Implantologie 08.08.2023
Anwendung der minimalinvasiven Socket Seal-Technik
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Einsatz von nativer Kollagenmembran und vernetzter Hyaluronsäure
In diesem Beitrag wird eine minimalinvasive Socket Seal-Technik mit langsam resorbierendem porcinen Knochenersatzmaterial und einer nativen Kollagenmembran vorgestellt. Durch den adjuvanten Einsatz von vernetzter Hyaluronsäure ist es möglich, zur exponierten Abdeckung eine native Kollagenmembran anstelle eines autologen Gingivapunches zu nutzen und trotz der Verwendung eines langsam resorbierenden Knochenersatzmaterials die Implantation bereits nach weniger als vier Monaten durchzuführen.
Nach der Zahnextraktion kommt es in den ersten drei Monaten zu einem erheblichen Schrumpfungsprozess der Gingiva von bis zu 50 Prozent.1 Augmentative Socket/Ridge Preservation-Techniken zielen darauf ab, den Kollaps und so den Verlust von Hart- und Weichgewebe zu reduzieren.2–5
Unmittelbar nach der atraumatischen Extraktion und dem gründlichen Debridement wird die Alveole mit einem Knochenersatzmaterial gefüllt. Der Weichteilverschluss erfolgt entweder durch ein Socket Seal-Konzept mit einem freien Schleimhauttransplantat (Punch) oder eine Membran. Das Auffüllen der Extraktionsalveole mit KEM kann zwar die Resorption der bukkalen Knochenlamelle nicht vollständig verhindern, aber zumindest den totalen Gewebekollaps der Alveole.6 Dadurch kommt es zu einem ästhetisch ansprechenderen Ergebnis, insbesondere im kritischen Frontzahnbereich.
Das Ziel der Socket/Ridge Preservation ist eine erfolgreiche Geweberegeneration durch neue Knochenbildung innerhalb der ehemaligen Alveole.7
In der Praxis der Autoren wird ein modifiziertes Socket Seal-Konzept angewendet, das auf der Augmentatbiologisierung mit einem vernetzten Hyaluronsäuregel (xHyA) basiert, wodurch auf die schmerzhafte Entnahme eines Gingivapunches verzichtet werden kann. Es ist mittlerweile bekannt, dass Hyaluronsäure einen signifikanten Einfluss auf sämtliche intraoralen Heilungsprozesse aufweist: Sie führt nicht nur zu einer schnelleren Wundheilung und Blutgefäßversorgung des augmentierten Areals,8, 9 sondern verbessert auch signifikant die Knochenneubildung bei augmentativen Eingriffen, insbesondere nach Zahnextraktion.10–14
Augmentation mit Sticky Bone aus volumenstabilem, langsam resorbierendem KEM und xHyA
Das am häufigsten verwendete Knochenersatzmaterial (KEM) ist DBBM (deproteinisiertes bovines Knochenmineral).15 DBBM zeichnet sich durch ein sehr langsames Resorptionsprofil aus, was eine hohe Volumenstabilität des Augmentats und so einen optimalen Volumenerhalt der aufgefüllten Alveole ermöglicht. Die Nachteile von DBBM sind die lange Einheilzeit und eine niedrige Rate an Knochenneubildung.16, 17
Anstelle von DBBM wird ein porcines Knochenmineral (SMARTGRAFT, REGEDENT) verwendet, das ebenfalls eine hohe Volumenstabilität des Augmentats ermöglicht. Durch eine höhere Porosität erfolgt eine bessere knöcherne Integration als bei DBBM.18 Durch die Mischung des porcinen Knochenminerals mit vernetzter Hyaluronsäure (hyaDENT BG, REGEDENT) können wir eine deutlich kürzere Einheilzeit und eine signifikant bessere knöcherne Integration des KEMs erzielen. Dies konnte in einer kürzlich publizierten klinischen Split-Mouth Case Series gezeigt werden, bei der Alveolen entweder mit DBBM alleine oder mit einer Kombination aus DBBM/xHyA aufgefüllt wurden.18 Nach drei Monaten zeigte die xHyA-Gruppe einen signifikant besseren Volumenerhalt, insbesondere im kritischen krestalen Aspekt der Alveole. Eine Analyse der Knochenstruktur zeigte in der xHyA-Gruppe deutlich mehr neu gebildeten Knochen und deutlich weniger Restpartikel des avitalen Knochenersatzmaterials.18
Verschluss der Alveole mit nativer Kollagenmembran und xHyA anstelle eines Gingivapunches
Bei einem minimalinvasiven Vorgehen wird auf die Lappenhebung verzichtet, d. h. dass die Augmentationsmaterialien krestal exponiert einheilen. Sowohl die alleinige Verwendung von Knochenersatzmaterial als auch die zusätzliche Verwendung der gängigen Barrieremembranen führen häufig nicht zu dem gewünschten Augmentationsergebnis, aufgrund von Infektion, vorzeitiger Resorption und/oder dem Einwachsen von Weichgewebe.7, 15–17 Vorteilhafte Ergebnisse werden durch die Abdeckung mit einem autologen Schleimhautpunch erzielt (Socket Seal). Hierzu ist allerdings ein schmerzhafter Zweiteingriff zur Entnahme nötig. Weiterhin kann es zu störenden Narben im bukkalen Bereich kommen, die auch nach der Kronenversorgung sichtbar bleiben.
