Implantologie 09.10.2024

Ästhetischer Vergleich: Sofort­implantation vs. Brückenversorgung

Ästhetischer Vergleich: Sofort­implantation vs. Brückenversorgung

Foto: Zaritzki Fine Dentistry

Der vorliegende Fallbericht beschreibt detailliert die Vorgehensweise bei einer Sofortimplantation im Oberkieferfrontzahnbereich, gefolgt von einer unmittelbaren Versorgung mit einer präoperativ hergestellten, transkoronal verschraubten einteiligen Vollkeramikkrone. Dabei wird nicht nur die technische Umsetzung erläutert, sondern auch ein ästhetischer Vergleich zu einer Brückenversorgung im Unterkieferfrontzahnbereich vorgenommen.

Kommt es zu einer spontanen Kronenfraktur im Frontzahnbereich, ist der Leidensdruck der Patienten zunächst sehr hoch. Dieser Fallbericht beschreibt eine Vorgehensweise bei der Therapie des frakturierten Zahns mit einer Sofortimplantation und Sofortversorgung. Des Weiteren lässt der hier dargelegte Fall den mittlerweile seit Jahrzehnten diskutierten ästhetischen Vergleich zwischen einer Implantat- und einer Brückenversorgung zu. Das geschulte Leserauge ist hierbei herzlich eingeladen, vor dem Studieren des gesamten Fachbeitrags einen Blick auf das Endergebnis zu werfen (Abb. 1) und die zwei Frontzahnregionen ausfindig zu machen, in der sich erstens das Implantat und zweitens das Brückenzwischenglied befinden.

Ausgangssituation

Eine 67-jährige Patientin stellte sich mit einem frakturierten Zahn 22 (Abb. 2) vor. Sie wünschte sich neben einer schnellstmöglichen Versorgung der Lücke eine funktionelle Rehabilitation ihrer alten Kronen im Ober- und Unterkiefer.

Akutbehandlung

Initial erfolgte eine provisorische adhäsive Wiederbefestigung der frakturierten Krone samt Stiftkernaufbau auf der Wurzel. Die Patientin wurde aufgeklärt, dass aufgrund der fehlenden Retentionshöhe und einer vorliegenden Wurzelfraktur Zahn 22 nicht mehr erhaltungsfähig ist.

Planung

Für die weitere chirurgische Planung wurden ein DVT (Abb. 3) und ein Intraoralscan angefertigt. Der Knochen apikal der Wurzel  22 befand sich in einem entzündungsfreien Zustand. Die fehlenden Anteile der bukkalen Knochenwand sollten intraoperativ mit der GBR-Technik rekonstruiert werden.

Chirurgische Phase

Nach erfolgter digitaler Planung der Sofortimplantation im Sinne eines Backward Plannings wurde eine vollnavigierte Implantationsschablone hergestellt (Abb. 4). Hier wurde mit einem Implantat (NobelActive® TiUltra™, Nobel Biocare) in 11,5 mm Länge und 3,5 mm Durchmesser geplant. Des Weiteren wurde auf Grundlage dieser Planung präoperativ im zahntechnischen Labor eine einteilige Implantatkrone aus Zirkoniumdioxid gefertigt (Abb. 5).

Unter lokaler Betäubung wurde der Patientin der Wurzelrest 22 atraumatisch mithilfe eines Extraktionssystems (Benex) und ohne Bildung eines Mukoperiostlappens entfernt (Abb. 6 und 7). Nach dem vorgegebenen Bohrprotokoll wurde das Implantat durch die Bohrschablone eingebracht. Das Implantat zeigte eine suffiziente Primärstabilität, welche mit der Resonanz-Frequenz-Analyse (Osstell Beacon, W&H) und einem Wert > 70 nachgewiesen werden konnte. Danach erfolgte im Sinne der Guided Bone Regeneration der Aufbau der bukkalen Knochenwand mit bovinem Knochenersatzmaterial (creos™ xenogain, Nobel Biocare). Abschließend wurde die provisorische Implantatkrone eingesetzt, welche etwas kleiner gestaltet wurde, um weder Okklusions- und Approximalkontakte noch Führungsflächen bei Extrusionsbewegungen aufzuweisen. So wurde das Implantat während der Einheilphase vor dysfunktionaler Belastung geschützt (Abb. 8).

