Implantologie 30.04.2024

Case Report: Knochenaufbau mit Tentpole-Technik



Case Report: Knochenaufbau mit Tentpole-Technik

Foto: Dr. Alexander Müller-Busch

Einsatz von Hyaluronsäure

Im Folgenden wird eine erfolgreiche Rekonstruktion eines Oberkieferknochendefekts mit einer modifizierten GBR-Technik vorgestellt. Durch die Stabilisierung der Knochenpartikel mit vernetzter Hyaluronsäure und Stützung der Kollagenmembran mit mehreren Tenting-Screws wird eine ausreichende Augmentatstabilität erzielt, sodass auf die techniksensitive Anwendung von Knochenblöcken oder -schalen verzichtet werden kann.  

Um eine festsitzende Implantatversorgung auch bei vorliegenden Knochendefekten zu ermöglichen, sind umfangreiche augmentative Maßnahmen notwendig.1 Hierzu zählen grundsätzlich entweder Blocktransplantate oder der membrangestützte Aufbau mit partikulärem Knochenersatzmaterial (GBR – Gesteuerte Knochenregeneration).2–5 Die operativ vergleichsweise einfach anzuwendende GBR-Technik wird von vielen Anwendern bevorzugt. Diese ist aber in ihrer Wirksamkeit limitiert, da es durch den Wundverschluss und den damit verbundenen Weichgewebsdruck zu einer apikalen Bewegung des Augmentats und so zu einer unvollständigen Auffüllung des Defekts kommt.6, 7 Dieses Phänomen kann durch „Immobilisierung“ des Augmentats umgangen werden, um einen stabilen Raum zwischen Hart- und Weichgewebe zu schaffen.8

Aus diesem Grund werden für eine vorhersagbare Behandlung dieser Defekte zumeist Verfahren mit „lagestabilen“ Augmentaten angewendet.Die am besten dokumentierte Methodik ist hier die Verwendung von autogenen Knochenblöcken, oft in Kombination mit einem langsam resorbierenden KEM und einer Membran.1

Autogene Knochenblöcke werden als Material der Wahl für die horizontale Regeneration angesehen.1 Die Verwendung von autogenem Knochen hat jedoch auch Nachteile, wie die begrenzte Verfügbarkeit und die Notwendigkeit der zeitaufwendigen Entnahme mit dem Risiko der Morbidität an der Entnahmestelle und der Resorption an der Empfängerstelle.9

Allogene Knochenblöcke werden häufig als gleichwertige Alternative zu autogenen beschrieben, allerdings ist immer noch unklar, ob die zu erwartenden Erfolgsraten und Langzeitergebnisse vergleichbar sind.10, 11

Zur Ermöglichung eines für den Patienten weniger invasiven und möglichst komplikationsfreien Behandlungskonzepts bietet sich die GBR-Methodik mit einem partikulierten KEM und einer geeigneten Barrieremembran an. Um den Raumerhalt und die Stützfunktion der Membran zu gewährleisten, müssen jedoch geeignete Maßnahmen zur Optimierung der Lagestabilität der Graft-Partikel ergriffen werden.

Tentpole-Technik zur Membranstabilisierung

Mit der sogenannten Tentpole-Technik bietet sich eine vielversprechende minimalinvasive Behandlungsoption an, die bislang vor allem zur Regeneration von vertikalen Defekten angewendet wird.

Durch Osteosyntheseschrauben kann ein Membrankollaps durch den Druck des Lappens vermieden und so ein stabiler Raum zur Regeneration gewährleistet werden. Die Augmentation kann nun mit einem partikulierten Knochenersatzmaterial erfolgen. Zur Abdeckung von Augmentat und Osteosyntheseschraube wird eine Barrieremembran verwendet.12, 13 Der Autor verwendet entweder Schirmschrauben oder Osteosyntheseschrauben mit einem breiten und flachen Kopf, um die Stabilisierung der Membran zu gewährleisten und eine Perforation von Membran und dem darüber liegenden Lappen zu vermeiden. Dennoch besteht prinzipiell noch das Risiko einer Destabilisierung der Graft-Partikel, insbesondere bei Verwendung einer schnell resorbierenden Kollagenmembran. Das würde zu einem erhöhten Weichgewebedruck auf die Osteosyntheseschraube führen, die sich dann mit der Zeit durch die Gingiva bohren würde und so einen Volumenverlust herbeiführen könnte. Aus diesem Grund wird in der Praxis des Autors vernetzte Hyaluronsäure, die sowohl zum Anmischen des Knochenersatzmaterials als auch zur „Imprägnierung“ der Membran dient, verwendet.

