implantate in sagittaler sowie transversaler Richtung und eine korrekte Positionierung der beiden Transportsegmente der internen Sinusbodenelevation. Der Patient erhielt 875 mg Amoxicillin in Kombination mit 125 mg Clavulansäure 2 x 1 tgl. zur antibiotischen Prophylaxe und wurde angewiesen, ausschließlich weiche Kost zu sich zu nehmen sowie den operierten Bereich nicht zu belasten.
Das Operationsgebiet wurde nach zwei Tagen sowie am siebten Tag im Rahmen der Nahtentfernung kontrolliert. Hiernach erfolgten Nachuntersuchungen nach vier und acht Wochen sowie im Vorfeld der Freilegung nach sechs Monaten. Die Wundheilung zeigte sich unauffällig und ohne jegliche Komplikationen im Bereich des Operationsgebiets.
Im Rahmen der präoperativen Diagnostik vor Freilegung der Implantate wurde erneut ein DVT, FOV 40 x 40, angefertigt (Abb. 9), welches in sagittaler und transversaler Richtung eine regelrechte knöcherne Einbindung der Implantate auswies. Die Transportsegmente der internen Sinusbodenelevation waren ebenfalls knöchern wieder an den kranialen Bereich des Alveolarfortsatzes angebunden und die Kieferhöhle selbst zeigte keinerlei entzündliche Prozesse.Zur Freilegungsoperation wurde eine Full-Thickness-Flap gehoben, um die farbcodierten Healing Plugs darzustellen (Abb. 10) und mittels des Plug Removers zu entfernen (Abb. 11). Die Verlängerungshöhe der oben beschriebenen Zwischenkomponente (i-LiNQ®) wurde passend zur Insertionstiefe der Implantate sowie der Weichgewebsdicke ausgewählt, sodass der Index auf Höhe der Gingivaoberfläche ausgerichtet war (Abb. 12). Auf den prothetischen Konus des Abutmenssystems wurden zwei i-connect Abutments (MultiUnit-Geometrie) aufgesetzt, wobei für die korrekte Eindringtiefe des Abutments auf dem prothetischen Konus der Zwischenkomponente ein Seating-Torque von 15 Ncm appliziert wurde (Abb. 13). Der Wundverschluss erfolgte nach Aufsetzen von zwei Heilkappen erneut mit PGC 25 in der Stärke 5/0 (Abb. 14).
Die prothetische Versorgung wurde vier Wochen nach Freilegung und abgeschlossener Weichgewebsheilung begonnen und mit einer vollkeramisch verblendeten Brückenkonstruktion auf einem gefrästen verschraubbaren Zirkongerüst abgeschlossen, wobei der basale Anteil in freiem Zirkon belassen wurde. (Abb. 15). Der Nachbeobachtungszeitraum nach Freilegung der Implantate betrug 24 Monate, und während dieses Zeitraums ergaben sich objektiv keinerlei biologische und/oder prothetische Komplikationen.
Subjektiv berichtete der Patient über eine vollständige Wiederherstellung der Kaufunktion frei von jeglicher Beschwerdesymptomatik. Zum Zeitpunkt des Follow-ups imponierte klinisch eine deutliche Verbesserung des Weichgewebsattachments in den Gingiva-nahen Bereichen der Suprakonstruktion mit einem gut vaskularisierten Gingivakolorit (Abb. 16). Röntgenologisch zeigte sich sowohl auf der 2D-Zahnfilmaufnahme (Abb. 17) als auch auf der 3D-DVT- Kontrolle, FOV 40 x 40, (Abb. 18) eine sichere knöcherne Einbettung der Implantate mit einer sich zunehmend verdichtenden Knochenstruktur. Insbesondere imponierte dabei, dass der Knochen nicht nur regelrecht am Implantat anhaftete, sondern insbesondere ein dichter Verbund des Knochens zur Abutment-Komponente aufzeigte.
Fall 2
Nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung wurde der Behandlungsplan für eine 71-jährige Patientin, die über Schmerzen im Bereich des linken Oberkieferseitenzahnbereichs klagte, festgelegt. Die betroffenen Zähne 25 und 27 sollten entfernt und durch zwei Implantate sowie durch Herstellung einer festsitzenden Brücke ersetzt werden.