Prothetische Phase

Softwaregestützt erfolgte in Vorbereitung auf die Neuversorgung der Zahnkronen im Ober- und Unterkiefer ein Mock-up der neu definierten Zahnform (Digital Smile Design). Im Zuge dessen wurde mit der Patientin in Feinabstimmung besprochen, welche Veränderungen sie sich an ihren Zähnen wünscht, um die Ästhetik zu optimieren, ohne den individuellen Charakter ihres Lächelns zu verändern.

Insgesamt betrug die Einheilphase des Implantats 14  Wochen. Danach erfolgte zunächst die Abnahme der alten prothetischen Restaurationen (Abb. 9). Um das ausgeformte Emergenzprofil der provisorischen Krone präzise auf das Modell übertragen zu können, wurde ein zuvor individualisierter offener Abformpfosten verwendet. Zwei Wochen später wurde die Prototyp-Versorgung abgenommen und die Keramikrestaurationen anprobiert. Aufgrund von kleinen Veränderungswünschen wurde die Arbeit zum Umarbeiten zurück ins Labor (Dental Design Reichert) geschickt, bevor sie eine Woche später definitiv eingegliedert werden konnte (Abb. 10). Um eine optimale Weichgewebsanlagerung zu ermöglichen, erfolgte die Versorgung des Implantats 22 mit einer transkoronal verschraubten Einzelzahnkrone auf Basis eines Titan-Abutments (NobelProcera® ASC, Nobel Biocare) mit einem 25° angulierten Schraubenkanal. Die keramische Basis aus Zirkonoxidkeramik wurde individuell verblendet.

Im Anschluss erfolgte die Rehabilitation des Unterkiefers. Da die Patientin mit ihrer Brücke Regio 32-42 immer gut zurechtgekommen ist und sich nicht einer erneuten Operation unterziehen wollte, nahmen wir die Herausforderung an, die Weichgewebe in diesem Bereich optimal auszuformen. So versuchten wir eine Brückenkonstruktion zu gestalten, welche sich im Bereich der Brückengliedauflage möglichst nicht von einem Zahn oder einem Implantat unterscheidet. Dazu wurde nach der Präparation der Unterkieferzähne und einer vorangegangenen Schleimhautdickenmessung die befestigte Gingiva in Regio 41 mit einem Laser konditioniert und die Brückenzwischengliedauflage der Prototyp-Brücke konvex ausgeformt (Abb. 11). Die Abformung erfolgte nach zwei Wochen, um der Region genug Zeit zur Stabilisierung zu geben. Nach der definitiven Eingliederung wurde zum nächtlichen Schutz vor Parafunktionen eine Michiganschiene im Unterkiefer angefertigt. Insgesamt 18 Monate nach der Implantation wurde ein Kontrollröntgenbild angefertigt (Abb. 12).

Diskussion

Aus dem anfänglichen Ziel, die entstandene Frontzahnlücke der Patientin möglichst ästhetisch und langfristig zu versorgen, leiteten sich aus den Wünschen der Patientin schnell weitere Herausforderungen ab. So galt es zunächst, mögliche Ursachen für die entstandene Fraktur ausfindig zu machen, um daraus Lehren für die spätere Versorgung zu ziehen. Offensichtlich litt der Zahn durch die vorangegangene Wurzelkanalbehandlung mit Wurzelstiftaufbau an einem ausgeprägten Verlust von Zahnhartsubstanz, welcher sich in Kombination mit der physiologisch kleinen Wurzel negativ auf die Gesamtstabilität des Zahns auswirkte. Möglich erscheint in dem Zusammenhang eine Ermüdungsfraktur aufgrund von dysfunktionaler Belastung bei Laterotrusionsbewegungen, da eine eckzahngestützte dynamische Okklusion nicht mehr gegeben war.14, 15

Daraus resultierte folglich die Entscheidung gegen eine chirurgische Kronenverlängerung oder eine Extrusionstherapie, da so zwar die erforderliche Retentionshöhe wiederhergestellt, die Stabilität der Wurzel aber weiter geschwächt worden wäre.10 Da die Zähne 21 und 23 ebenfalls kleine Wurzeln aufwiesen, wurde sich in Absprache mit der Patientin gegen eine Brückenversorgung in Regio 21–23 und für ein Einzelimplantat Regio 22 entschieden – nicht zuletzt auch aus ästhetischen Gründen. Das hier angewandte Behandlungskonzept zielt auf eine möglichst perfekte Wiederherstellung der Ästhetik ab, daher wurde sich für eine Sofortimplantation unmittelbar nach Extraktion des Wurzelrests entschieden.