Anstelle eines Gingivapunches kann zur exponierten Einheilung eine native Kollagenmembran (SMARTBRANE, REGEDENT) verwendet werden, die vor Applikation mit vernetzter Hyaluronsäure getränkt wird. Dadurch wird den Patienten die schmerzhafte Entnahme erspart.
Das Abbauprofil von Kollagenmembranen wird durch vernetzte Hyaluronsäure deutlich verlängert. Dies konnte in einer Tierstudie mit einer nativen Kollagenmembran gezeigt werden.19 Aus diesem Grund ist es möglich, die native Membran zur Abdeckung der aufgefüllten Alveole einzusetzen, da sie dem bakteriellen Abbau bei Exposition somit länger standhalten kann.
Fallbericht
Die 74-jährige gesunde, allgemeinanamnestisch unauffällige Patientin stellte sich mit einem aufgrund einer sekundär akuten apikalen Parodontitis nicht erhaltungswürdigen Zahn 21 vor (Abb. 1). Im DVT zeigte sich ein ausgeprägter Knochendefekt mit komplett fehlender bukkaler Lamelle (Abb. 2a und b).
Der Zahn wurde vorsichtig möglichst gewebeschonend ohne Lappenhebung extrahiert. Die Alveole wurde gründlich exkochleiert und mit porcinem Knochenersatzmaterial (SMARTGRAFT, REGEDENT) aufgefüllt, das zuvor mit vernetzter Hyaluronsäure (hyaDENT BG, REGEDENT) gemischt wurde (Abb. 3a und b). Es wurde darauf geachtet, dass die Alveole nicht überfüllt, sondern nur auf Höhe des mesialen und distalen Knochenniveaus augmentiert wurde, um eine bessere postoperative Epithelisierung zu ermöglichen (Abb. 4).
Das Augmentat wurde mit einer doppelt gelegten nativen Kollagenmembran abgedeckt (Smartbrane, Regedent), die ebenfalls vor Verwendung mit der vernetzten Hyaluronsäure getränkt wurde (Abb. 5). Die exponierte Membran wurde durch eine Kreuznaht mit einem monofilen Nahtmaterial fixiert. Der Patient erhielt aus ästhetischen Gründen eine Valplastprothese als Interimsersatz (Abb. 6). Nach sieben Tagen wurde die Naht entfernt (Abb. 7). Es zeigte sich eine bereits weit fortgeschrittene frühe Wundheilung, gekennzeichnet durch entzündungsfreie Weichgewebe. Die Alveole war bereits zu mehr als der Hälfte epithelisiert. Der exponierte Bereich war noch mit der intakten nativen Kollagenmembran geschützt.
Nach drei Monaten wurde die Patientin zur Implantation einbestellt. Die klinische Situation vor dem Reentry war von einem stabilen Gewebeniveau und einem breiten Band an keratinisierter Gingiva gekennzeichnet (Abb. 8). Nach Lappenpräparation zeigte sich ein für den frühen Heilungszeitpunkt bereits sehr gut ausgereifter, neu gebildeter Knochen (Abb. 9). Dies wurde auch in der histologischen Analyse einer vor der Implantation entnommenen Biopsie (Prof. Anton Friedmann, Universität Witten Herdecke) bestätigt. Hier war ein hoher Anteil an neu gebildetem Knochen sichtbar und die wenigen Restpartikel waren bereits gut im vitalen Knochen integriert (Abb. 10). Zudem wurden noch Reste der vernetzten Hyaluronsäure gefunden, als Zeichen der verlängerten Verweildauer (Abb. 11).
Ausgehend vom initial bestehenden Defekt konnte das Implantat in der korrekten Position eingebracht werden (Abb. 12). Die postoperative radiologische Kontrolle nach Implantation zeigt das gut positionierte Implantat (Abb. 13). Drei Monate nach der Implantatinsertion erfolgt dann das volldigitale Herstellen der einteiligen okklusal verschraubten Abutmentkrone nach dem One-Abutment-One-Time-Prinzip (Abb. 14). Abbildung 15 zeigt die finale Arbeit mit optimalen periimplantären Hart- und Weichgewebebedingungen. Eine weitere Röntgenkontrolle zehn Monate nach Einsetzen der finalen Krone zeigt das stabile Knochenniveau um das Implantat 21 (Abb. 16).
Zusammenfassung
Die minimalinvasive Socket Seal-Technik mit langsam resorbierendem porcinen Knochenersatzmaterial und einer nativen Kollagenmembran, unterstützt bzw. biologisiert durch vernetzte Hyaluronsäure, stellt eine wirksame und patientenfreundliche Alternative zur Verwendung eines Gingivapunches dar. Die Hyaluronsäure ermöglicht eine gewebeschonende Augmentation ohne Lappenpräparation. Zur exponierten Abdeckung kann eine native Kollagenmembran anstelle eines autologen Gingivapunches verwendet werden. Trotz Augmentation mit einem volumenstabilen langsam resorbierenden Knochenersatzmaterial ist es möglich, die Implantation bereits nach drei Monaten durchzuführen.
Eine Literaturliste steht hier zum Download für Sie bereit.
Dieser Beitrag ist im IJ Implantologie Journal erschienen.