Der erste Schritt des Behandlungsplans beinhaltete die Extraktion der betroffenen Zähne mit einer sich anschließenden Heilungsphase von sechs Monaten. Weil das Knochenvolumen in Regio 27 in vertikaler Dimension unzureichend war (Abb. 19), wurde ein zur Implantatinsertion simultan durchzuführender interner Sinuslift geplant.6 Das chirurgische Protokoll, die Implantatinsertion und die postoperative Nachsorge entsprachen derjenigen, die in Fall 1 bereits beschrieben wurde. Die Größen der Implantate (i-system, Novodent) in den Positionen 25 und 27 betrugen (D x L) 4,5 x 6 bzw. 5,5 x 5 mm. Das postoperative 3DKontroll-DVT, FOV 40 x 40, zeigte die erzielten Implantatpositionen sowie den vertikalen Höhengewinn in Regio 27 (Abb. 20).
Auf dem nach sechs Monaten angefertigten Kontroll-DVT, FOV 40 x 40, (Abb. 21) imponierte eine regelrechte knöcherne Integrierung der Implantate sowie eine gute knöcherne Konsolidierung des vertikalen Transportsegments in Regio 27. Die Vorgehensweise während der Freilegung und die Auswahl der passenden Verlängerungshöhe (i-LiNQ®) als auch die Abheilphase des Weichgewebes waren simultan zu Fall 1. Die keramisch vollverblendete verschraubbare Brückenkonstruktion wurde durch den überweisenden Zahnarzt hergestellt. Der Follow-up-Zeitraum nach Freilegung der Implantate betrug 25 Monate und die röntgenologische Kontrolle per DVT, FOV 40 x 40, zeigte (Abb. 22), wie der Knochen unter Funktion einer zunehmenden Verdichtung seiner Feinstruktur unterlegen war und ein konstantes periimplantäres Volumen auswies. Es war darüber hinaus gut zu erkennen, wie sich eine dichte Anlagerung des Knochens an die Komponente (i-LiNQ®) ausgebildet hat. Die klinische Dokumentation (Abb. 23) zeigte einen stabilen Biotyp des periimplantären Weichgewebes ohne jegliche Abbauprozesse.
Fall 3
Ein 64-jähriger Patient wurde aufgrund von Beschwerden an die Praxis überwiesen, die vom stark zerstörten Zahn 24 ausgingen. Der Behandlungsplan sah vor, den Zahn mit einem Implantat zu ersetzen. Nachdem der Zahn atraumatisch unter Einsatz eines Periotoms entfernt wurde, erfolgte die Implantatsetzung sieben Monate später. In allen Dimensionen war das Knochenvolumen sowohl quantitiv als auch qualitativ gut geeignet, sodass ein (D x L) 4,0 x 6 mmImplantat (i-system, Novodent) ohne zusätzliche Maßnahmen eingebracht werden konnte (Abb. 24). Die Vorgehensweise war die gleiche wie bereits zuvor beschrieben und vom Hersteller angegeben.
Nach einem im Bereich des Hart- und Weichgewebes unauffälligen Heilungszeitraum von sechs Monaten wurde das Implantat freigelegt und gemäß des ebenfalls oben beschriebenen Standardprotokolls die Verlängerungshöhe der Zwischenkomponente (i-LiNQ®) ausgewählt und eingesetzt (Abb. 25 und 26). Die Abdrucknahme erfolgte direkt intraoperativ am Freilegungstag und die prothetische Versorgung konnte innerhalb von drei Wochen durch die Eingliederung einer extraoral zementierten Abutment-Kronen-Einheit10 abgeschlossen werden (Abb. 27–29). Der applizierte Seating Torque betrug 15 Ncm und wurde durch den okklusalen Zugangskanal appliziert, welcher abschließend nach Säureätzung der Verblendkeramik und Silanisierung mit Komposit adhäsiv verschlossen wurde. Die prothetische Belastungsphase betrug zum Zeitpunkt der Röntgenkontrolluntersuchung 23 Monate (Abb. 30). Auch in diesem Fall ließ die Zahnfilmaufnahme ein stabiles krestales Knochenniveau mit einem stabilen direkten Kontakt des krestalen Knochens zum Abutment erkennen. Klinisch sehr gut zu erkennen war zudem die Stippelung des Weichgewebes (Abb. 31), welche als einer der charakteristischen Indikatoren für ein gesundes periimplantäres Weichgewebe gilt.