 Augmentation mit Sticky Bone

Im folgenden Fall wird ein langsam resorbierendes Knochenersatzmaterial verwendet, um eine volumenstabile Situation des Augmentats zu gewährleisten. Anstelle des bovinen Behandlungsstandards DBBM setzt der Autor ein porcines Knochenmineral (Smartgraft, Regedent) ein, das ebenfalls eine hohe Volumenstabilität des Augmentats ermöglicht, aber besser in den neuen Knochen integriert wird als DBBM.14

Durch die Mischung des porcinen Knochenminerals mit vernetzter Hyaluronsäure (xHyA – hyaDENT BG, Regedent) erhält der Behandler eine formbare Paste, die eine verbesserte Lagestabilität der Knochenpartikel bewirkt. Weitere Vorteile der Hyaluronsäure, die in allen Wundheilungsphasen in der Praxis des Autors bisher einen positiven Effekt zeigte, reichen von reduzierter Schwellung in der Frühphase, beschleunigter Revaskularisierung bis hin zu einer deutlich kürzeren Einheilzeit und einer signifikant besseren knöchernen Integration des KEMs.15–18 Zudem ist bekannt, dass vernetzte Hyaluronsäure das Abbauprofil von nativen Kollagenmembranen verlangsamt.19

Durch die längere Verweildauer der Membran wird das Augmentat und die Osteosyntheseschrauben länger vor infiltrierendem Weichgewebe geschützt. Das Potenzial von vernetzter Hyaluronsäure in der GBR konnte in einer kürzlich publizierten klinischen Studie gezeigt werden, bei der eine laterale Augmentation im Unterkiefer entweder mit einem klassischen GBR-Protokoll aus DBBM und einer nativen Kollagenmembran oder mit einer Kombination aus DBBM/Membran und vernetzter Hyaluronsäure durchgeführt wurde. Nach sechs Monaten zeigte die xHyA-Gruppe einen signifikant besseren Volumengewinn (8 mm Breitengewinn vs. 4 mm). Eine Analyse der Knochenstruktur zeigte in der xHyA-Gruppe deutlich mehr neu gebildeten Knochen und deutlich weniger Restpartikel des avitalen Knochenersatzmaterials.20

Case Report

Ein 60-jähriger Patient stellte sich mit einer parodontal vorgeschädigten Situation im Oberkiefer linksseitig vor. Der Wunsch des Patienten war es – auch nach Verlust der Seitenzähne –, festsitzend versorgt zu werden. Durch die parodontale Erkrankung des Patienten musste mit erheblichen knöchernen Defekten gerechnet werden (Abb. 1 und 2). Wir entschlossen uns für ein zweizeitiges Vorgehen. Hierbei erfolgten der augmentative Eingriff, welcher aus der Kombination aus einem lateralen/vertikalen Knochenaufbau und einem externen Sinuslift bestand, und die Implantation in zwei darauffolgenden Behandlungsschritten. Zuerst wurden die nicht erhaltungswürdigen Zähne 14, 15 und 16 extrahiert und der Patient vier Wochen später nach weichgewebiger Ausheilung zum augmentativen Eingriff einbestellt. Nach Lokalanästhesie erfolgte eine krestale Inzision und Präparation eines Mukoperiostlappens in Kombination mit einer vertikalen Entlastung. Es zeigt sich eine ausgeprägte Knochenatrophie im anterioren Bereich und ein besonders ausgeprägter knöcherner Defekt im posterioren Bereich sowie im Sinusbereich von Q2 (Abb. 3). Um ein ausreichendes knöchernes Angebot für die geplante, auf zwei Implantaten getragene Versorgung zu erhalten, sollte ein Sinuslift und eine laterale Augmentation im Sinne einer GBR mit Barrieremembran und Knochenersatzmaterial durchgeführt werden. Hierzu wurde ein porcines Knochenersatzmaterial mit einem langsamen Resorptionsprofil mit vernetzter Hyaluronsäure gemischt, um eine präzisere Augmentation und eine bessere Lagestabilität zu erzielen (Abb. 4). Um zusätzliche Stabilität für den augmentierten Bereich zu erhalten und die Kollagenmembran zu stützen, wurden mehrere Tenting Screws (Länge 8 mm, [ 1,4 mm, Ustomed) eingebracht (Abb. 5). Der anteriore Bereich wurde mit dem mit xHyA-stabilisierten porcinen Knochenmineral aufgefüllt, mit einer nativen Kollagenmembran (SMARTBRANE, Regedent) abgedeckt und durch horizontale Matritzennähte in Kombination mit Einzelknopfnähten verschlossen, um einen möglichst spannungsfreien Verschluss zu realisieren (Abb. 6 und 7). Abbildung 8 zeigt das Röntgenbild unmittelbar nach Augmentation. Der Patient wurde postoperativ aufgeklärt und sowohl antibiotisch als auch analgetisch abgeschirmt. Antiseptische Mundspülung wird in unserer Praxis erst ab dem dritten Tag post OP angeraten, um die Fibroblastenexpression in der initialen Wundheilungsphase nicht zu reduzieren.

