Implantologie 01.02.2024

Sofortimplantation in der ästhetischen Zone



Sofortimplantation in der ästhetischen Zone

Foto: © Dr. Marcus Striegel

Die Zähne im Allgemeinen und explizit die Frontzähne sind für die meisten Patienten ein essenzieller Teil der Ästhetik ihres Gesichts. Dementsprechend sind unschöne Frontzähne eine ernste Einschränkung der Lebensqualität im Alltag. Im Extremfall sind Lücken im Frontzahnbereich ein Umstand, der Patienten im sozialen Umfeld sehr unangenehm sein kann. Bei einem Frontzahn mit infauster Prognose stellt sich die Frage, wie der Zahnersatz kurzfristig (provisorisch) und langfristig erfolgen soll.

Die Patientin stellte sich mit einem apikal beherdeten Zahn 11 vor. Der Zahn war bereits vor einiger Zeit alio loco wurzelkanalbehandelt worden. Auch eine spätere Wurzelspitzenresektion blieb erfolglos. Gemeinsam mit der Patientin wurden die verschiedenen Behandlungsoptionen und -abläufe besprochen. Eine Lösung mittels herausnehmbarer Prothetik sollte hier ausgeschlossen werden.

Eine Brückenversorgung von 12 auf 21 stellt eine vertretbare Lösung dar. Die ästhetischen Überlegungen sowie die gesunden Nachbarzähne sprechen allerdings in diesem Fall für einen implantatgetragenen Zahnersatz.

Traditionell würde man den Zahn ziehen und zunächst die Alveole abheilen lassen. Je nach Bedarf müsste nach einiger Zeit eine Weich- und/oder Hartgewebsaugmentation (ein- oder zweizeitig) durchgeführt werden. Nach weiterer Einheilzeit wird das Implantat inseriert und heilt unter geschlossener Schleimhaut ein. Nachdem das Implantat osseointegriert ist, wird die Abformung gemacht und nach Herstellung im Labor die Krone eingegliedert. So würde vom Termin der Extraktion bis zur Eingliederung der definitiven Krone eine lange Zeit, von mindestens einem Jahr, vergehen. Im Rahmen einer Sofortimplantation mit Sofortversorgung können diese Schritte von der Zahnextraktion über die Augmentation bis hin zur provisorischen Krone in einem Termin stattfinden. Gemeinsam mit der Patientin wurde sich für diese Vorgehensweise entschieden.

Behandlungsablauf

Um den Zahn 11 atraumatisch zu extrahieren, wurden die erreichbaren Anteile des epithelialen und bindegewebigen Attachments mittels speziellem mikrochirurgischen Instruments durchtrennt. Bei der Extraktion wurden keine horizontalen Kräfte mit einem Hebel angewandt, sondern nur rotierend und axial extrahierend mit der Zange gearbeitet. Dies geschah, um den Knochen und explizit die vulnerable bukkale Knochenlamelle zu schonen. Diese war in dem Fall sehr dünn, wie auf dem Ausschnitt des DVTs zu erkennen ist. Gleichzeitig wird so das Weichgewebe, insbesondere die Papillen, maximal geschont. Abschließend wird die Alveole von Granulationsgewebe und verbliebenem Parodont befreit.

Nach der Extraktion wurde mittels digital geplanter Bohrschablone implantiert. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Implantatgröße und -position so gewählt wird, dass zwischen Implantatoberfläche und bukkaler Knochenlamelle ein Abstand von etwa 3 mm verbleibt. Dieser Raum wird später durch Eigenknochen oder Knochenersatzmaterial aufgefüllt. Gleichzeitig sollte der vertikale Abstand zwischen Implantatschulter und Gingivasaum mindestens 3 mm betragen. Mit dieser 3D-Implantatposition wird eine bestmögliche Langzeitstabilität der periimplantären Gewebe gewährleistet.4

Bereits vor der Implantation wurde die Passung des laborgefertigten Provisoriums geprüft. Beim Design des Provisoriums orientiert man sich am besten am Situationsscan. Hierbei kann der zu extrahierende Zahn oder der gespiegelte kontralaterale Zahn als Vorbild genommen werden. So wird sich das Emergenzprofil perfekt in die Zahnreihe einfügen. Mithilfe der Flügel, die sich an den Nachbarzähnen abstützen, kann das Provisorium exakt positioniert werden.


„Der Übergang zwischen Abutment und Provisorium ist für eine natürliche Weichgewebsästhetik und ein langzeitstabiles Ergebnis essenziell.“


Da das Implantat mittels Backward Planning geplant wurde, kann bereits Platz für den Schraubenkanal ausgespart werden. Die Klebebasis (Abutment) wurde zum Befestigen des Provisoriums auf das Implantat geschraubt. Dank aktueller Wissenschaft wissen wir, dass die Methode des „Platform Switching“ bevorzugt werden sollte. Hierbei wird der Durchmesser des Abutments kleiner gewählt als der Durchmesser der Implantatschulter.3 Klebebasis und Provisorium wurden mit einem Bonding und einem Komposit vorbereitet. Das Provisorium wurde mithilfe der Flügel richtig positioniert und die zwei Komponenten mittels Lichthärtung verbunden. Anschließend wurde das Provisorium abgeschraubt und die Flügel mit einem Bohrer entfernt. Das Implantat wurde in der Zwischenzeit mit einer Verschlussschraube versehen, um Verunreinigungen im Gewinde auszuschließen.