Die Sofortimplantation mit Sofortversorgung sollte jedoch immer nach einer strengen Indikationsstellung erfolgen.1–3, 5 Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang die Wahl eines Implantats mit schneidendem Außengewinde, um bei den komprimierten Knochenverhältnissen einer Sofortimplantation genug Primärstabilität zu generieren.7 Weitere wichtige Eigenschaften des Implantats sind das Platform-Switch-Design und eine konische Innenverbindung, um einen möglichst dichten Abschluss zwischen Abutment und Implantat herzustellen. Denn dies hilft langfristig, einem Knochenabbau an der Implantatschulter vorzubeugen.4, 6

Unabdingbar für den Therapieerfolg in diesem Fall ist außerdem die präzise Platzierung des Implantats, welche durch eine Bohrschablone unterstützt werden muss. Nur so kann gewährleistet werden, dass die präoperativ angefertigte Implantatkrone auch passt. Abweichungen von wenigen Grad oder < 1 mm würden schon dazu führen, dass die provisorische Krone nicht mehr verwendet werden kann.8 Bei der Planung des Implantats hat sich eine Position entlang der palatinalen Knochenwand mit der finalen Lage der Implantatschulter 1 mm unterhalb des Knochenrands der Alveole bewährt.2 Finden diese Voraussetzungen Anwendung, weist die Sofortimplantation (95 Prozent) ähnlich gute Implantatüberlebensraten wie eine Implantation in ausgeheilte Alveolen (98 Prozent) auf.8, 11

Da in diesem Fall, aufgrund der hohen Lachlinie der Patientin, die optimale Anlagerung der Gingiva an die Implantatkrone im Vordergrund stand, kam für uns nur Zirkoniumdioxid als Abutmentmaterial infrage.9, 12, 13 Neben den allgemein anerkannten gewebsfreundlichen Eigenschaften und der guten Ästhetik bietet das hier angewendete Versorgungsprotokoll auch eine nicht unwesentliche Zeitersparnis, da die Implantatkrone nicht intraoperativ hergestellt oder postoperativ umgearbeitet werden muss, sondern schon präoperativ im Labor fertiggestellt werden kann.

Schlussfolgerung

Neben der anspruchsvollen Sofortimplantation und der funktionellen Rehabilitation waren es die hohen ästhetischen Ansprüche der Patientin, die diesen Fall zu einer Herausforderung machten. Besonderen Wert wurde hierbei auf die Rot-Weiß-Ästhetik gelegt. Hier galt es unter anderem, den altersbedingten Verlust der Papillen und ein damit einhergehendes Entstehen schwarzer interdentaler Dreiecke durch eine angepasste Zahnform zu kaschieren.

Fachlich interessant erscheint in diesem Fall neben der präoperativ hergestellten einteiligen Implantatkrone vor allem die Weichgewebsanlagerung an einem Implantat im Oberkieferfrontzahnbereich im direkten Vergleich mit einer Brückenversorgung im Unterkieferfrontzahnbereich (Abb. 13 und 14). Da der Brückenzwischengliedauflage unter anderem die Ausbildung eines Sulkus fehlt, wird diese stets für das fachlich geschulte Auge erkennbar sein, während es deutlich schwieriger sein wird, für den unvoreingenommenen Betrachter das Implantat im Oberkiefer ausfindig zu machen (Abb. 15). So zeigt auch dieser Fallbericht, welch wichtigen Stellenwert moderne Implantate grade auch in hochästhetischen Versorgungen besitzen.

Autoren: Dr. Fabian Meinke M.Sc., Dr. Felix Zaritzki

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Dieser Artikel ist unter dem Originaltitel „Sofortimplantation vs. Brücken­versorgung – Ein ästhetischer Vergleich“ im IJ Implantologie Journal erschienen.

Dieser Beitrag stammt von dem Anbieter und spiegelt nicht die Meinung der Redaktion wider.
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