Diskussion
Wird ein Implantat freigelegt, so kommt dieses zwangsläufig in Kontakt mit dem umgebenden Hart- und Weichgewebe sowie mit der intraoralen Mundflora. Die Frage der periimplantären Gesundheit ist eng verknüpft mit einem potenziellen Eindringen von Bakterien sowie ihrer bakteriellen Zerfalls- und Abfallprodukte in den Bereich des Interface zwischen Gewebe und Implantat bzw. Implantataufbaumaterialien.2–4 Eine verlässliche Abdichtung zwischen Weichgewebe und technischen Bauteilen kann nur dann vermutet werden, wenn die Oberflächenbeschaffenheit der technischen Bauteile die hierfür erforderlichen Charakteristiken aufweisen und als Ergebnis die Qualität und Quantität des umgebenden Gewebes in physiologischer Weise günstig reagieren.3 Weil also die Qualität und Quantität des periimplantären Gewebes direkt die Gewebsabdichtung beeinflussen, muss die Frage gestellt werden, ob ein spezifisches Implantat-AbutmentDesign bestehen könnte, welches die biologischen Anforderungen des Hart- und Weichgewebes in physiologischer Weise unterstützen kann.11
Es konnte in der vorliegenden Fallstudie demonstriert werden, dass die Verwendung einer zusätzlichen Komponente zwischen Implantat und Abutment im Verlaufszeitraum von bis zu 25 Monaten einen direkten Kontakt des Knochens zu einer solchen Zusatzkomponente aufzeigen konnte, ohne dass ein nennenswerter Knochenabbau zu verzeichnen gewesen wäre. Insoweit könnte diese neue Behandlungsstrategie in der Lage sein, die oben beschriebenen erforderlichen Eigenschaften aufzuweisen. Der gingivale Rand und die interdentale Papille eines gesunden Zahnes erhalten ihre Blutversorgung aus dem kapillaren Netzwerk, das dem periodontalen Ligament, dem spongiösen Knochen und dem Bindegewebe entspringt.12 Nachdem ein Zahn entfernt worden ist, fällt die Gefäßversorgung durch das parodontale Ligament weg. Der vaskuläre Wurzelbereich wird im Rahmen der Ausheilung des Zahnfachs durch vitalen Alveolarknochen ersetzt, wodurch der Verlust an Blutversorgung kompensiert werden könnte. Demgegenüber erfordert das Inserieren eines Implantats zum Ersatz des extrahierten Zahns eine gewisse Menge an Knochenentfernung, was wiederum in der Folge die Vaskularisation nicht nur innerhalb des Hartgewebes reduziert, sondern auch im angrenzenden Weichgewebe. Das Setzen eines Implantats tief unterhalb des Kieferkammfirsts und die prothetische Versorgung unter Einsatz einer schmal austretenden Zwischenkomponente mit maschinierter Titanoberfläche könnte diesen Verlust der Blutversorgung innerhalb des krestalen Bereichs kompensieren. Das Einbringen einer derartigen, stark durchmesserreduzierten Zwischenkomponente erfordert weniger Hartgewebsentfernung verglichen mit dem Volumen einer epikrestal gesetzten, üblichen Implantat-Abutment-Geometrie.13
Der Verlust an periimplantärem krestalem Knochen und/oder Weichgewebe bedeutet nicht ausschließlich eine Veränderung im Volumen und der Qualität des periimplantären Gewebes, es ist vielmehr auch ein Verlust an Vaskularisation und Sauerstoffversorgung in diesem Bereich.13 Hieraus folgend können diese Veränderungen den Biotyp des Gewebes negativ beeinflussen sowie auch die biologische Antwort auf physikalische, chemische und bakterielle Stimuli zirkulär des Abutments und des Implantats ungünstig beeinflussen. Ein niedriger Sauerstoffgehalt bietet perfekte Bedingungen für pathogene Keime und beeinträchtigt in ungünstiger Weise die Immunantwort sowie die Gewebeheilung.12, 13 Da in der vorliegenden Studie keine Knochenresorption zirkulär der schmal aus dem Knochen austretenden Zwischenkomponente, die Implantat und Abutment verbindet, während der post-Freilegungsphase in einem Zeitraum von bis zu 25 Monaten beobachtet werden konnte, kann angenommen werden, dass diese Zusatzkomponente in der Lage sein könnte, die Weichgewebsqualität und -quantität zu erhalten, in dem sie die Knochenresorption verringert oder gar vermeidet.