Der Übergang zwischen Abutment und Provisorium ist für eine natürliche Weichgewebsästhetik und ein langzeitstabiles Ergebnis essenziell. Der Übergang wurde nach den Kriterien von Gomez-Meda et al. ausgearbeitet und anschließend poliert. Es sollte an der Implantatschulter zunächst eine schmale, gerade bis leicht konkave Zone (1 bis 1,5 mm) geschaffen werden, um Druck auf Hartgewebe zu vermeiden. Weiter koronal sollte eine 1 bis 2 mm hohe Zone für das Bindegewebe gestaltet werden. Die Form dieser Zone wird vor allem durch die Menge an Weichgewebe bestimmt. Hier wurde eine konkave Gestaltung gewählt, da eine Augmentation von Weichgewebe stattfand, von dem somit ein großes Angebot vorhanden war. Im ersten Millimeter unterhalb des Zahnfleischsaums wurde eine konvexe Zone gestaltet, die das Weichgewebe stützen und formen soll. Die Gestaltung orientiert sich am extrahierten Zahn oder am kontralateralen Zahn. Durch die Positionierung dieser Zone wird entscheidend der Verlauf des Gingivarandes mitbestimmt.2

Nun wurde ein „Envelope“ für das Bindegewebstransplantat geschaffen. Hierbei wird zwischen Periost und Epithel im Bindegewebe eine Tasche präpariert. Es ist dringend darauf zu achten, dass keine Schnitte im sichtbaren Epithel, insbesondere in den Papillen, gemacht werden, um Narbenbildung und Gewebeverlust zu vermeiden. Um das Bindegewebstransplantat zu heben, wurde ein entsprechend dimensioniertes Stück Schleimhaut aus dem Gaumen entnommen. Ein Systematic Review gibt gute Richtlinien, in welchem Bereich des Gaumens entnommen werden kann, ohne die A. palatina major zu verletzen.5


„Im Rahmen einer Sofortimplantation mit Sofortversorgung können diese Schritte von der Zahnextraktion über die Augmentation bis hin zur provisorischen Krone in einem Termin stattfinden.“


Es wurde ein freies Schleimhauttransplantat gehoben, da das oberflächliche Bindegewebe mit weniger Drüsengewebe und Fett durchsetzt ist. Dieses wurde extraoral deepithelialisiert und exakt auf die Zielregion angepasst. Das Bindegewebstransplantat wurde in den präparierten „Envelope“ eingebracht. Durch das Einbringen eines Bindegewebstransplantats wird ein Rückgang der Gingiva nach apikal und ein Einfallen der Weichgewebskontur nach oral vermindert. Zusätzlich wird die Resorption von umgebendem Knochen verringert.3, 6

Zur Sicherung wird das Bindegewebstransplantat mit zwei Einzelknopfnähten in Position fixiert. Für die Knochenaugmentation wurde ein xenogenes Knochenersatzmaterial vom Rind verwendet, dem porcines Kollagen beigefügt wurde. Durch die Hinzugabe von Kollagen ist die Verarbeitung und Einbringung erleichtert. Final wird das Provisorium mit dem Implantat verschraubt und der Schraubenkanal mit Komposit verschlossen. Es ist essenziell, dass die Okklusion geprüft und jeglicher statischer oder dynamischer Kontakt auf dem Provisorium vermieden wird, um das Implantat belastungsarm einheilen zu lassen. Nach vier bis sechs Monaten wird die definitive Krone eingesetzt.

Fazit

Eine Sofortimplantation ist sicherlich nicht der einfachste Eingriff in der Zahnmedizin, bringt aber, wenn richtig durchgeführt, einige Vorteile mit sich. So muss der Patient keine zahnlose Übergangsphase ertragen, die auch mit einem herausnehmbaren Provisorium aus funktioneller, ästhetischer und phonetischer Sicht gewöhnungsbedürftig ist. Bei einem naturgetreu gestalteten Provisorium wird die Veränderung im Alltag nicht auffallen. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch das minimalinvasive Vorgehen ohne Schnitte durch die sichtbare Gingiva keine Narben zu sehen sind. Weiter kann die natürliche Weichgewebsmorphologie der Gingiva mit ihrem typischen Arkadenverlauf und den ausgeprägten Papillen erhalten werden. Bei einer Extraktion mit anschließender Abheilung der Extraktionswunde würden diese Merkmale zunächst verloren gehen. Gleichzeitig würde durch den physiologischen Umbau des Alveolarfortsatzes der bukkale Knochen deutlich resorbieren.1 Beim Sofortimplantat mit Sofortversorgung können diese Strukturen erhalten werden, während sie bei der klassischen Variante mit verzögerter Implantation und geschlossener Einheilung zunächst wieder aufgebaut werden müssen. Das Wiedererlangen der natürlichen Merkmale der Gingiva kann dabei diffizil sein. 

Autoren: ZA Felix Knoch, Dr. Marcus Striegel, Dr. Luís Bessa

Eine Literaturliste steht hier zum Download für Sie bereit.

Dieser Artikel ist im IJ Implantologie Journal 01/2024 erschienen.

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