Die Nahtentfernung erfolgte nach zehn Tagen. Es zeigte sich eine gute frühe Wundheilung (Abb. 10). Die weitere Heilungsphase verlief ohne Komplikationen. Nach vier Wochen post OP imponierte eine reizlose Gingiva (Abb. 10).

Der Reentry erfolgte sechs Monate nach Knochenaufbau. Nach Bildung eines Mukoperiostlappens zeigte sich ein hervorragend konsolidierter Kieferkamm ohne Zeichen einer Graft-Resorption. Das Volumen war bis zu den Schraubenköpfen komplett erhalten (Abb. 11). Die Schrauben ließen sich problemlos entfernen und die Insertion von zwei Implantaten (Screw-Line [ 4,3, L11; Camlog) war aufgrund des ausreichenden Knochenangebots in korrekter Position möglich (Abb. 12–14). Abbildung 14 zeigt das Röntgenbild nach Implantation und Abbildung 15 den spannungsfreien Wundverschluss, bei welchem auf vertikale Entlastungen verzichtet wurde. Im Rahmen der Freilegung sollten Maßnahmen ergriffen werden, um das Weichgewebsdefizit auszugleichen (Abb. 16). Hierbei wurde eine azelluläre dermale Matrix (Novomatrix) angewendet, um sowohl die Breite als auch die Höhe des Weichgewebes zu optimieren. Darüber hinaus wurde die rekonstruktive Gewebematrix mit Hyaluronsäure benetzt. Im Anschluss wurden zwei Gingivaformer inseriert, das Operationsgebiet durch einen spannungsfreien Wundverschluss verschlossen und Hyaluronsäure zur verbesserten Wundheilung adaptiert (Abb. 17 und 18). Der Heilungsverlauf wie auch die weitere Versorgung gestalteten sich unauffällig. Abbildung 19 zeigt die optimierten Weichgewebsverhältnisse. Abbildung 20 und 21 zeigen die klinische Situation nach Einsetzen der finalen Arbeit mit abschließendem Röntgenbild (Abb. 21).

Zusammenfassung

Im vorliegenden Fall ist es durch die Stabilisierung von Knochenpartikeln mit vernetzter Hyaluronsäure und Stützung der Kollagenmembran mit mehreren Tenting-Screws gelungen, auch eine komplexe Augmentation wie die Rekonstruktion atropher Oberkiefer mithilfe der GBR-Technik durchzuführen. Dadurch konnte dem Patienten eine zusätzliche Knochenentnahme bzw. die Verwendung von allogenen Transplantaten (Knochenblöcke bzw. -platten) erspart werden.

Vorteile dieser angewandten Technik liegen nach Auffassung des Autors insbesondere in der Volumenstabilität des augmentierten Bereichs und einer deutlich besseren Integration der langsam resorbierenden Graft-Partikel durch die vernetzte Hyaluronsäure. Durch die Reduktion der Schwellung und durch die begünstigte Hart- und Weichgewebsheilung werden die Patientenmorbidität und das postoperative Risiko reduziert. Die Kombination und zusätzliche Verwendung einer azellulären dermalen Matrix zur Weichgewebsverdickung hat sich als sehr effektiv und besonders schonend für unsere Patienten dargestellt.

Eine Literaturliste steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.

Dieser Beitrag ist im IJ Implantologie Journal erschienen.

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