Die meisten Implantatsysteme zeigen eine geometrische Anordnung, die das Implantat genau dort am breitesten werden lässt, wo der Knochen in seiner transversalen Dimension am schmalsten ist, nämlich am First des Alveolarkamms.14 Hieraus folgend können dünn auslaufende Knochenbereiche nicht mehr ausreichend perfundiert sein, was in einer Resorption dieser dünnen Knochenanteile mündet, zumeist bereits im direkten Nachgang zur Implantatinsertion. Die raue Implantatoberfläche, die anfällig für einen bakteriellen Angriff ist und eventuell zur Ausbildung einer Periimplantitis führen kann, könnte somit exponiert werden.15 Die in der vorliegenden Fallserie beschriebene Systematik der i-LiNQ®-Technik ermöglicht durch die variablen Verlängerungshöhen nicht nur eine tiefe Insertionsposition des Implantats, sondern macht zusätzlich die raue Implantatoberfläche resistent gegen einen bakteriellen Angriff, indem sie die Dicke an vitalem Hartgewebe oberhalb des Implantats vergrößert. Weil eine vergrößerte Hartgewebsdicke aus biologischer Sicht auch eine größere Blutversorgung und damit einen höheren Sauerstoffgehalt beinhaltet, wird das Überleben für anaerobe periopathogene Keime schwieriger und es kann so im weiteren Verlauf der Gesundheitsstatus des Implantats sowie seines periimplantären Hart- und Weichgewebes günstig beeinflusst werden.13, 14
Die meisten prothetischen Protokolle erfordern ein wiederholtes Entfernen und Wiedereingliedern verschiedener Implantataufbauteile, um die prothetische Versorgung fertigstellen zu können. In der Vergangenheit veröffentlichte Daten zeigen auf, dass jedes erneute Reentry in das Implantat während der prothetischen Phase die epitheliale Proliferation in die Tiefe des Sulkus begünstigt und somit das Potenzial besitzt, die vertikale Knochenresorption um ein Implantat zu vergrößern.16 Die Verbindungskomponente „i-LiNQ®“ hingegen wird in das Implantat im Rahmen der initialen Wiedereröffnung zur Freilegung des Implantats eingebracht und ein erneutes Entfernen aus dem Implantat ist danach nicht mehr notwendig. Somit wird die prothetisch induzierte epitheliale Proliferation zum Implantat hin praktisch ausgeschlossen, da alle prothetischen Schritte ausschließlich im Gingivaniveau ablaufen.
Zusammenfassung
Unter Berücksichtigung der Grenzen der vorliegenden Fallserie kann zusammengefasst werden, dass die Verwendung einer zusätzlichen Komponente zwischen Implantat und Abutment, die direkt bei der Freilegung im Sinne des „One Time – One Abument“-Konzepts eingebracht wird und dauerhaft im Implantat verbleibt, eine Behandlungsalternative darstellen kann, vor allem für Fälle, in denen eine tiefe Implantatinsertion absichtlich geplant oder wegen patientenimmanenter Variablen erforderlich wird. Es scheint, dass der subkrestale Anteil dieser zusätzlichen Verbindungskomponente in direktem Kontakt zum periimplantären Hartgewebe verbleibt, ohne dass im Langzeitverlauf eine Resorption von Knochen und/oder eine bindegewebige Einscheidung verursacht werden würde. Weiterhin scheint die Verwendung ultrakurzer Implantate, die zum Kieferkammfirst eine starke Verjüngung aufweisen, einen positiven Einfluss auf den Erhalt des periimplantären Knochens zu besitzen, da anzunehmen ist, dass die intraossäre Blutversorgung geringer kompromittiert werden könnte als durch die bekannten Standardimplantatverfahren und somit eine bessere krestale Sauerstoffversorgung resultieren könnte. Als unmittelbares Zeichen der Wirksamkeit eines solchen biologisch unterstützenden Mechanismus darf sowohl der krestale Volumenerhalt des Knochens und des Weichgewebes als auch der direkte Kontakt des Knochens zur maschinierten Oberfläche der Zusatzkomponente an ihrem Austritt aus dem Knochen gewertet werden.
Im weiteren Verlauf bedarf es randomisierter kontrollierter klinischer Studien, um die Langzeitergebnisse dieses Behandlungskonzepts zu untersuchen und die Resultate dieser aktuellen Studie zu bestätigen.
Weiterer Autor: Prof. Dr. Nejat Nizam
Danksagung
Wir danken Dr. Jörn van Heek, Bochum, der verantwortlich für die prothetische Versorgung des Falls Nr. 2 war.
Dieser Beitrag ist im Implantologie Journal erschienen.